Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattung von Abzugsteuern und einschränkende Anwendung der Missbrauchsregelung des § 50d Abs. 3 EStG
Leitsatz (redaktionell)
1. Für den Veranlagungszeitraum 2011 ist § 50d Abs. 3 EStG in der Fassung des JStG 2007 maßgeblich; § 50d Abs. 3 EStG in der Fassung des BeitrRLUmsG ist mangels besonderer Anwendungsregelung erstmals für den Veranlagungszeitraum 2012 anzuwenden.
2. Betrifft eine innerstaatliche Maßnahme sowohl den freien Dienstleistungsverkehr (Art. 56 AEUV) als auch den freien Kapitalverkehr (Art. 63 AEUV), ist zu prüfen, inwieweit diese Maßnahme die Ausübung dieser Grundfreiheiten berührt und ob eine von ihnen hinter die andere zurücktritt. Der Anwendung der Kapitalverkehrsfreiheit scheidet aus, wenn die Zahlung einer Lizenzgebühr lediglich einen Transfer von Zahlungsmitteln darstellt, der für die Erbringung von Dienstleistungen im Rahmen eines Lizenzvertrages als erfolgt. Die Kapitalverkehrsfreiheit ist gegenüber der konkurrierenden Dienstleistungsfreiheit zweitrangig und tritt hinter dieser zurück, wenn sich die Zahlungsverpflichtung aus einer Transaktion auf dem Gebiet des Waren- und Dienstleistungsverkehrs ergibt und das Leistungsverhältnis durch die Überlassung der Lizenzen geprägt wird.
3. Die Grundsätze der EuGH-Rechtsprechung (EuGH vom 14.06.2017, C-440/17; vom 20.12.2018, C-504/16 und C-613/16), die im Hinblick auf die Verletzung der Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit durch die Antimissbrauchsregelung des § 50d Abs. 3 EStG ergangen ist, gelten auch für die Verletzung der Dienstleistungsfreiheit. Es sind keine Gründe dafür ersichtlich, die Verletzung der verschiedenen Grundfreiheiten unterschiedlich zu beurteilen. Demgemäß ist dem Steuerpflichtigen mit Blick auf § 50d Abs. 3 EStG der unionsrechtlich gebotene Gegenbeweis über einen mangelnden Regelungsmissbrauch im Einzelfall zu eröffnen.
4. Bei einer ausländischen vermögensverwaltenden Zwischengesellschaften kann im Zuge des Gegenbeweises nicht von einer rechtsmissbräuchlichen Gestaltung ausgegangen werden, wenn im Einzelfall aufgrund der Dauerhaftigkeit und Funktion der Gesellschaft im Ansässigkeitsstaat und bei im selben Staat ansässiger aktiver Konzerngesellschaft, die über einen angemessen eingerichteten Geschäftsbetrieb verfügt und die eine aktive Wirtschaftstätigkeit ausübt und damit frei von Missbrauchszweifeln ist, nicht anzunehmen ist, dass der Bezug von Erträgen von einer deutschen Gesellschaft gerade bei dieser Zwischengesellschaft nur aus steuerlichen Gründen erfolgt.
Normenkette
EStG § 50a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4; EStG 2007 § 50d Abs. 1 S. 2, Abs. 3; EStG § 50g Abs. 1 S. 1; DBA-Österreich Art. 12; EStG § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f
Nachgehend
BFH (Aktenzeichen I B 11/21) |
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Erstattungsbegehren der Klägerin § 50d Abs. 3 EStG entgegensteht.
Die Rechtsvorgängerin der Klägerin, die Z GmbH, war eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in S (Österreich). Ihr Unternehmensgegenstand bestand im Handel und Vertrieb von Sportrechten. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin wurde mit Gesellschaftsvertrag vom … 2005 von der Z GmbH, G (Deutschland), gegründet. Die Z GmbH, G, war seit der Gründung der Rechtsvorgängerin der Klägerin deren alleinige Gesellschafterin. Unternehmensgegenstand der Z GmbH, G, war die Erbringung von Dienstleistungen aller Art in den Bereichen Sport und Medien, insbesondere Sportrechtehandel und -vertrieb. Die Z GmbH, G, wurde am … 2004 von Herrn Q, der in Deutschland ansässig ist, als alleinigem Gesellschafter gegründet.
Im Rahmen der zur Zeit der Gründung der Z GmbH, G, im Turnus von drei Jahren stattfindenden Ausschreibungen der Ball … GmbH, K, hatte zum Ende des Kalenderjahres 2004 die in Österreich ansässige T AG, S (Österreich), die internationale (d.h. weltweit außer Deutschland) multimediale Vermarktung sämtlicher Spiele der Liga erworben. Die T AG beauftragte ihrerseits im Frühjahr 2005 die Z GmbH mit der Durchführung der Vermarktung der erworbenen Übertragungsrechte. Im Rahmen der Vermarktung der multimedialen Verwertungsrechte in Österreich kam es zur Gründung der Rechtsvorgängerin der Klägerin.
Am … 2006 gründete Herr Q mit dem in Österreich ansässigen Herrn B die Z1 GmbH mit Sitz in S (Österreich). Die Anteile hieran hielten sie jeweils zu 50 %. Herr Q brachte die Z GmbH, G, und Herr B die X GmbH, S (Österreich), (später firmierend unter X1 GmbH und heute unter X2 GmbH), ein auf den Gebieten der Verbreitung von Sportinformationen tätiges Unternehmen, in die Z1 GmbH ein.
Damit verfolgten die beiden Gründungsgesellschafter das Ziel einer ganzheitlichen Vermarktung und Verwertung von Sportrechten, nämlich in der Leistungskette vom Lizenzeinkauf (Geschäftsbereich der Rechtsvorgängerin der Klägerin) über die technische Durchführung der Informationsverbreitung (Geschäftsbereich der Schwestergesellschaft M GmbH, S (Österreich): Produktion eines Sendesignals für die Anwendung im Internet) bis zur Verbreitung (über die X1 GmbH) ...