Entscheidungsstichwort (Thema)
Begriff der Leibrente bei Anpassung an Pflegebedürftigkeit
Leitsatz (redaktionell)
1) Es fehlt an der für die Annahme einer Leibrente erforderlichen Gleichmäßigkeit der Leistungen, wenn die Höhe der Leistungen von der (Pflege-)Bedürftigkeit des Leistungsempfängers abhängig ist.
2) Zur Frage, wann Leistungen, die aufgrund eines Übergabevertrages erbracht werden (hier: "Grundrente" und "Pflegerente"), als "verschiedenartige Leistungen" im Sinne der BFH-Rechsprechung anzusehen sind.
Normenkette
EStG § 22 Nr. 1 S. 3a; ZPO § 323; EStG § 22 Nr. 1 S. 1
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob Zahlungen aufgrund eines Rentenvertrages in voller Höhe oder nur mit dem Ertragsanteil steuerpflichtig sind.
Die am xxx und am xxx geborenen Kläger sind zusammenveranlagte Ehegatten, die seit dem 1.4.2004 in Deutschland (wieder) unbeschränkt steuerpflichtig sind. Sie schlossen mit ihren in der Schweiz lebenden leiblichen Kindern KB und PD, geb. B, am 12.3.2004 einen „Leibrentenvertrag” im Sinne von Art. 516 des Schweizerischen Obligationenrechts. Nach den einführenden „Feststellungen(I.)” des Vertrages wollten die Kläger (Leibrentenempfänger) zur Sicherung des Alterseinkommens einen Teil ihres Vermögens an ihre Kinder (Leibrentenschuldner) mit der Verpflichtung übertragen, ihnen eine jährliche Rente auszurichten. Sie wollten sich im hohen Alter nicht mehr selbst um ihr Vermögen kümmern müssen. Das übergebene Vermögen sollte primär der Rentengenerierung dienen und daher in einem bestimmten Umfang gemeinsam verwaltet und nicht verbraucht werden. Zusätzlich sollte es aber auch den Leibrentenschuldnern in einem zu bestimmenden Umfang vollumfänglich zu eigenen Verwendung zur Verfügung stehen, um sie in ihrem Fortkommen zu unterstützen.
Unter Abschnitl II. (Leibrentenvertrag) des Vertrages vereinbarten die Vertragspartner, dass den Leibrentenschuldnern gesamthänderisch Wertpapiervermögen der Klägerin im Umfang von 3 Millionen EUR übertragen wird. Zur Gegenleistung heißt es unter II. des Vertrages u. a.:
„6. Im Gegenzug verpflichteten sich die Leibrentenschuldner den Leibrentenempfängern eine jährliche Rente im Umfang von heute Euro 96.000 auszuzahlen, die sich mindestens aus diesem Vermögen erwirtschaften lässt. Diese Rente ist auch zu zahlen, wenn eine wesentliche Veränderung der Verhältnisse eintrifft, die zur Bemessung diese Rente beigetragen hat. Eine Abänderung der Rente im Wege der Klage ist insoweit nicht zulässig.
7. Die Rentenleistungspflicht beginnt sofort mit der Übertragung des Rentenvermögens an die Leibrentenschuldner zu laufen. Die Rente wird erstmals geschuldet für das Kalenderjahr 2004 beginnend mit dem Monat April ….
9. Die Leibrente wird indexiert. Als Leitindex gilt der Schweizerische Landesindex für Konsumentenpreise, Basis 2000 = 100 Punkte, … die Leibrente beträgt in jedem Fall mindestens Euro 96.000 ….”
In Ziffer IV. des Vertrages trafen die Kläger mit ihren Kindern unter der Überschrift ”Absicherung bei Pflegebedürftigkeit eines oder beider Rentenempfänger” folgende Vereinbarung:
„17. Im Falle, dass einer der beiden oder beide Rentenempfänger pflegebedürftig würden und die Leibrente den gewöhnlichen Lebensaufwand zuzüglich den Pflegeaufwand nicht zu decken vermag, verpflichten sich die Rentenschuldner, für den pflegebedürftigen Rentenempfänger eine zusätzliche jährliche Leistung von maximal Euro 130.000 auszurichten.
18. Diese Euro 130.000 sind primär aus der nicht ausgeschütteten Vermögensstandssteigerung von 5% zu entrichten ….
20. Sollten beide Leibrentenempfänger gleichzeitig pflegebedürftig sein, so beschränkt sich die jährliche zusätzliche Leistung der Rentenschuldner auf maximal die in Ziffer 17 erwähnten Euro 130.000.”
Wegen der weiteren Einzelheiten der Rentenvereinbarung wird auf den Vertrag verwiesen, der sich abschriftlich in den Gerichtsakten (Bl 31 – 35) befindet.
In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr erklärten die Kläger die Leistungen aus dem Übergabevertrag in Höhe von insgesamt 72.000 Euro (April bis Dezember 2004) als Leibrente. Der Beklagte behandelte die Zahlungen demgegenüber als wiederkehrende Leistungen und legte sie in voller Höhe der Besteuerung zugrunde. Er vertrat die Auffassung, dass im Streitfall keine gleichmäßigen und gleichbleibenden Leistungen und somit keine Leibrente vereinbart worden sei, weil die Zahlungen bei Pflegebedürftigkeit zu erhöhen seien. Hierdurch ergab sich für den Veranlagungszeitraum 2004 ein Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von 71.871 Euro. Nach Abzug eines entsprechenden Verlustvortrages wurde die Einkommensteuer 2004 mit Bescheid vom 19.10.2005 auf 0 Euro festgesetzt. Der verbleibende Verlustvortrag zum 31.12. 2004 wurde ebenfalls am 19.10.2005 mit dem angefochtenen Bescheid gem. § 10 d Abs. 4 EStG auf 211.492 Euro festgestellt. Der verbleibende Verlustvortrag zum 31.12.2003 hatte 283.363 Euro betragen.
Der Einspruch der Kläger gegen den Verlustfeststellungsbescheid blieb erfolglos. Der Beklagte lehnte die Besteu...