Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzungsfrist beginnt bei Ablehnung eines Fristverlängerungsantrages grundsätzlich mit Abauf der gesetzten Ausschlussfrist
Leitsatz (redaktionell)
Ist im Rahmen eines Klageverfahrens einem vom Prozessbevollmächtigten gestellten Antrag auf Verlängerung einer Ausschlussfrist nicht stattgegeben worden, beginnt die Frist für einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 56 Abs. 2 S. 1 FGO grundsätzlich mit Ablauf der gesetzten Ausschlussfrist.
Normenkette
FGO § 56 Abs. 2, 2 Sätze 1, 3
Tatbestand
Die Klägerin hat durch ihre Prozeßbevollmächtigte, Steuerberaterin A., Klage erhoben wegen „Einspruchsentscheidung vom 14. März 2000, Einkommensteuerbescheid 1997” und mitgeteilt, daß die Begründung sowie die Prozeßvollmacht nachgereicht werde.
Die auf richterliche Anordnung ergangene Aufforderung der Senatsgeschäftsstelle vom 20. April 2000, die Klagebegründung sowie die Prozeßvollmacht innerhalb von drei Wochen zu übersenden, blieb unbeachtet.
Mit Verfügung vom 26. Mai 2000, zugestellt am 31. Mai 2000, hat der Berichterstatter die Prozeßbevollmächtigte aufgefordert, innerhalb von drei Wochen nach Zustellung der Verfügung gem. § 62 Abs. 3 Satz 3 FGO und § 65 Abs. 2 FGO die Originalvollmacht einzureichen und das Klageziel zu bezeichnen sowie gem. § 79 b FGO die Klage zu begründen. Die Prozeßbevollmächtigte ist darauf hingewiesen worden, daß die gem. § 62 Abs. 3 FGO und § 65 Abs. 2 FGO gesetzte Frist eine Ausschlußfrist darstellt und die Klage bei Fristversäumnis als unzulässig abgewiesen werden müsse, falls nicht eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden könne.
Am 20. Juni 2000 ging um 20.36 Uhr ein FAX-Schreiben der Prozeßbevollmächtigten unter Bezugnahme auf ihr „heutiges” Telefonat mit dem Finanzgericht ein mit dem Antrag auf Verlängerung der gesetzten Frist bis zum 6. Juli 2000. Zur Begründung führte sie aus, daß sie in den letzten 3 ½ Wochen bereits zu zweiten Mal an Bronchitis erkrankt sei und deshalb ihre „Aufgaben” nicht pünktlich erledigen könne.
Nachdem der Vertreter des Berichterstatters die Prozeßbevollmächtigte fernmündlich nicht erreichen konnte (Aktenvermerk auf Bl. 16 R der FG-Akte), teilte er ihr per FAX-Schreiben am 21. Juni 2000 um 11.31 Uhr folgendes mit:
Sehr geehrte Frau A.!
Sie werden gebeten darzulegen, inwieweit die geltend gemachte Erkältung einen Hinderungsgrund für die Vorlage der Prozeßvollmacht darstellt. Weiter werden Sie gebeten, die Erkrankung als Hinderungsgrund durch ärztliche Bescheinigung glaubhaft zu machen. Der Antrag vom 20.06.2000 reicht für eine Fristverlängerung nicht aus, da es sich um grundsätzlich nicht verlängerbare Ausschlußfristen handelt.
Am 6. Juli 2000 ging bei Gericht die unter diesem Datum von der Prozeßbevollmächtigten gefertigte Klagebegründung, worin sie den Ansatz von außergewöhnlichen Belastungen begehrt, sowie die unter dem Datum vom 3. Juli 2000 unterzeichnete Vollmacht – sowohl im Original als auch per FAX – ein nebst folgender Bescheinigung des B., Arzt für Naturheilverfahren, C.-straße .., D., vom 3. Juli 2000:
ARBEITSUNFÄHIGKEITSBESCHEINIGUNG
Patient: A.; geb.: …
Erstbescheinigung/Folgebescheinigung
Der Patient war vom 02.06.2000 bis: 30.06.2000 arbeitsunfähig.
Arbeitsunfähigkeit festgestellt am: 02.06.2000
Das dazugehörende, ebenfalls per FAX übermittelte Anschreiben der Prozeßbevollmächtigten vom 6. Juli 2000 hat folgenden Wortlaut:
Sehr geehrter Herr Richter E.,
bezugnehmend auf Ihr Schreiben vom 21.06.2000 übersende ich Ihnen das ärztliche Attest aus dem hervorgeht, daß ich längere Zeit arbeitsunfähig war. Die andauernden Hustenanfälle mit sehr unangenehmen Begleiterscheinungen sowie die Erschöpfungszuständen haben mich gesundheitlich so stark beeinträchtigt war, daß ich keine Mandantengespräche führen und somit auch keine Prozeßvollmacht einholen konnte.
Ich bitte um Verständnis und nochmals um Ihr Einverständnis zu meinem Fristverlängerungsantrag.
Daraufhin teilte der Berichterstatter der Prozeßbevollmächtigten durch Schreiben vom 11. Juli 2000 mit, daß vorliegend – wenn überhaupt – nur noch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unter den in § 56 FGO normierten Voraussetzungen wegen Versäumung der gesetzten Ausschlußfrist in Betracht komme. Er führte aus, daß nach Auffassung des Senates ihr bisheriges Vorbringen nicht zur Glaubhaftmachung einer unverschuldeten Fristversäumnis ausreiche, da sie offensichtlich trotz der attestierten Arbeitsunfähigkeit in der Lage gewesen sei, praxisbezogene Arbeiten durchzuführen und sowohl die Anforderung und Vorlage einer Prozeßvollmacht als auch eine kurze Klagebegründung nur wenig Arbeitsaufwand erfordere.
In der mündlichen Verhandlung am 20. September 2000 überreicht die Prozeßbevollmächtigte ein von ihr unter dem Datum vom 19. September 2000 gefertigtes Schreiben, worin sie für den Fall, daß keine Fristverlängerung gewährt werde, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begehrt unter Bezugnahme auf eine beigefügte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des B. vom 19....