Entscheidungsstichwort (Thema)
Rangverhältnis von § 50d EStG zu speziellen DBA-Mißbrauchsvorschriften
Leitsatz (redaktionell)
Die spezielle abkommensrechtliche Mißbrauchsregelung des Art. 23 DBA-Schweiz in der Fassung des Änderungsprotokolls vom 21.12.1992 hat Vorrang vor den nationalen Vorschriften des § 50d Abs. 1a EStG 1990/1994 bzw. § 50d Abs. 3 EStG. Die Anwendung der genannten Vorschriften ist auf diejenigen Doppelbesteuerungsabkommen beschränkt, die keine eigenständige Mißbrauchsregelung enthalten.
Normenkette
EStG § 50d Abs 1; EStG § 50d Abs 3; DBA Schweiz Art 10 Abs. 2 Buchst b; DBA Schweiz Art 10 Abs 3; DBA Schweiz Art 23; EStG § 43d
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin ist eine im … 2000 durch die … Trust Reg., einen 1949 errichteten liechtensteinischen Trust, gegründete und im Kanton … (Schweiz) ansässige Aktiengesellschaft schweizerischen Rechts. Sie domiziliert in Räumlichkeiten der … Treuhand AG und hat zwei Verwaltungsräte, welche parallel für 31 bzw. 15 weitere Gesellschaften tätig sind.
Die Klägerin erwarb am … 2000 zunächst ca. 44,4 vH der Stammaktien der in Deutschland ansässigen … AG (im Folgenden: X&Y AG). Am … 2000 verfügte sie schließlich über 73,8 vH der Stammaktien an der vorgenannten Gesellschaft. Die X&Y AG schüttete am … 2001 für das Geschäftsjahr 2000 eine Dividende in Höhe von anteilig brutto EUR … und am … 2002 eine solche für das Geschäftsjahr 2001 in Höhe von anteilig brutto EUR … aus. Dabei behielt sie jeweils Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag ein. Mit Anträgen vom … 2001 und … 2002 beantragte die Klägerin beim Beklagten jeweils die (anteilige) Erstattung der einbehaltenen Kapitalertragsteuer und des Solidaritätszuschlages nach § 50d Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und berief sich dabei hinsichtlich eines Erstattungsbetrages in Höhe von EUR …,67 für das Jahr 2001 auf Art. 10 Abs. 2 Buchst. b) des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 11. August 1971 (BGBl II 1972, 1022 – im Folgenden: DBA-Schweiz–) in der Fassung des Änderungsprotokolls vom 21. Dezember 1992, BGBl. II 1993, 1888 bzw. hinsichtlich eines Erstattungsbetrages in Höhe von EUR …,75 für das Jahr 2002 auf Art. 10 Abs. 3 DBA Schweiz in der Fassung des Revisionsprotokolls vom 12. März 2002, BGBl II 2003, 68.
Der Beklagte bat daraufhin zunächst mit Schreiben vom 8. August 2002 um die Darlegung der Voraussetzungen des § 50d Abs. 1a EStG 1990/1994 (für das Jahr 2001) bzw. § 50d Abs. 3 EStG (in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 2001 vom 20. Dezember 2001, BGBl I 2001, 3794 für das Jahr 2002) und stellte der Klägerin dazu in einem dem vorgenannten Schreiben beigefügten Fragebogen eine Vielzahl an Einzelfragen. Die Klägerin gab daraufhin am 29. Oktober 2002 an, sie sei am 2. Oktober 2000 mit dem Ziel gegründet worden, eine Vielzahl an Minderheitsbeteiligungen an der X&Y AG zu bündeln, um so Einfluss auf deren Geschäftsleitung nehmen zu können. Dies sei in der Folge auch auf informeller Basis gegenüber einzelnen Mitgliedern des Vorstands bzw. des Aufsichtsrates der X&Y AG geschehen. Auch sei es darum gegangen, die X&Y AG mit Blick auf einen späteren Verkauf gezielt neu auszurichten und einem potentiellen Käufer eine Mehrheitsbeteiligung anbieten zu können. Diese Aktivitäten hätten aber mit Blick auf die schwierige Wirtschaftslage noch nicht richtig entfaltet werden können. Immerhin könne aber ein zukünftiger Übernehmer mit einer Beteiligung von ca. 40 vH am Kapital und gleichzeitiger Stimmenmehrheit die Zukunft der X&Y AG bestimmen. Durch die Konzentration der Beteiligungsverhältnisse habe die Handlungs- und Überlebensfähigkeit der vorgenannten Gesellschaft erst sichergestellt werden können. Die Zwischenschaltung ihrer Person, also der Klägerin, habe folglich aus wirtschaftlichen Gründen, nämlich aus Gründen der Beteiligungskonzentration und der Effizienzsteigerung mit Blick auf einen späteren Verkauf, stattgefunden. Sie sei folglich auch nicht nur steuerlich motiviert, zumal die Schweiz als neutraler Standort gewählt worden sei, um die späteren Verkaufschancen zu erhöhen. Auch habe eine Rolle gespielt, dass es sich bei den seinerzeitigen Aktionären um solche gehandelt habe, welche außerhalb Deutschlands ansässig gewesen seien. Letztlich handele es sich bei ihr, der Klägerin, um eine reine Holdinggesellschaft, welche Einfluss auf die Geschäftsleitung ihrer Beteiligung nehme und sich um deren Finanzierung sowie die Erledigung sonstiger laufender Verwaltungsaufgaben kümmere.
Mit Schreiben vom 6. November 2002 bat der Beklagte um entsprechende Nachweise zum vorgenannten Vortrag. Die Klägerin versicherte daraufhin mit Schreiben vom 9. Dezember 2002, sie nehme ihre Kontroll- und Weisungsaufgaben gegenüber der X&Y AG durch laufenden persönlichen und telefonischen Kontakt gegenüber Mitgliedern des Vorstands bz...