Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerliche Abziehbarkeit von Mitgliedsbeiträgen an einen ausbildenden Musikverein
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Ausnahmeregelung in § 10b Abs. 1 Satz 8 EStG, wonach Mitgliedsbeiträge an Körperschaften, die kulturelle Betätigungen fördern, die in erster Linie der Freizeitgestaltung dienen, nicht als Sonderausgaben abziehbar sind, greift nicht ein, wenn mit der Betätigung der Körperschaft verschiedene (nicht untergeordnete) Zwecke verfolgt werden, und einer dieser – nicht untergeordneten – Zwecke nicht der Freizeitgestaltung dient.
2. Mit der Neuregelung des § 10b Abs. 1 Satz 8 EStG durch das Gesetz zur weiteren Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements vom 10.10.2007 sollte eine Verbesserung der Abzugsfähigkeit der Mitgliedsbeiträge einhergehen, wenn sich die Gesamtbetätigung der Körperschaft nicht also solche darstellt, die typischerweise der eigenen kulturellen Betätigungen der Mitglieder dient – wie dies etwa bei den „klassischen” Laientheatern, Laienchören oder Laienorchestern der Fall ist – sondern darüber hinausgeht, indem weitere – nicht untergeordnete – Zwecke verfolgt werden, die erkennbar nicht der Freizeitgestaltung der Mitglieder dienen.
Normenkette
AO § 52 Abs. 2 Nr. 7; EStG § 10b Abs. 1, 1 S. 8 Nr. 2; EStDV § 50 Abs. 1, § 48; AO § 52 Abs. 2 Nr. 5
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Berechtigung des Klägers, auch für Mitgliedsbeiträge Zuwendungsbestätigungen nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck (50 Abs. 1 EStDV) erteilen zu dürfen.
Der Kläger ist ein anerkannter gemeinnütziger e. V., dessen Satzungszweck die Förderung der Volksbildung, der Erziehung und Ausbildung sowie der Kunst im Bereich der Bläsermusik ist (§ 2 Abs. 2 der Satzung). Es handelt sich um Zwecke nach § 52 Abs. 2 Nr. 5 AO (Förderung von Kunst und Kultur) und § 52 Abs. 2 Nr. 7 AO (Förderung der Erziehung, Volks- und Berufsbildung einschließlich der Studentenhilfe). Der Satzungszweck wird nach § 2 Abs. 3 der Satzung insbesondere verwirklicht durch
- die Unterhaltung und den Betrieb eines sinfonischen Blasorchesters,
- die Förderung der musikalischen Bildung und Ausbildung von Jugendlichen und Erwachsenen in praktischer und theoretischer Hinsicht,
- Aufführung von und Mitwirkung an Konzerten, Platzmusiken, kulturellen und kirchenmusikalischen Veranstaltungen, Musikfesten und -Wettbewerben.
Der Kläger hatte in der Vergangenheit zwischen … und … Mitglieder. Der Jahresbeitrag für erwachsene, nicht in Ausbildung befindliche Mitglieder beträgt 36 €. Manche Mitglieder zahlen freiwillig einen höheren Beitrag. Das Beitragsaufkommen betrug laut Anlage 17 zum Schreiben des Klägers vom 3.6.2020 im Jahr 2017 1.164 €, im Jahr 2018 1.466 € und im Jahr 2019 1.576 €. Bei den Vereinsmitgliedern handelt es sich überwiegend um Laien, daneben um Musikstudenten und vereinzelt um Berufsmusiker. Zudem gibt es Fördermitglieder, die nicht aktiv am Musikbetrieb teilnehmen. Die Mitglieder des Vereins wirken überwiegend im sinfonischen Blasorchester mit, welches nach § 13 Abs. 1 der Satzung als „… Q” auftritt, wenngleich der im Jahre 19… gebildete Vereinsname „…” Q bis heute beibehalten wurde. Der Kläger bildet auch Musiker im Bereich der Bläsermusik und des Dirigats in Praxis und Theorie aus. Dabei wird die Ausbildung sowohl in gesonderten Veranstaltungen (vgl. unter a) als auch integriert in dem Orchesterbetrieb (vgl. unter b) durchgeführt.
a)
Seit Jahren führt der Kläger einen vom Kreis M im Rahmen der Kulturförderung geförderten Workshop in R als Maßnahmen der Jugendbildung für mehr als … Teilnehmer durch (Förderbescheid vom 23.5.2018, Bl. 84 der Gerichtsakte). Bei den Teilnehmern handelt es sich überwiegend um jugendliche Instrumentalschüler, die dem Kläger nicht als Mitglieder angehören. Soweit Vereinsmitglieder teilnehmen, üben sie zugleich unterrichtende und/oder organisatorische Tätigkeiten aus. Regelmäßig entsendet der Kläger Mitglieder zu Fortbildungslehrgängen der musikalischen Theorie und Praxis mit dem Ziel, dass diese im Verein notwendige Aufgaben der Unterrichtung und Fortbildung im Rahmen des Orchesters übernehmen, etwa durch Stimmführerschaft und Satzproben. Zudem unterhält der Kläger seit Mai 20… in Kooperation mit einer Schule in Q eine eigene kleine Musikschule für Blasinstrumente (Bläserklasse), in der Vereinsmitglieder und ein externer Musikstudent Instrumentalunterricht erteilen und in der die Schüler zugleich in das Ensemblespiel eingeführt werden, wobei die Vorbereitungstätigkeiten hierzu bereits Mitte 20… anliefen.
b) Der Kläger fördert auch die Ausbildung von Musikstudenten oder Schülern, die ein Musikstudium erwägen oder bereits Jungstudenten sind, im Rahmen des theoretischen und praktischen Orchesterbetriebs. Auf dieser Grundlage sind aus dem Kläger auch einige Berufsmusiker hervorgegangen. Das Ausbildungsangebot betrifft sowohl Mitglieder als auch Nichtmitglieder. Obgleich der Kläger immer eigene Stammdirigenten hatte, wurde die Möglichk...