Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostentragung bei Ausschlussfristsetzung
Leitsatz (redaktionell)
1) Ist eine erst nach Ablauf der Ausschlussfrist gem. § 364b AO eingereichte Steuererklärung mangels Verzögerung des Rechtsstreits im Klageverfahren zu berücksichtigen, so besteht auch unter Geltung des § 172 Abs. 1 S. 3 AO eine Abhilfebefugnis der Finanzbehörde.
2) Die durch Ablehnung einer derartigen Abhilfeentscheidung entstehenden zusätzlichen Verfahrenskosten (hier: Urteilsgebühr) können der Finanzbehörde auferlegt werden.
Normenkette
AO § 172 Abs. 1, 1 Sätze 1, 1 Nrn. 2, 2 Buchst. a, S. 3; FGO § 76 Abs. 3, § 79b Abs. 3, § 137 Sätze 1-2; AO § 364b
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Ausschlussfristsetzung gemäß § 364b AO 1977.
Wegen Nichtabgabe der Einkommensteuererklärungen für 1999 und 2000 wurden die Besteuerungsgrundlagen der Kläger mit Bescheiden vom 14. Juni 2002 geschätzt. Die Einkommensteuer wurde dabei – jeweils unter dem Vorbehalt der Nachprüfung – für 1999 auf 18.161 EUR und für 2000 auf 25.809 EUR festgesetzt. Der Aufforderung zur Begründung der Einsprüche vom 15. Juli 2002 innerhalb von vier Wochen kamen die Kläger nicht nach. Mit Bescheiden vom 13. September 2002 hob der Beklagte den Vorbehalt der Nachprüfung für die Streitjahre auf.
Mit Ausschlussfristsetzung gemäß § 364b Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 ebenfalls vom 13. September 2002 wurden die Kläger unter Hinweis auf die Nichtabgabe der Einkommensteuererklärungen und die bis dahin nicht erfolgte Einspruchsbegründung aufgefordert, „bis zum 17. Oktober 2002 die Tatsachen anzugeben, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung Sie sich beschwert fühlen, insbesondere die bei den Schätzungen nicht berücksichtigten steuermindernden Sachverhalte”. Das Schreiben enthielt des Weiteren eine Belehrung über die Folgen des Fristversäumnisses und außerdem einen Hinweis darauf, dass die Kläger der Aufforderung auch durch Einreichung der vollständigen Steuererklärungen entsprechen könnten.
Die Frist bis zum 17. Oktober 2002 verstrich fruchtlos. Am 28. Oktober 2002 erschien die Klägerin persönlich beim Beklagten. Mit einem Fax vom 29. Oktober 2002 beantragten die Kläger auch schriftlich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Die Klägerin sei aufgrund starker gesundheitlicher Probleme nicht in der Lage gewesen, die Frist einzuhalten. Beigefügt war eine Bescheinigung der Heilpraktikerin der Klägerin vom 28. Oktober 2002, ausweislich derer die Klägerin am 18. Oktober zur Behandlung erschienen war. Sie litt danach an Erschöpfung durch einen plötzlich eingetretenen hohen Blutverlust und war nicht in der Lage klar zu denken und zu handeln. Nach einer weiteren Bescheinigung der Yoga-Lehrerin der Klägerin hatte diese wegen Erschöpfungserscheinungen aufgrund hohen Blutverlusts am 15. Oktober und am 22. Oktober 2002 Einzelstunden genommen.
Nachdem der Beklagte den Wiedereinsetzungsantrag der Kläger mit Einspruchsentscheidung vom 30. Oktober 2002 abgelehnt und den Einspruch als unbegründet zurückgewiesen hatte, legte die Klägerin mit Schreiben vom 10. November 2002 eine Bescheinigung ihres Gynäkologen und ihrer Hausärztin vor. Beide hatten die Klägerin am 31. Oktober 2002 untersucht und bescheinigten übereinstimmend, sie hielten die Angabe der Klägerin für glaubhaft, aufgrund ihres schlechten Allgemeinzustandes bei Ablauf der Frist am 17. Oktober 2002 zu differenzierten Arbeiten nicht in der Lage gewesen zu sein. Wegen des Inhalts der Bescheinigungen im Einzelnen wird auf die Akten Bezug genommen. Zu diesem Zeitpunkt waren die Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre allerdings immer noch nicht fertig gestellt. Denn die Klägerin führte in dem Schreiben vom 10. November 2002 des Weiteren aus, die Steuererklärungen müssten nur noch um die Einkünfte und Sonderausgaben des Klägers ergänzt werden und würden anschließend unmittelbar dem Beklagten übersandt.
Die Kläger machen geltend, die Fristsetzung gemäß § 364b AO 1977 sei unwirksam. So könne eine Ausschlussfrist zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung nur auf § 364b Abs. 1 Nr. 3 AO 1977 gestützt werden, nicht aber nur auf die Nr. 1 der Vorschrift. Darüber hinaus sei die Fristsetzung zu unbestimmt und vor allem widersprüchlich gewesen. Außerdem habe der Beklagte sein Ermessen bei der Entscheidung, die Ausschlussfrist zu setzen, fehlerhaft ausgeübt. Vor einer Fristsetzung gemäß § 364b AO 1977 müsse sich die Finanzbehörde stets fragen, ob der Einspruch zu sachfremden Zwecken eingelegt worden sei. Die Ausschlussfristsetzung erfordere daher eine Begründung, die erkennen lasse, in welcher Weise die Finanzbehörde ihr Ermessen ausgeübt habe. Jedenfalls aber hätte Wiedereinsetzung in vorigen Stand gewährt werden müssen. Die Klägerin habe ihren Gesundheitszustand zum Zeitpunkt der Ausschlussfristsetzung unter Vorlage von Bescheinigungen und Attesten ausreichend dargelegt.
Auf die Aufforderung des Gerichts, zu den nachgereichten Steuererklärungen Stellung zu nehmen, erklärte dieser mit Schreiben vom 18....