beA: Screenshot zur Glaubhaftmachung einer beA-Störung

Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, die einen fristgebundenen Schriftsatz wegen einer technischen Störung des beA per Telefax einreichen, können die technische Störung durch einen beigefügten Screenshot glaubhaft machen.

In einer Grundsatzentscheidung hat der Bundesgerichtshof (BGH), der sonst bei der Auslegung der Vorschriften über die elektronische Übermittlung von Dokumenten an die Gerichte eher streng ist, klargestellt, dass die Glaubhaftmachung einer technischen Störung des beA durch Vorlage eines einfachen Screenshots zulässig ist.

Zweimal Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist beantragt

In dem vom BGH entschiedenen Fall stritten die Parteien über die Rechtsfolgen eines vom Kläger erklärten Widerrufs eines Verbraucherdarlehensvertrages. Nach Abweisung der Klage durch das LG hatte der Kläger gegen das klageabweisende Urteil fristgerecht Berufung eingelegt. Die Frist zur Begründung der Berufung wurde auf Antrag des Klägers um einen Monat verlängert. Mit einem zweiten Schriftsatz hatte der Prozessbevollmächtigte des Klägers am Tag des Ablaufs der Berufungsbegründungsfrist eine weitere Fristverlängerung wegen Arbeitsüberlastung im versicherten Einvernehmen der Gegenseite beantragt.

Zweiter Verlängerungsantrag per Telefax wegen technischer Störung des beA

Den zweiten Antrag auf Fristverlängerung hatte der Anwalt am Tag des Ablaufs der erstmalig verlängerten Frist kurz nach 14:00 Uhr per Telefax an das Berufungsgericht gesandt. In einem gleichzeitig übermittelten zweiten Schriftsatz hatte der Klägeranwalt mitgeteilt, dass aufgrund von technischen Störungen derzeit keinerlei Verbindung zu dem beA aufgebaut werden könne. Auf der Website der BRAK werde bestätigt, dass die beA-Webanwendung nicht zur Verfügung stehe und die Störungsbeseitigung so schnell wie möglich erfolgen solle. Seinem Schriftsatz fügte der Anwalt einen Screenshot bei, aus dem die Störung ersichtlich war.

OLG vermisste Glaubhaftmachung der technischen Störung

Der Vorsitzende des für die Entscheidung über die Berufung zuständige OLG wies den Kläger darauf hin, dass das Gericht die Verwerfung der Berufung als unzulässig beabsichtigte, da sie nicht rechtzeitig begründet worden sei. Die am Tage des Fristablaufs per Telefax eingereichten Schriftsätze entsprächen nicht den Anforderungen des § 130d ZPO. Gemäß § 130d Satz 3 ZPO sei eine vorübergehende Unmöglichkeit der Übermittlung eines Schriftsatzes als elektronisches Dokument aus technischen Gründen glaubhaft zu machen. Eine Glaubhaftmachung sei nicht erfolgt, da der Anwalt die Richtigkeit seiner Darlegung der vorübergehenden technischen Störung nicht anwaltlich versichert habe.

Rechtsbeschwerde gegen Verwerfung der Berufung

Gegen die anschließende Verwerfung der Berufung als unzulässig – nach Einreichen der Berufungsbegründungsschrift und eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand – hat der Kläger erfolgreich Rechtsbeschwerde beim BGH eingelegt. Nach der Entscheidung des Senats hat die Vorinstanz den Kläger

  • in seinen Verfahrensgrundrechten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes gemäß Art. 2 Abs. 1 GG G in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip sowie
  • in seinem Recht auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG verletzt.

Das Berufungsgericht habe zu Unrecht nicht geprüft, ob dem Kläger die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu gewähren sei.

Unverschuldete Versäumung der Berufungsbegründungsfrist

Der BGH belehrte das OLG dahingehend, dass der Kläger ohne sein Verschulden und/oder ein Verschulden seines Prozessbevollmächtigten an der Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist verhindert war. Der Kläger habe darauf vertrauen dürfen, dass sein rechtzeitig per Telefax übermittelter Antrag auf nochmalige Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist im Einvernehmen mit der Gegenseite nicht abgelehnt werde.

Rechtsmittelführer dürfen auf übliche Verlängerungen von Rechtsmittelfristen vertrauen

Im Wiedereinsetzungsverfahren kann sich ein Rechtsmittelführer nach der Entscheidung des BGH mit Erfolg auf sein Vertrauen in die Gewährung einer Fristverlängerung berufen, wenn deren Bewilligung mit großer Wahrscheinlichkeit zu erwarten war (BGH, Beschluss v. 9.7.2009, VII ZB 11/08). Die im konkreten Fall beantragte wiederholte Fristverlängerung im Einverständnis mit der Gegenpartei werde von Rechtsmittelgerichten in der Regel gewährt. Darauf habe der Beschwerdeführer vertrauen dürfen. Anders läge der Fall nur, wenn Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass das Gericht die Fristverlängerung ablehnen könnte (BGH Beschluss v. 31.7.2023, VIa ZB 1/23). Dies sei hier aber nicht der Fall gewesen.

Voraussetzungen für eine Ersatzeinreichung per Telefax waren erfüllt

Die Tatsache, dass der zweite Fristverlängerungsantrag nicht formgerecht elektronisch übermittelt worden war, ändert nach der Entscheidung des BGH an diesem Ergebnis nichts. Die Voraussetzungen für eine Ersatzeinreichung per Telefax seien gemäß § 130d Satz 2, 3 ZPO erfüllt gewesen. Das Vorliegen einer technischen Störung des beA am Tag des Fristablaufs sei auf Grundlage der beA-Störungsdokumentation der BRAK nicht zweifelhaft. Der Beschwerdeführer habe die Störung gegenüber dem Berufungsgericht durch die Einreichung eines die Störung ausweisenden Screenshots belegt. Ein solcher Screenshot sei als Augenscheinsobjekt zur Glaubhaftmachung ohne weiteres geeignet.

OLG hat Anforderungen an Glaubhaftmachung überspannt

Nach Auffassung des BGH hatte die Vorinstanz die Anforderungen an die Glaubhaftmachung in unzulässiger Weise überspannt, indem sie zusätzlich noch die formelle Vorlage einer anwaltlichen Versicherung gefordert habe. Deshalb müsse hier nicht die weitere Frage beantwortet werden, ob die geschilderte Störung nicht auch als offenkundig gemäß § 291 ZPO hätte behandelt werden können. Die Störung sei auf der Internetseite der BRAK ausführlich dokumentiert worden und auch für das Berufungsgericht zugänglich gewesen.

Rechtsbeschwerde erfolgreich

Im Ergebnis war die Rechtsbeschwerde des Klägers damit erfolgreich. Der Rechtsstreit geht zurück an das OLG, das nun über die Begründetheit der Berufung in der Sache befinden muss.

(BGH, Beschluss v. 10.10.2023, XI ZB 1/23)


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