Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerbefreiung von Narkoseleistung i.Z.m. nicht medizinisch indizierten kosmetischen Operationen
Leitsatz (redaktionell)
Ob es sich bei einer Anästhesieleistung um eine steuerbefreite Heilbehandlung handelt, kann nur unter Würdigung des Eingriffs beurteilt werden, dem die Anästhesie dient. Ist der durch die Narkose ermöglichte Eingriff - wie bei einer medizinisch nicht indizierten kosmetischen Operation - nicht als Heilbehandlung zu qualifizieren, gilt dies auch für die Narkoseleistung.
Normenkette
UStG § 4 Nr. 14
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob Narkoseleistungen im Zusammenhang mit medizinisch nicht indizierten kosmetischen Operationen nach § 4 Nr. 14 UStG umsatzsteuerbefreit sind.
Die Klägerin ist Gesamtrechtsnachfolgerin der W (nachfolgend W GbR). Gesellschaftszweck der W GbR war die anästhesiologische Versorgung operativ tätiger Ärzte verschiedener Fachrichtungen während der Durchführung von Operationen.
Im Zuge einer die Vorjahre betreffenden Betriebsprüfung war der Beklagte zu der Rechtsauffassung gelangt, dass ein Teil der Umsätze der W GbR – nämlich Anästhesieleistungen im Zusammenhang mit Schönheitsoperationen – nicht als Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin i.S.d. § 4 Nr. 14 UStG i.V.m. Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG (jetzt Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwSt-SystRL) zu qualifizieren und somit umsatzsteuerpflichtig sei.
In der für das Streitjahr 2007 eingereichten Umsatzsteuererklärung bezifferte die W GbR die entsprechenden Erlöse auf 207.112,– EUR und ordnete sie (vorsorglich) den umsatzsteuerpflichtigen Leistungen zu. Zugleich kündigte sie einen diesbezüglichen Rechtsbehelf an.
Gegen den auf der Grundlage der Steuererklärung ergangenen Umsatzsteuerbescheid 2007 legte die W GbR wie angekündigt Einspruch ein und machte geltend, Narkoseleistungen seien unabhängig davon, bei welcher Operation sie erbracht würden, nach § 4 Nr. 14 UStG steuerbefreit. Es müsse unterschieden werden zwischen den Leistungen des Schönheitschirurgen, die mangels medizinischer Indikation nicht unter die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 14 UStG fielen und den von der W GbR abgerechneten Narkoseleistungen. Letztere seien Gegenstand eines gesonderten Vertrages und bildeten keinen einheitlichen Leistungsgegenstand mit den Schönheitsoperationen. Die Aufgabe eines Anästhesisten bestehe vornehmlich darin, einen Zustand der Empfindungslosigkeit herzustellen und die Kontrolle aller lebenswichtigen Funktionen während der Operation aufrechtzuerhalten. Nachdem sich die Patienten zur Durchführung einer medizinisch nicht indizierten Schönheitsoperation entschieden hätten, dienten ihre Anästhesieleistungen letztlich dem Schutz der Gesundheit des Patienten und dem therapeutischen Ziel der Lebenserhaltung.
Am 09.06.2009 reichte die W GbR eine korrigierte Umsatzsteuererklärung ein, in der die steuerpflichtigen Umsätze auf (netto) 226.604,– EUR beziffert wurden. Die entsprechende Steuerfestsetzung wurde Gegenstand des Rechtsbehelfsverfahrens.
Mit Einspruchsentscheidung vom 16.04.2010 – gerichtet an die Klägerin als Gesamtrechtsnachfolgerin der W GbR – wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Ärztliche Leistungen seien nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nur dann steuerfrei, wenn sie der Betreuung von Personen durch das Diagnostizieren und Behandeln von Krankheiten oder anderen Gesundheitsstörungen dienten. Es komme danach maßgebend darauf an, ob die ärztliche Maßnahme therapeutisch bedingt sei. Auf ästhetisch plastische Leistungen treffe dies regelmäßig nicht zu. Die medizinische Begleitung einer Schönheitsoperation durch einen Anästhesisten könne nicht anders beurteilt werden als die Schönheitsoperation selbst. Es handele sich um eine einheitliche Leistung, die umsatzsteuerlich auch einheitlich zu würdigen sei.
Mit der hiergegen erhobenen Klage wendet sich die Klägerin gegen die Behandlung der Anästhesieleistungen als umsatzsteuerpflichtig. Es sei verfehlt, von einer einheitlichen Leistung der Schönheitschirurgen und Narkoseärzte auszugehen, da es sich um verschiedene Unternehmer handele. Die Übertragung des Grundsatzes der Einheitlichkeit der Leistung auf Leistungen verschiedener Steuerpflichtiger sei auch dann nicht zulässig, wenn die Leistungen aufeinander abgestimmt seien. Die Anästhesieleistungen stünden zwar im sachlichen Zusammenhang mit einer Schönheitsoperation. Maßnahmen eines Anästhesisten hätten aber unabhängig von dem Grund der Operation immer das therapeutische Ziel der Erhaltung der Vitalfunktionen des Patienten. Die Tatsache, dass die Krankenkassen und Sozialversicherungsträger keine entsprechenden Kosten übernehmen würden, reiche für die Versagung der Steuerbefreiung nicht aus.
Die Klägerin beantragt,
den Umsatzsteuerbescheid 2007 vom 24.08.2008 und die Umsatzsteuerfestsetzung vom 09.06.2009 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
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