Zum Abzug von Mitgliedsbeiträgen an Vereine
Hintergrund: Mitgliedsbeiträge an einen Musikverein
Der als gemeinnützig anerkannte Verein V unterhält ein Blasorchester. Im Freistellungsbescheid zur KSt und GewSt für 2014 bis 2017 wies das FA darauf hin, V sei nicht berechtigt, für Mitgliedsbeiträge Zuwendungsbestätigungen auszustellen, weil (auch) Zwecke im Sinne des § 10b Abs. 1 Satz 8 Nr. 2 EStG (kulturelle Freizeitgestaltung) gefördert würden.
V wandte ein, Gesichtspunkte der Freizeitgestaltung ständen nicht im Vordergrund. Zahlreiche Betätigungen hätten ausschließlich bildenden Charakter.
Das FG gab der Klage statt. Es vertrat die Auffassung, das Abzugsverbot für Mitgliedsbeiträge nach § 10b Abs. 1 Satz 8 Nr. 2 EStG greife nicht ein, wenn der Verein unterschiedliche Zwecke verfolge und einer der (nicht untergeordneten) Zwecke nicht der Freizeitgestaltung diene.
Entscheidung: Schädliche Förderung der Freizeitgestaltung
Der BFH widerspricht dem FG und wies die Klage ab. Mitgliedsbeiträge sind bereits dann nicht abziehbar, wenn die Körperschaft auch kulturelle Betätigungen fördert, die in erster Linie der Freizeitgestaltung dienen. Dies folgt aus dem klaren Gesetzeswortlaut, der Entstehungsgeschichte und dem Zweck der Vorschrift.
Wörtliche Auslegung
Der Wortlaut des § 10b Abs. 1 Satz 8 Nr. 2 EStG ist eindeutig in dem Sinne, dass Mitgliedsbeiträge an Körperschaften, die kulturelle Betätigungen fördern, die in erster Linie der Freizeitgestaltung dienen, nicht abziehbar sind. Es kommt nicht darauf an, ob die Körperschaft neben den kulturellen Betätigungen auch andere Zwecke fördert. Denn die Versagung des Abzugs ist bereits erfüllt ist, wenn überhaupt derartige kulturelle Betätigungen gefördert werden. Eine Abwägung der Bedeutung gegenüber den weiteren Zwecken, die die Körperschaft neben den kulturellen Freizeitbetätigungen verfolgt, lässt sich dem Wortlaut nicht entnehmen.
Entstehungsgeschichte
Nach der Begründung des Gesetzentwurfs zum GSbE (Gesetz zur weiteren Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements v. 10.10.2007, BGBl I 2007, 2332) sollte der Sonderausgabenabzug für Mitgliedsbeiträge an Vereine zur Förderung kultureller Einrichtungen verbessert werden (BT-Drs. 16/5200, 12). Diese Formulierung bezieht sich jedoch nicht auf jede Körperschaft, die auch die Kultur fördert, sondern nur auf die (heute durch § 10b Abs. 1 Satz 7 EStG begünstigten) "passiven" Kulturfördervereine. Mitgliedsbeiträge an Körperschaften, die "aktiv" eigene kulturelle Betätigungen der Mitglieder (z.B. im Laienorchester) fördern ("aktive" Kulturvereine), sollten damit weiterhin vom Abzug ausgeschlossen sein.
Gesetzeszweck
Auch der Normzweck ergibt die aus dem Gesetzeswortlaut und der Entstehungsgeschichte folgende Auslegung, dass die Nichtabziehbarkeit von Mitgliedsbeiträgen nach § 10b Abs. 1 Satz 8 Nr. 2 EStG bereits dann eintritt, wenn die Körperschaft neben einem der dort genannten Zwecke auch noch einen anderen Zweck verfolgt. Denn andernfalls könnten Mitgliedsbeiträge, die der Finanzierung eigener Freizeitaktivitäten dienen, allein deshalb abgezogen werden, weil die Körperschaft neben dem Freizeitzweck noch einen anderen Zweck verfolgt. Dies stände dem erkennbaren Bestreben des Gesetzgebers, die Finanzierung eigener Freizeitaktivitäten von der steuerlichen Begünstigung auszuschließen, gerade entgegen.
Kein Gleichheitsverstoß
Im Streitfall sind die Grenzen zulässiger Typisierung gewahrt. Es ist nicht sachwidrig, dass der Gesetzgeber davon ausgeht, durch die aktive Mitwirkung in Laienorchestern usw. werde auch ein Freizeitbedürfnis des Mitglieds verfolgt, so dass gezahlte Mitgliedsbeiträge bei typisierender Betrachtung auch der Finanzierung eigener Freizeitaktivitäten dienten. Umgekehrt ist es noch vertretbar, in den Fällen des § 10b Abs. 1 Satz 7 EStG einen Abzug von Mitgliedsbeiträgen zuzulassen, wenn zwar ein kultureller Zweck gefördert wird, aber eben keine selbst ausgeübte laienkulturelle Freizeittätigkeit. Es kann dahinstehen, ob die vorgenommene Differenzierung zwingend ist. Sie stellt sich jedenfalls nicht als evident sachwidrig dar.
Hinweis: Zulässige Feststellungsklage
Die Klage des V richtete sich gegen den Hinweis des FA in dem Freistellungsbescheid, dass V nach § 10b Abs. 1 Satz 8 EStG nicht berechtigt sei, Zuwendungsbescheinigungen für Mitgliedsbeiträge auszustellen. Damit ist eine Frage streitig, die ein Rechtsverhältnis i.S.v. § 41 Abs. 1 FGO darstellt. Das für eine Feststellungsklage erforderliche berechtigte Interesse an der baldigen Feststellung des Rechtsverhältnisses ergibt sich daraus, dass V nach § 10b Abs. 4 Sätze 2 und 3 EStG für zumindest grob fahrlässig ausgestellte unrichtige Zuwendungsbestätigungen haftet. Darüber hinaus begründet auch die Möglichkeit, mit der Abziehbarkeit von Mitgliedsbeiträgen werben, ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung (BFH v. 23.9.1999, XI r 96/98, BStBl II 2000, 533).
Gestaltungsmissbrauch
V hatte auf das Beispiel hingewiesen, dass ein bisher einheitlicher Verein in zwei Vereine aufgespalten wird, der aktive Kulturverein fortan auf die Erhebung von Mitgliedsbeiträgen verzichtet, die aktiv im Bereich der Freizeitmusik tätigen Mitglieder zugleich Mitglieder des Fördervereins werden und dort ihre bisherigen Mitgliedsbeiträge leisten, die der Förderverein verabredungsgemäß dem aktiv tätigen Kulturverein zur Verfügung stellt. Der BFH hat zu dieser Gestaltung keine Stellung genommen. Er weist jedoch darauf hin, dass hier ein Gestaltungsmissbrauch (§ 42 AO) naheliegen könnte.
BFH Urteil vom 28.09.2022 - X R 7/21 (veröffentlicht am 22.12.2022)
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