Entscheidungsstichwort (Thema)

Abzug von Sozialversicherungsbeiträgen in einem Kindergeldbescheid außerhalb des Prognosezeitraums nicht mehr möglich

 

Leitsatz (redaktionell)

Hat die Familienkasse nach dem für die kindergeldschädlichen Einkünfte des Kindes laufenden Prognosezeitraum die Gewährung des Kindergelds letztmalig bestandskräftig abgelehnt, ist eine Korrektur aufgrund von § 70 Abs. 4 EStG wegen der BVerfG-Entscheidung vom 11.1.2005 - 2 BvR 167/02, die die Sozialversicherungsbeiträge abziehbar stellt, nicht mehr möglich.

 

Normenkette

EStG § 70 Abs. 2; AO 1977 § 173 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; EStG § 32 Abs. 4 S. 2

 

Tatbestand

Streitig ist die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für den Sohn U des Klägers für den Streitzeitraum 2003. U befand sich im Jahr 2003 in einem Ausbildungsverhältnis bei der E AG mit einem monatlichen Einkommen von 711,49 EUR brutto.

Mit Bescheid vom 19.1.2004 hob die Beklagte die Kindergeldfestsetzung ab Januar 2003 für den Sohn U (geb. 00.00.1983) auf, da das Einkommen des Kindes nach Ansicht des Beklagten den Grenzbetrag nach § 32 Abs. 4 EStG überschritt (Bl. 182 der KiG-Akte). Zugleich erfolgte eine Rückforderung in Höhe von 924 EUR. Der Berechnung der Beklagten lag eine Verdienstbescheinigung des Arbeitgebers des Sohnes zugrunde. Der errechnete Jahresbetrag von 8.677,98 EUR war – in Einklang mit der seinerzeitigen BFH-Rechtsprechung – nicht um die angefallenen Sozialversicherungsbeiträge gemindert worden, durch die sonst der Grenzbetrag unterschritten worden wäre (vgl. Bl. 168 der KiG-Akte).

Mit weiterem gesonderten Bescheid vom 19.1.2004 hob die Beklagte auch zunächst die Festsetzung des Kindergeldes für das Jahr 2002 auf und forderte das gezahlte Kindergeld in Höhe von 1.848 EUR zurück (Bl. 180 der KiG-Akte). Zuvor hatte die Familienkasse dem Kläger schon mit Schreiben vom 16.10.2003 (Bl. 172f. der KiG-Akte) mitgeteilt, dass die Kindergeldzahlung für das Jahr 2002 und 2003 möglicherweise zu Unrecht gezahlt worden sei und dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Da eine Stellungnahme nicht erfolgte, erließ der Beklagte die Bescheide vom 19.1.2004.

Der Kläger teilte dem Beklagten mit Schreiben vom 22.1.2004 mit, dass das Ausbildungsverhältnis des Sohnes erst am 2.9.2002 begonnen habe, so dass die Einkommensgrenze im Jahr 2002 nicht überschritten worden sei. Daher sei auch eine Rückzahlung des gezahlten Kindergeldes im Jahr 2002 nicht erforderlich (Bl. 184 der KiG-Akte). Im weiteren Verlauf des Verfahrens wies der Kläger durch Vorlage des Ausbildungsvertrages nach, dass Beginn der Ausbildung der 2.9.2002 war.

Laut interner – in der KiG-Akte enthaltener (Bl. 194) – Änderungsverfügung wurde der einzuziehende Betrag von insgesamt 2.772 EUR (1.848 EUR + 924 EUR) um 1.848 EUR gemindert, da das Kindergeld für das Jahr 2002 zu Recht gezahlt wurde.

Mit Schreiben vom 20.4.2004 erkundigte sich der Kläger nach dem Sachstand. Er teilte mit, dass er die Unterlagen (Ausbildungsvertrag) vorgelegt habe und bat um Klärung. Als Anlage zu diesem Schreiben fügte er eine Erklärung zu den Einkünften und Bezügen für seinen Sohn U für die Kalenderjahre 2002, 2003 und 2004 bei. Weiterhin lagen dem Schreiben Erklärungen über die Werbungskosten für die Jahre 2002, 2003 und 2004 bei. Die Familienkasse teilte dem Kläger mit Bescheid vom 8.6.2005 mit, dass für das Jahr 2004 Kindergeld festgesetzt werde, eine Änderung des Bescheids vom 19.1.2004 über die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für das Jahr 2003 aber nicht mehr in Betracht komme, da diese bestandskräftig sei. Es käme auch keine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO in Betracht.

Der Kläger erklärte hingegen, dass er etliche Male persönlich bei der Familienkasse vorgesprochen habe und man ihm erklärt habe, dass er die Beendigung der Ausbildung des Sohnes abwarten sollte (Schreiben vom 13.6.2005, Bl. 239 der KiG-Akte). Dieses Schreiben wertete die Beklagte als Einspruch gegen den Ablehnungsbescheid Kindergeld 2003 vom 8.6.2005, den sie mit Einspruchsentscheidung vom 1.8.2005 als unbegründet zurückwies. Auf den Inhalt der Einspruchsentscheidung (Bl. 257ff. KiG-Akte) wird verwiesen.

Mit der Klage verfolgt der Kläger die Aufhebung des Kindergeldaufhebungsbescheids vom 19.4.2004 für das Jahr 2003 sowie die Festsetzung von Kindergeld für das gesamte Jahr 2003 weiter. Er habe es zwar unterlassen, gegen diesen Bescheid fristgerecht Einspruch einzulegen. Ihm sei jedoch in etlichen persönlichen Gesprächen mit Mitarbeitern der Agentur mitgeteilt worden, dass er mit einer Beantragung des Kindergeldes für den Sohn U solange warten sollte, bis dieser seine Ausbildung beendet habe. Aufgrund dieser Aussage habe er gegen den Bescheid keinen Einspruch eingelegt und auch den aufgrund einer Vollstreckungsankündigung geforderten Betrag von 924 EUR gezahlt. Auch wenn er die Einspruchsfrist des Bescheides vom 19.1.2004 versäumt habe, sei der Bescheid im vorliegenden Fall aufzuheben. Denn die Nichtgewährung sei rechtswidrig, da das BVerfG durch Beschluss vom 11.1.2005 festgelegt hab...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Steuer Office Excellence enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge