Entscheidungsstichwort (Thema)
Wesentlichkeitsgrenzen i.S. des § 1 Abs. 3 EStG
Leitsatz (redaktionell)
1) Die Ermittlung der Welteinkünfte im Rahmen der Beurteilung der Wesentlichkeitsgrenzen nach § 1 Abs. 3 EStG erfolgt nach deutschem Recht.
2) Nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegende Einkünfte, die im Ausland nicht besteuert werden, bleiben unberücksichtigt, soweit vergleichbare Einkünfte auch im Inland steuerfrei sind.
3) Nach diesen Maßstäben bleiben niederländische Verluste aus einer in den Niederlanden eigengenutzten Wohnung unberücksichtigt, während niederländisches Arbeitslosengeld in die Berechnung einzubeziehen ist.
4) Diese Ermittlungsmethode ist europarechtskonform.
Normenkette
EStG § 1 Abs. 3, § 1a Abs. 1 Nr. 2; EG Art. 39; EUVO Art. 45a; EStG § 26
Nachgehend
Tatbestand
Die Kläger sind deutsche Staatsangehörige. Sie wohnen in den Niederlanden und begehren, als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt zu werden und als Ehegatten gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt zu werden.
Der Kläger bezog in den Streitjahren 2005 und 2006 Einkünfte aus unselbstständiger Arbeit in Deutschland. Die Klägerin bezog Einkünfte in den Niederlanden. Streitig dabei sind Einkünfte aus niederländischem Arbeitslosengeld und negative Einkünfte aus selbstgenutztem Wohnraum. Hinsichtlich der genauen Höhe wird auf die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 23.11.2009 Bl. 4 und 5 der Akte verwiesen.
In den Einkommensteuererklärungen der Kläger setzten diese die niederländischen Einkünfte mit weniger als 10 % der Gesamteinkünfte an, weil sie das niederländische Arbeitslosengeld, das in den Niederlanden der Einkommensteuer unterliegt, nicht in die Berechnung einbezogen, die negativen Einkünfte aus dem selbstgenutzten Wohnraum dagegen mitberücksichtigten.
Mit Bescheiden vom 16.1.2007 und 18.4.2008 lehnte der Beklagte den Antrag der Kläger ab. Mit ablehnender Einspruchsentscheidung vom 23.11.2009 führte der Beklagte aus: Das niederländische Arbeitslosengeld sei in die Berechnung nach § 1 Abs. 3 Einkommensteuergesetz in der in den Streitjahren geltenden Fassung (EStG) einzubeziehen, da es nach dem deutschen Einkommensteuerrecht einkommensteuerpflichtig sei (§ 1 Abs. 3 S. 2 EStG), weil es nicht nach deutschem Sozialrecht gezahlt werde (siehe § 3 Nr. 2 EStG), aber auch nach § 1 Abs. 3 S. 4 EStG nicht unberücksichtigt bleiben dürfe, da es in den Niederlanden besteuert werde. Umgekehrt dürften die Verluste aus selbstgenutzter Wohnung nicht in die Berechnung nach § 1 Abs. 3 S. 2 EStG einbezogen werden, weil es sich insoweit nach deutschem Steuerrecht nicht um (negative) Einkünfte handele.
Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage vom 23.12.2009. Die Kläger tragen vor: Nach dem Urteil des EuGH in Sachen „Meindl” sei das niederländische Arbeitslosengeld der Klägerin nicht zu berücksichtigen, da es in Deutschland steuerfrei sei, mindestens sei aber die niederländische Lohnsteuer von der Berechnung auszunehmen. Verfassungsrechtlich sei der absolute Mindestbetrag in § 1 Abs. 3 S. 2 EStG; er sollte schon in den Streitjahren dem Grundfreibetrag des § 32 a EStG entsprechen. Schließlich sei es widersprüchlich, das niederländische Arbeitslosengeld nach niederländischem Recht als steuerpflichtig zu behandeln, den Verlust aus eigengenutzter Wohnung, der nach niederländischem Recht berücksichtigt werde, aber von der Berechnung auszuschließen.
Die Kläger beantragen,
die Einkommensteuerbescheide der Streitjahre 2005 und 2006 dahin zu ändern, dass die Kläger gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt werden,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er wiederholt und vertieft die Gründe seiner Einspruchsentscheidung.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Die Kläger haben keinen Anspruch auf Zusammenveranlagung nach § 26 Abs. 1 EStG, da sie nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig waren und auch nicht nach § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt werden können, was ihnen nach § 1 a Abs. 1 Nr. 2 EStG die Zusammenveranlagung eröffnen würde. Sie erfüllen die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 EStG nicht.
Eine Zusammenveranlagung ist danach nur möglich, wenn entweder die Einkünfte beider Ehegatten im Kalenderjahr mindestens zu 90 % der deutschen Einkommensteuer unterliegen (so genannte relative Wesentlichkeitsgrenze) oder die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte den Betrag von 12.272 EUR nicht übersteigen (so genannte absolute Wesentlichkeitsgrenze).
Die Einkünfteermittlung nach § 1 Abs. 3 S. 2 EStG vollzieht sich in zwei Stufen. Zunächst ist in einem ersten Schritt die Summe der Welteinkünfte zu ermitteln. Diese sind sodann in einem zweiten Schritt in die Einkünfte, die der deutschen Einkommensteuer unterliegen, und die Einkünfte, bei denen dies nicht der Fall ist, aufzuteilen.
Bei der Ermittlung der Welteinkünfte sind sämtliche Einkünfte, unab...