Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorsteuervergütung; materielle Bestandskraft des Vergütungsbescheides
Leitsatz (redaktionell)
Die Bestimmungen zur formellen Bestandskraft ergangener Bescheide des Beklagten ergeben sich für das Vorsteuervergütungsverfahren aus den allgemeinen Regelungen der AO. Im Streitfall ist der Bescheid unstreitig hinsichtlich des Vergütungszeitraums nach den Vorschriften der AO bestandskräftig geworden. Unter Berücksichtigung der Grundsätze der materiellen Bestandskraft ist damit eine erneute Geltendmachung der Vorsteuern, die bereits Gegenstand des Vergütungsantrages für den Zeitraum Juli bis September 2013 waren, nach den deutschen Verfahrensregeln nicht mehr möglich.
Normenkette
UStDV § 60 S. 3; Richtlinie 2008/9/EG Art. 14 Abs. 1
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Vergütung von Vorsteuern i.H.v. 13.982,39 €. Die Klägerin ist eine in Frankreich ansässige Unternehmerin.
Am 7.2.2014 stellte die Klägerin einen Antrag auf Vergütung von Vorsteuern für den Zeitraum Oktober bis Dezember 2013 i. H. v. 13.932,39 €. Gegenstand des Antrags war eine Rechnung der Firma A …logistik vom 25.7.2013.
Diese Rechnung war zuvor Gegenstand eines Antrages auf Vorsteuervergütung vom 20.11.2013 für den Zeitraum Juli bis September 2013. Dieser Antrag wurde vom Beklagten mit Bescheid vom 13.12.2013 abgelehnt. Der Bescheid wurde bestandskräftig.
Den Antrag vom 7.2.2014 lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 10.3.2014 mit Hinweis darauf ab, dass über die streitbefangene Rechnung bereits mit Bescheid vom 13.12.2013 bestandskräftig entschieden worden sei. Eine erneute Berücksichtigung sei nicht möglich.
Hiergegen wandte sich die Klägerin mit Einspruch vom 9.4.2014.
Sie trug vor, dass sie ihren Vergütungsanspruch lediglich im Rahmen eines neuen Vergütungsantrags für das letzte Quartal des Jahres 2013 habe sichern können. Das Recht hierzu ergebe sich aus § 60 S. 3 UStDV. Die Norm erlaube eine Verfahrenserleichterung. Aus der Gesamtregelung ergebe sich, dass das Prinzip des Bestandsschutzes von Bescheiden für zeitlich vorgehende Vergütungszeiträume innerhalb desselben Jahres keine Anwendung finde. Die Vorschrift enthalte keine explizite Aussage zu einer Bestandskraft.
Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 5.11.2014 als unbegründet zurück.
Hiergegen richtet sich die Klage vom 8.12.2014.
Zur Begründung trägt die Klägerin vor, dass es sich bei der Umsatzsteuer um eine Jahressteuer handele. § 60 S. 3 UStDV diene der Verfahrensvereinfachung, die dadurch erreicht werde, dass ein Steuerpflichtiger nicht für jede verspätet eingetroffene Rechnung einen Änderungsantrag stellen müsse. Die Vorschrift enthalte keine Aussagen zum Bestandsschutz. Ein Bestandsschutz sei auch nicht gewollt. Dies werde daraus deutlich, dass Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 79/1072/EWG nicht in die aktuelle Richtlinie 2008/9/EG übernommen worden sei. Nach der seinerzeitigen Vorschrift sei vorgesehen gewesen, jedes Dokument mit einem Sichtvermerk zu kennzeichnen, um zu verhindern, dass das Dokument für einen weiteren Antrag genutzt werden könne. Das Fehlen einer entsprechenden Norm in der aktuellen Richtlinie zeige, dass das Vorgehen der Klägerin durch die europäischen Vorgaben gedeckt sei.
Übe ein Unternehmer das ihm nach § 60 UStDV zustehende Wahlrecht dahingehend aus, keinen Vergütungsantrag für einen Teilzeitraum eines Kalenderjahres zu stellen, sondern alle Vorsteuerbeträge im Rahmen eines Jahresantrages geltend zu machen, sei unerheblich, ob für ihn die Möglichkeit zu Einreichung eines quartalsweisen Vergütungsantrag bestanden habe.
Der Beklagte könne eine Bestandskraft nicht aus der Bildung von unterjährigen Vergütungszeiträumen herleiten, da die Umsatzsteuer eine Jahressteuer sei. Darüber hinaus stelle ein Vergütungsantrag eine Steueranmeldung im Sinne von § 150 Abs. 1 S. 2 AO dar, die gemäß § 168 S. 2 AO einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichgestellt sei. Bereits aus diesem Grunde bestünde eine Änderungsmöglichkeit gemäß § 164 Abs. 2 S. 1 AO. Der Bescheid für den Zeitraum Juli bis Dezember 2013 könne somit keine materielle Bestandskraft für das Kalenderjahr 2013 entfalten.
Die Entscheidung des FG Köln vom 8.3.2016 (2 K 1592/15) habe für den vorliegenden Fall keine Bedeutung, da in der dort entschiedenen Sache zwei Anträge auf Vorsteuervergütung für denselben Zeitraum gestellt worden seien. Darüber hinaus sei der Entscheidung nicht zu folgen, da aus dem Grundsatz der Neutralität der Umsatzsteuer sowie dem Diskriminierungsverbot folge, dass das Vorsteuervergütungsverfahren nicht ein vereinfachtes oder abgekürztes Verfahren im Vergleich zum nationalen Veranlagungsverfahren sei. Daher müsse eine Differenzierung zwischen den Voraussetzungen der Zulässigkeit und Begründetheit eines Antrags im Vorsteuervergütungsverfahren im Vergleich zum nationalen Veranlagungsverfahren möglich sein.
Die Klägerin beantragt,
unter Änderung des Bescheides vom 10....