Entscheidungsstichwort (Thema)
Frage der Steuerbefreiung von Supervisionsleistungen in der Erwachsenenfortbildung
Leitsatz (redaktionell)
1. Supervisionsleistungen in der Arbeitnehmerfortbildung können nicht als Schul- bzw. Hochschulunterricht i.S.d. Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der RL 77/388 /EWG qualifiziert werden, denn öffentliche Institutionen und Träger der freien Wohlfahrtspflege sind keine Schulen im Sinne der Vorschrift. Ebenso wenig handelt es sich bei den Fortbildungsmaßnahmen um einen Unterricht, der in einen Lehr- oder Stundenplan eingebettet ist, was jedoch erforderlich wäre.
2. Eine Steuerbefreiung durch erweiternde Auslegung von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der RL 77/388/EWG scheidet ebenfalls aus, da der Wortlaut der Bestimmung vielmehr eng auszulegen ist und sich nur auf Tätigkeiten bezieht, die in der Vorschrift einzeln aufgeführt sind.
3. Supervision ist keine Heilbehandlung i.S.d. § 4 Nr. 14 UStG
Normenkette
Richtlinie 77/388/EWG Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j, i; UStG § 4 Nr. 14
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob von der Klägerin erbrachte Supervisionsleistungen der Umsatzsteuer zu unterwerfen sind.
Die Klägerin ist Diplom-Soziologin und betrieb in den Streitjahren 2002 und 2003 ein Unternehmen als Supervisorin.
Die Bezirksregierung A erteilte ihr unter dem Datum des 31.1.2002 „auf Widerruf” eine „Bescheinigung nach § 4 Nr. 21 a), bb) Umsatzsteuergesetz” (Bl. 26f der FG-Akte15), in
der es heißt,
…„dass folgende berufliche Bildungsmaßnahme/n im Sinne des § 4 Nr. 21 a), bb) Umsatzsteuergesetz ordnungsgemäß durchgeführt wird/werden:
- Supervision (Einzel und Team)
- Coaching (Einzel und Team)
- Teamentwicklung (Einzel und Team)
- Gestaltberatung (Einzel)
- Gestalt-Kreativseminare.”
Die Klägerin erklärte in den Streitjahren die Umsätze aus Supervisionsleistungen als steuerfrei. Der Beklagte folgte insoweit zunächst den Steuererklärungen.
Nachdem der BFH mit Urteil vom 30.6.2005 V R 1/02 entschieden hatte, dass Supervision keine nach § 4 Nr. 14 des Umsatzsteuergesetzes – UStG – wegen Heilbehandlung umsatzsteuerfreie Leistung sei, ordnete der Beklagte bei der Klägerin im Rahmen einer Schwerpunktprüfung eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung an, die mit Bericht vom 26.10.2007 endete
Die Prüferin beließ es bei der Umsatzsteuerfreiheit hinsichtlich derjenigen Supervisionsleistungen, die nachweislich als Unterrichtsleistungen an Aus- und Fortzubildende an der Universität B und am Institut für C e.V. erbracht worden waren. Die übrigen Supervisionsleistungen der Klägerin (in Höhe von 28.595 EUR bzw. 27.301 EUR netto) seien – so die Prüferin – nicht umsatzsteuerfrei nach § 4 Nr. 21 a) bb) UStG. Auf den o. g. Bericht wird für weitere Einzelheiten Bezug genommen.
Der Beklagte folgte der Ansicht der Prüferin und erließ am 21.12.2007 einen dementsprechenden Änderungsbescheid zur Umsatzsteuer 2002 sowie einen erstmaligen Umsatzsteuerbescheid 2003.
Gegen diese Bescheide legte die Klägerin fristgerecht Einsprüche ein, die sie im Wesentlichen damit begründete, dass die Umsätze schon aufgrund der ihr erteilten Genehmigung der Bezirksregierung A nach § 4 Nr. 21 a) bb) UStG zwingend als steuerfrei zu behandeln seien.
Der Beklagte wies die Einsprüche mit Einspruchsentscheidung vom 14.4.2009 als unbegründet zurück. Er verwies zur Begründung im Wesentlichen auf seine bereits im Prüfungsbericht und den nachfolgenden Erörterungen vertretene Auffassung, dass solche Leistungen, die nicht als Unterrichtstätigkeiten nach festliegendem Lehrprogramm und Lehrplänen unmittelbar Ausbildungs- und Fortbildungszwecken gedient hätten, nicht nach § 4 Nr. 21 a) bb) UStG steuerfrei seien. Einzelne Vorträge oder Vortragsreihen fielen nicht unter die Steuerfreiheit. Darauf, dass die Teilnehmer an den Sitzungen der Klägerin im Rahmen ihres Berufes als Sozialarbeiter, Erzieherin u. ä. zur Teilnahme seitens der Arbeitgeber verpflichtet gewesen seien, komme es nicht an. Die Bescheinigung der Bezirksregierung befinde verbindlich nur über die Frage der Ordnungsgemäßheit der Berufs- oder Prüfungsvorbereitung. Ob es sich jedoch bei der Klägerin überhaupt um eine vom Gesetz geforderte „Einrichtung” handle, die unmittelbar Schul- und Bildungszwecken diene, entscheide das FA in eigener Zuständigkeit.
Daraufhin hat die Klägerin am 14.5.2009 die vorliegende Klage erhoben, die sie im Wesentlichen wie folgt begründet:
Ihre Auftraggeber seien überwiegend öffentliche Institutionen sowie als Träger der freien Wohlfahrtspflege tätig gewesen. Die Supervision werde von diesen in eigenen Fort- und Weiterbildungsprogrammen für Mitarbeiter angeboten und vorausgesetzt. Sie – die Klägerin – decke insbesondere die Supervision im Bereich Gesundheitsberufe, Kranken- und Altenpflege, Behindertenarbeit, Kinder- und Jugendpflege, Sozialpsychiatrie und Bildungsarbeit ab. Regelmäßig seien diese Supervisionen Bestandteil gesetzlicher oder organisatorisch vorgegebener Fortbildungsmaßnahmen (z.B. nach § 72 Abs. 3 SGB VII, § 80 SGB XI, § 4 SGB XII, § 7 Hebammen-VO, § 9 und § 11 Werk...