Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückgängigmachung eines Erwerbsvorgangs
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Festsetzung der Grunderwerbsteuer wird aufgehoben, wenn der Erwerbsvorgang rückgängig gemacht wird, bevor das Eigentum am Grundstück auf den Erwerber übergegangen ist und die Rückgängigmachung innerhalb von zwei Jahren seit der Steuerentstehung stattfindet.
2. Die Rückgängigmachung setzt außer der zivilrechtlichen Aufhebung des den Steuertatbestand erfüllenden Rechtsgeschäfts voraus, dass die Vertragspartner sich derart aus ihren vertraglichen Bindungen entlassen haben, dass die Möglichkeit zur Verfügung über das Grundstück nicht beim Erwerber verbleibt, sondern der Veräußerer seine ursprüngliche Rechtsstellung wiedererlangt.
3. Wenn im Zusammenhang mit der Aufhebung eines Grundstückskaufvertrags das Grundstück weiterveräußert wird, ist entscheidend, ob für den früheren Erwerber trotz der Vertragsaufhebung die Möglichkeit der Verwertung einer aus dem rückgängig gemachten Erwerbsvorgang herzuleitende Rechtsposition verblieben ist und der Verkäufer somit nicht aus seinen Bindungen entlassen war.
4. Letzteres ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Aufhebungs- und Weiterveräußerungsvertrag in einer und derselben Urkunde zusammengefasst sind.
Normenkette
GrEStG § 16 Abs. 1 Nr. 1, § 1
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob ein von der Klägerin verwirklichter Erwerbsvorgang rückgängig gemacht worden ist.
Mit notariellem Vertrag vom ….2020 erwarb die Klägerin zusammen mit ihrem damaligen Lebensgefährten (L) von den Eheleuten N das Grundstück Z-Straße … in X zu jeweils 1/2-Anteil. Der Gesamtkaufpreis sollte … € betragen, von dem … € auf das mitverkaufte Inventar entfielen. Die Zahlung des Kaufpreises sollte frühestens zum 1.7.2021 erfolgen. Hintergrund des langen Zeitraums zwischen Kaufvertragsabschluss und Kaufpreiszahlung war, dass die Eheleute N für sich altersgerecht bauen wollten und die Kaufpreiszahlung durch L und die Klägerin für das Erwerbsgrundstück vor diesem Hintergrund erst nach Fertigstellung des neuen Objekts der Eheleute N erfolgen sollte. Eine Auflassungsvormerkung für die Klägerin und L wurde am ….2020 im Grundbuch eingetragen.
Mit Bescheid vom 14.4.2020 setzte der Beklagte auf der Grundlage der hälftigen Bemessungsgrundlage (… €) die Grunderwerbsteuer mit … € gegenüber der Klägerin fest. Der Bescheid wurde nicht angefochten, die Klägerin hat die auf sie entfallende Grunderwerbsteuer entrichtet (II. Punkt 6. des Ergänzungsvertrags).
In der Folgezeit – nach Eintragung der kaufvertraglich vereinbarten Auflassungsvormerkung und Einräumung des Grundpfandrechts für die finanzierende Bank, aber noch vor Kaufpreiszahlung und Eintragung der Erwerber als Eigentümer – trennten sich die Klägerin und L im Frühjahr 2021. Angesichts der Trennung war ein gemeinsamer Grundstückserwerb seitens der Klägerin und L nicht mehr erwünscht. Andererseits waren die Veräußerer nach wie vor an der Abwicklung des abgeschlossenen Kaufvertrags interessiert, L wollte das Grundstück nach wie vor auf der Grundlage des abgeschlossenen Kaufvertrags erwerben, während die Klägerin daran interessiert war, ohne Nachteile aus den kaufvertraglichen Verpflichtungen und dem Darlehnsvertrag entlassen zu werden.
Vor diesem Hintergrund schlossen die Vertragsbeteiligten am ….2021 vor dem Notar Y einen weiteren Vertrag (UR 1…/2021), mit dem der vorgenannte Kaufvertrag hinsichtlich des Erwerbs des auf die Klägerin entfallenden Anteils rückgängig gemacht wurde. Die Klägerin wurde in dieser Urkunde als „ausscheidender Käufer” bezeichnet, L als „verbleibender Käufer” mit „Käufer”. Der Notar stellte zunächst fest, dass die Kaufpreiszahlung noch nicht erfolgt und die Umschreibung des Eigentums noch nicht beantragt worden sei. Sodann nahm der Notar Bezug auf die zwischenzeitlich für die Klägerin und L eingetragene Auflassungsvormerkung sowie die zugunsten der Volksbank X zwischenzeitlich eingetragene Grundschuld. Die die Klägerin betreffende Auflassungsvormerkung sollte zur Löschung gebracht werden, ihre Verpflichtung aus dem Grundpfandrecht wurde von L übernommen, auf den auch alle mit der Grundschuld verbundenen Eigentümerrechte übertragen wurden.
Danach führte der Notar aus, dass es sich bei der Bezugsurkunde rechtlich um zwei Kaufverträge handle, und zwar einen solchen der Verkäufer mit der Klägerin über einen ideellen 1/2-Miteigentumsanteil und einen solchen mit L über einen weiteren ideellen 1/2-Miteigentumsanteil. Die Klägerin wolle aufgrund der Trennung von L als Käuferin ausscheiden; der Vertrag mit der Klägerin solle vollständig aufgehoben und rückgängig gemacht werden. Der ursprünglich an die Klägerin verkaufte ideelle 1/2-Miteigentumsanteil solle von den Eheleuten N als Verkäufer an L verkauft werden.
Nachdem die Klägerin auf dieser Grundlage aus allen kaufvertraglichen Verpflichtungen entlassen wurde, verkauften die Eheleute N als Verkäufer unter III. der Urkunde 1…/2021 an L zusätzlich auch den zunächs...