Entscheidungsstichwort (Thema)
Abzug von Sozialversicherungsbeiträgen in einem Kindergeldbescheid außerhalb des Prognosezeitraums nicht mehr möglich
Leitsatz (redaktionell)
Hat die Familienkasse nach dem für die kindergeldschädlichen Einkünfte des Kindes laufenden Prognosezeitraum die Gewährung des Kindergelds letztmalig bestandskräftig abgelehnt, ist eine Korrektur aufgrund von § 70 Abs. 4 EStG wegen der BVerfG-Entscheidung vom 11.1.2005 - 2 BvR 167/02, die die Sozialversicherungsbeiträge abziehbar stellt, nicht mehr möglich.
Normenkette
EStG § 70 Abs. 2; AO 1977 § 173 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; EStG § 32 Abs. 4 S. 2
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die Berechtigung der Klägerin zum Bezug von Kindergeld für ihre am 00.00.1980 geborene Tochter T für den Zeitraum Januar 2001 bis Dezember 2002. Die Tochter befand sich in diesen beiden Jahren bei der T1 AG in Berufsausbildung.
Die Beklagte hatte zunächst aufgrund einer von der Klägerin vorgelegten Ausbildungsbescheinigung des Arbeitgebers der Tochter aus dem Juni 2000 Kindergeld für den hier streitigen Zeitraum bewilligt und in Höhe von insgesamt 3.504,60 EUR ausgezahlt.
Nachdem die Klägerin im Januar 2003 erneut eine Ausbildungsbescheinigung mit den Beträgen der im Streitzeitraum tatsächlich gezahlten Bruttovergütungen vorgelegt hatte, wies die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 20.1.2003 darauf hin, dass die Einkünfte der Tochter in beiden Jahren den Grenzbetrag überschritten und sie eine Aufhebung der Kindergeldfestsetzung prüfen müsse.
Daraufhin übersandte die Klägerin als Anlage zum Schreiben vom 20.2.2003 der Beklagten Kopien der Lohnsteuerkarten der Tochter für 2001 und 2002, aus denen sich Arbeitnehmeranteile am Gesamtsozialversicherungsbeitrag für 2001 von insgesamt 3463,88 DM und für 2002 von 1959,27 EUR ergeben. Nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 25. Februar 2003 darauf hingewiesen hatte, dass der Gesamtsozialversicherungsbeitrag nicht abzugsfähig sei, übersandte die Klägerin der Beklagten mit Schreiben vom 25. Mai 2003 die Einkommensteuerbescheide der Tochter für 2001 und 2002 vom 22. Mai 2003, anhand derer sie das zu versteuernde Einkommen der Tochter mit 10.733 DM für 2001 und mit 6.011 EUR für 2002 bezifferte, und bat um Aufrechterhaltung der bisherigen Festsetzung.
Mit Bescheid vom 3. Juni 2003 hob die Beklagte die Festsetzung des Kindergeldes für die Tochter T ab Januar 2001 auf und forderte zugleich das Kindergeld für den Zeitraum Januar 2001 bis Dezember 2002 in Höhe von 3504,60 EUR zurück.
Den dagegen eingelegten Einspruch wies die Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 11. November 2003 wegen der Überschreitung des jeweiligen Grenzbetrages für 2001 und 2002 als unbegründet zurück. Dabei setzte die Beklagte die Einkünfte der Tochter mit dem jeweiligen Gesamtbetrag der Einkünfte aus den Einkommensteuerbescheiden in Höhe von 14.855 DM für 2001 und 8.330 EUR für 2002 an.
Die Einspruchsentscheidung wurde nicht mit Klage angefochten.
Mit Schreiben vom 15. August 2005 stellte die Klägerin – vertreten durch einen Rechtsanwalt, den jetzigen Prozessbevollmächtigten – „Antrag auf Änderung” der Einspruchsentscheidung vom 11. November 2003 und bat um Rücküberweisung der bis dahin auf die Rückforderung hin gezahlten Raten. Zur Begründung wies die Klägerin auf die Entscheidung des BVerfG vom 11. Januar 2005 2 BvR 167/02 hin, dergemäß bei der Berechnung der Einkünfte eines Kindes auch dessen Sozialversicherungsbeiträge abzugsfähig sind.
Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 25. August 2005 mit der Begründung ab, mangels einer Änderungsnorm sei eine rückwirkende Änderung nicht zulässig.
Ihren dagegen eingelegten Einspruch begründete die Klägerin damit, dass es ermessenwidrig sei, eine Neubescheidung allein im Hinblick auf die Unanfechtbarkeit der Einspruchsentscheidung vom 11. November 2003 abzulehnen, da sich die Klägerin auf die unzutreffende Mitteilung der Beklagten verlassen habe, dass Sozialversicherungsbeiträge nicht abzugsfähig seien.
Mit Einspruchsentscheidung vom 23. September 2005 wies die Beklagte diesen Einspruch als unbegründet zurück, da die Voraussetzungen der §§ 172 ff AO und des § 70 Abs. 4 EStG für eine Änderung der bestandskräftigen Einspruchsentscheidung vom 11. November 2003 nicht vorlägen.
Daraufhin hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt, die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für die Jahre 2001 und 2002 rückgängig zu machen.
Sie – so trägt die Klägerin zur Begründung ihrer Klage ergänzend vor – habe es unterlassen, gegen die Einspruchsentscheidung vom 11. November 2003 fristgerecht Klage einzulegen, weil ihr durch die Beklagte im Laufe des damaligen Verwaltungsverfahrens mitgeteilt worden sei, dass Sozialversicherungsbeiträge des Kindes bei der Berechnung von dessen Einkünften nicht abgezogen werden dürften. Ihr Vertrauen auf diese behördliche Entscheidung sei schutzwürdig, s...