Entscheidungsstichwort (Thema)
Vollverzinsung: Zinssatz von 6% p.a. bis September 2014 verfassungsgemäß
Leitsatz (redaktionell)
Der Zinssatz von 6% p.a. (0,5 % p.m.) gemäß § 238 Abs. 1 AO ist jedenfalls für Zinszeiträume bis September 2014 verfassungsgemäß.
Normenkette
AO §§ 238, 233a
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Festsetzung von Nachzahlungszinsen nach § 233a AO, insbesondere der Verfassungsgemäßheit des dabei angewendeten Zinssatzes.
Der Kläger erzielte in den Jahren 2000, 2004, 2005 und 2008 – unter anderem – gewerbliche Einkünfte als Gesellschafter mehrerer Kommanditgesellschaften, die jeweils einheitlich und gesondert festgestellt wurden, sowie Einkünfte aus selbständiger Arbeit als Einzelunternehmer, die gesondert festgestellt wurden.
Aufgrund von Mitteilungen der jeweiligen Betriebsstätten-Finanzämter erließ der Beklagte entsprechende Änderungsbescheide „über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer”. Unter der Überschrift „Festsetzung” ist jeweils vermerkt:
„Der Bescheid ist nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO geändert.” Die Bescheide datieren für die Jahre 2000, 2004 und 2005 vom 24.9.2014; der Bescheid für 2008 datiert vom 19.9.2014. Jeweils in demselben Bescheid setzte der Beklagte im Verfügungsteil zugleich auch Zinsen zur Einkommensteuer 2000, 2004,2005 und 2008 fest. In dem jeweiligen Erläuterungstext der Bescheide führte er aus, die Zinsen würden gemäß § 233 a AO festgesetzt.
Die Zinsfestsetzungen lauten
für 2000 bei einem Zinslauf vom 1.4.2002 bis 29.9.2014 auf 569 € (= 1.112,87 DM),
für 2004 bei einem Zinslauf vom 1.4.2006 bis 29.9.2014 auf 347 €,
für 2005 bei einem Zinslauf vom 1.4.2007 bis 29.9.2014 auf 413 €,
für 2008 bei einem Zinslauf vom 1.4.2010 bis 22.9.2014 auf 2.972 €.
Für die genaue Berechnung wird auf die angefochtenen Bescheide Bezug genommen (Gerichtsakte, Bl. 15 bis 22).
Der Kläger legte am 7.10.2014 beim Beklagten „gegen die o. g. Einkommensteuerbescheide bzgl. der Festsetzung von Nachzahlungszinsen nach § 233a AO… wegen der Höhe des dabei zu Grunde gelegten Zinssatzes von 0,5 % monatlich” Einsprüche ein. Er verwies dazu auf das Revisionsverfahren IX R 31/13. Der Beklagte fasste diese Einsprüche als gegen die Zinsbescheide gerichtet auf. Nach Ergehen des BFH-Urteils im o. g. Revisionsverfahren wies der Beklagte die Einsprüche des Klägers mit Einspruchsentscheidung vom 18.11.2014 unter Hinweis auf die Begründung des BFH als unbegründet zurück.
Daraufhin hat der Kläger am 19.12.2014 die vorliegende Klage erhoben, mit der er sich zunächst gegen die oben genannten Zinsbescheide insgesamt gewandt hat, insoweit dort ein Zinssatz von 0,5% pro Monat zugrunde gelegt worden ist.
Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus: Es bestünden verfassungsrechtliche Bedenken gegen den Zinssatz von 0,5 % pro Monat zumindest insoweit, als der Zeitraum nach dem 21. März 2011 betroffen sei. Der BFH führe in diesem Urteil aus, dass sich erst nach dem dort streitgegenständlichen Verzinsungszeitraum das Marktniveau dauerhaft auf relativ niedrigem Niveau stabilisiert habe. Dann könne – so der BFH – der Gesetzgeber allerdings von Verfassung wegen gehalten sein zu überprüfen, ob die ursprüngliche Entscheidung auch unter den veränderten Umständen aufrechtzuerhalten sei. Im vorliegenden Klageverfahren seien Verzinsungszeiträume bis zum 29.9.2014 maßgeblich. Nach den Ausführungen des IX. BFH-Senats im o. g. Urteil seien hier in jedem Fall Zeiträume betroffen, in denen demnach von einer Verfassungswidrigkeit ausgegangen werden könne.
Es entspreche ständiger Rechtsprechung des BFH, dass die Zinsfestsetzung den Zinsnachteil des Steuergläubigers und Zinsvorteil des Steuerpflichtigen ausgleichen solle. Dazu müsse zumindest die Möglichkeit bestehen, die zu zahlenden Zinsen durch Anlage der nicht gezahlten Steuerbeträge auszugleichen. Realistisch bestehe diese Chance wegen der anhaltenden Niedrigzinsphase nicht. Zusätzlich werde eine Kompensation der steuerlich nicht abziehbaren Zinsen im Hinblick auf die Versteuerung der aus der Anlage der (noch) nicht gezahlten Steuerbeträge erzielten Erträge mit der Abgeltungssteuer erschwert. Es müssten mehr als 8 % Zinsen p.a. erzielt werden, um die Belastung mit 6 % zu kompensieren. Es sei sicherlich grotesk, den Steuerpflichtigen auf die Möglichkeit spekulativer Anlagen zu verweisen, mit denen sich höhere Renditen erzielen ließen. Der Hinweis im o. g. BFH-Urteil, das die Effektivzinssätze für Konsumentenkredite an private Haushalte nicht wesentlich unter dem hier streitbefangenen Zinssatz lägen, könne kaum ernsthaft als Rechtfertigung für die Zinshöhe herangezogen werden, da hier eine theoretisch mögliche Umschichtung realitätsfremd sei. Diese Ausführungen könnten nur im Zusammenhang damit gesehen werden, dass der IX. BFH-Senat (noch) nicht gewillt gewesen sei, die Frage der Zinssatzhöhe dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorzulegen.
In der Festsetzung von Nachzahlungszinsen auf der Basis des Zinssatzes von 6 % sei ein Verstoß gegen...