Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung des Leistungsempfängers nach § 55 UStDV 1993
Leitsatz (redaktionell)
1) Die Regelung der Einbehaltungs- und Abführungspflicht für die Umsätze eines nicht im Erhebungsgebiet ansässigen Unternehmens sowie einer diesbezüglichen Haftung des Leistungsempfängers für die einzubehaltende und abzuführende Steuer durch die §§ 51, 54 und 55 UStDV ist durch die Ermächtigung in § 18 Abs. 8 Satz 1 und 2 UStG vollumfänglich gedeckt.
2) Ein im Ausland ansässiger Unternehmer i.S. der §§ 51 ff. UStDV ist gemäß § 51 Abs. 3 Satz 1 UStDV ein Unternehmer, der weder im Inland noch auf der Insel Helgoland oder in einem der in § 1 Abs. 3 UStG bezeichneten Gebiete eine Wohnsitz, seinen Sitz, seine Geschäftsleitung oder eine Zweigniederlassung hat. § 3a UStG und die Rechtsprechung zu § 18 Abs. 9 UStG stehen der Rechtsverbindlichkeit dieser Legaldefinition nicht entgegen.
3) Eine Zweigniederlassung i.S. des § 51 UStDV kann auch ohne tatsächliche Eintragung in das Handelsregister vorliegen.
4) Für den Erlass eines Haftungsbescheids ist das FA zuständig, an das der Leistungsempfänger die Steuer abzuführen hat.
Normenkette
UStG 1993 § 18 Abs. 9; UStDV 1993 §§ 51, 54-55; UStG 1993 § 18 Abs. 8
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die M-GmbH zur Einbehaltung und Abführung von Umsatzsteuer im Rahmen des Umsatzsteuer-Abzugsverfahrens verpflichtet war. Die M-GmbH war Empfänger von umsatzsteuerpflichtigen Werklieferungen der Firma I. Rechtsnachfolger der M-GmbH war die M-oHG, auf die die M-GmbH umgewandelt worden ist. Rechtsnachfolger der M-oHG wiederum ist die Klägerin, die als verbundenes Unternehmen zur Firmengruppe S gehört, der am Stammkapital der M-GmbH zusammen mit Herrn R zu jeweils 50% beteiligt war (Gesellschafterbeschluss, RBSt-Akte). Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass sich Geschäftsleitung und Sitz der I in der Stadt X, Polen befunden haben; unterschiedliche Auffassungen bestehen darüber, ob die I zumindest in den Jahren ab 1996/97 in der Stadt L (BRD) auch über eine Zweigniederlassung unter der Anschrift „C-Str.” bzw. „W-Str.” verfügte, mit der Folge, dass die Klägerin gemäß § 51 Abs. 3 Satz 1 UStDV von der Verpflichtung zur Einbehaltung und Abführung der Umsatzsteuer für die I befreit wäre.
Hinsichtlich der Hintergründe zu I wird Bezug genommen auf das den Beteiligten bekannte Urteil in der Sache 10 K 614/03 vom heutigen Tage. Auf Anregung des FA B wurde im Jahr 2001 bei Firmengruppe S eine Betriebsprüfung für die Jahre 1997 bis 1999 durch das FA für Großbetriebsprüfung der Stadt H durchgeführt. Auch insoweit wird wegen der Einzelheiten auf das Urteil in der Sache 10 K 614/03 Bezug genommen.
Aus der Prüferhandakte ergibt sich folgende unter Mitwirkung des steuerlichen Beraters der Klägerin erstellte Übersicht über die Vorsteuer aus den an die S-Gruppe erbrachten Leistungen:
|
|
Klägerin |
|
M GmbH/OHG |
|
|
Vorsteuer |
|
Vorsteuer |
|
1997: |
83.103 DM |
|
35.739 DM |
|
1998: |
45.511 DM |
|
45.779 DM |
|
|
128.614 DM |
|
81.518 DM |
Außerdem enthält die Übersicht den Hinweis, dass aus der Pfändung von Forderungen der I gegenüber der S-Gruppe Umsatzsteuer-Zahlungen für I an das FA B in Höhe von 142.758 DM geflossen sind (mit Kontoauszügen betr. die Zahlungen auf Pfändungen). Die Haftungssumme berechnete der Prüfer für 1997 mit 35.739 DM (18.273 EUR) und für 1998 mit 45.779 DM (23.407 EUR; BP-Bericht vom 4. Juli 2001). Der Beklagte folgte dieser Beurteilung und erließ am 29. April 2002 einen entsprechenden Haftungsbescheid für die Umsatzsteuer der Jahre 1997 und 1998.
Mit der Einspruchsentscheidung vom 23. Januar 2003 wurde die Haftungsschuld für Umsatzsteuer 1997 auf 11.999 EUR (23.468 DM) herabgesetzt und für das Jahr 1998 auf 11.564 EUR (22.617 DM). Auch insoweit wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen auf das Urteil in der Sache 10 K 614/03 vom heutigen Tage.
Die Klägerin hält den Haftungsbescheid bereits dem Grunde nach für rechtswidrig, weil der Beklagte örtlich unzuständig und die I im Inland ansässig gewesen sei. Außerdem verstießen die Regelungen des Umsatzsteuer-Abzugsverfahrens gegen das EU-Gemeinschaftsrecht. Wegen der Einzelheiten wird wiederum Bezug genommen auf das Urteil in der Sache 10 K 614/03.
Der Kläger beantragt, den Haftungsbescheid vom 29. April 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. Januar 2003 aufzuheben, hilfsweise die Zulassung der Revision (v.u.g.).
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise die Zulassung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Der Beklagte hat die Klägerin zu Recht in Haftung genommen, weil es sich bei der I um ein im Ausland ansässiges Unternehmen ohne Zweigniederlassung im Inland gehandelt hat. Wegen der Einzelheiten wird wiederum Bezug genommen auf das Urteil in der Sache 10 K 614/03, von dem eine Ablichtung beigefügt ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision war trotz der wirtschaftlichen Bedeutu...