Entscheidungsstichwort (Thema)
Nießbrauch an einem Grundstück als Wirtschaftsgut; Abschreibung für ein Wohn- und Bürogebäude
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein an einem Grundstück – hier im Wege des Vermächtnisses – erlangtes Nießbrauchsrecht, das nicht in das Grundbuch eingetragen worden ist, erlischt, wenn der Nießbrauchsberechtigte Eigentum bzw. Miteigentum an dem Grundstück erwirbt.
2. Wenn der ursprünglich Nießbrauchsberechtigte eine Grundstückshälfte käuflich erwirbt, ist auch der Wert des hälftigen Nießbrauchs als Anschaffungskosten zu erfassen, weil der Erwerber ein Wirtschaftsgut mit Geldwert, nämlich sein hälftiges Nießbrauchsrecht, hingibt, um die unbelastete Grundstückshälfte zu erwerben.
3. Bei der Ermittlung des Werts von Nießbrauchsrechten an Grundstücken ist von den Einnahmen aus VuV auszugehen und sodann sind die vom Nießbraucher zu tragenden Aufwendungen, wie etwa Schuldzinsen, in Abzug zu bringen.
4. Ob der AfA eine die gesetzlich vorgesehenen, typisierten Zeiträume unterschreitende verkürzte Nutzungsdauer zu Grunde gelegt werden kann, beurteilt sich nach den Verhältnissen des Einzelfalls.
5. Es ist Sache des Steuerpflichtigen, im Einzelfall eine kürzere tatsächliche Nutzungsdauer darzulegen und nachzuweisen.
6. Die Vorschrift des § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG räumt dem Steuerpflichtigen ein Wahlrecht ein.
Normenkette
BGB § 1072; HGB § 255 Abs. 1 Sätze 1-2; BewG § 14 Abs. 1; EStG § 7 Abs. 1 Sätze 1-2, Abs. 4 Sätze 1-2; EStDV § 11c Abs. 1; BGB § 1063
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die Höhe der Abschreibung für das von der Klägerin vermietete Bürogebäude mit Wohnungen, Lagergebäuden und Hallen in der Z … in … X.
Der Klägerin stand aufgrund eines Vermächtnisses ihres verstorbenen Lebensgefährten Y der Nießbrauch an dem genannten Objekt zu. Ausweislich des Erbvertrags vom …2005 (Notar Q, UR-Nr. 1…/2005) und des Erbauseinandersetzungsvertrags vom ….2007 (Notar P, UR-Nr. 2…/2007) hatte sie für das Objekt die Kosten, Lasten und insbesondere die Kreditverbindlichkeiten zu tragen. Eigentümer des Objekts waren nach dem Tod des Herrn Y dessen Söhne, Y1 und Y2, jeweils zur Hälfte. Der Nießbrauch wurde entsprechend des Willens sämtlicher Vertragsparteien nicht in das Grundbuch eingetragen.
Mit Kaufvertrag vom …2013 erwarb die Klägerin von Y1 zu einem Kaufpreis von … € und Anschaffungsnebenkosten von … € dessen hälftiges Eigentum.
Im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung 2014 machte die Klägerin bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung für das Objekt eine Absetzung für Abnutzung in Höhe von … € geltend. Diese hatte Sie berechnet, indem sie die Gesamtanschaffungskosten für den hälftigen Anteil i.H.v. … € zu 75 % dem Gebäude zurechnete, mithin zu … €, und diesen Betrag gemäß § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG auf eine Nutzungsdauer von 6 Jahren verteilte. Die Nutzungsdauer hatte die Klägerin ermittelt, indem sie von der typisierten Nutzungsdauer des Objekts von 50 Jahren das Alter im Erwerbszeitpunkt von 44 Jahren subtrahierte.
Der Beklagte setzte die Einkommensteuer 2014 der Klägerin zunächst mit Bescheid vom 24.06.2016 unter Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 AO erklärungsgemäß fest. Im sich anschließenden Schriftverkehr kündigte er eine Änderung des Bescheids unter Annahme einer Nutzungsdauer für das Objekt von 50 Jahren an. Daraufhin beantragte die Klägerin unter Vorlage einer Ertragswert-Kurzberechnung der Handwerkskammer zu X vom 09.08.2010 für das Objekt (FG-Akte Bl. 183 ff) eine Abschreibung auf 15 Jahre.
Mit Datum vom 27.10.2016 änderte der Beklagte die Einkommensteuerfestsetzung der Klägerin gemäß § 164 Abs. 2 AO und berücksichtigte nunmehr neben diversen anderen unstreitigen Änderungen für das Objekt eine Abschreibung gemäß § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a EStG i.H.v. … €, nämlich … € × 2 %.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Einspruch ein. Im Einspruchsverfahren reichte sie ein Kurzgutachten des T vom 21.12.2016 ein (FG-Akte Bl.15), ausweislich dessen sich das Objekt in einem schlechten Zustand befinde und die Restnutzungsdauer für das Wohn- und Bürogebäude 34 Jahre und für die Halle 4 Jahre betrage. Der Beklagte erließ wegen anderer Streitpunkte am 12.12.2016 einen Teilabhilfebescheid und wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 02.05.2017 im Übrigen als unbegründet zurück.
Daraufhin erhob die Klägerin die vorliegende Klage, mit welcher sie weiterhin begehrt, die Absetzung für Abnutzung für das Objekt unter Berücksichtigung einer tatsächlichen – 50 Jahre unterschreitenden – Nutzungsdauer zu ermitteln. Zur Begründung legte sie eine ergänzende Stellungnahme des T vor (FG-Akte Bl. 36), in welcher dieser die Ermittlung der Restnutzungsdauer in seinem Gutachten erläutert, dringende Sanierungsarbeiten in einer Größenordnung von über … € aufzeigt und aus technischer und wirtschaftlicher Sicht einen Abriss der Hallen empfiehlt.
Das Gericht hat zu der Frage der Restnutzungsdauer des Objekts in seiner Gesamtheit ein Sachverständigengutachten durch S aus R ei...