Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterbrechung der Zahlungsverjährung durch EMA-Online-Anfrage

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine EMA-Online-Anfrage zur Ermittlung des Wohnsitzes des Schuldners ist als nach außen wirkender Realakt eine verjährungsunterbrechende Maßnahme i.S. des § 231 Abs. 1 AO.

 

Normenkette

AO §§ 228, 231, 218

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 17.09.2014; Aktenzeichen VII R 8/13)

BFH (Beschluss vom 17.09.2014; Aktenzeichen VII R 8/13)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Beklagte die Zahlungsverjährung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis zum Kläger entsprechend der Aufstellung in der Verjährungsübersicht zum 31.12.2009 vor Ablauf des 31.12.2009 unterbrochen hat.

Laut Kontoauszug des Beklagten vom 24.05.2011 schuldete der Kläger am 13.05.2011 insgesamt 109.500,88 EUR aus den zwischen den Jahren 1996 bis 1999 fällig gewordenen Steuern, Säumniszuschläge, Verspätungszuschläge, Zinsen zur Einkommensteuer 1993 und 1994 sowie zur Umsatzsteuer 1992 bis 1999, die Gegenstand der Verjährungsübersicht zum 31.12.2009 gewesen waren.

Da der Kläger die Steuerforderungen bei Fälligkeit nicht beglichen hatte, waren diverse Zwangsvollstreckungsmaßnahmen des Beklagten erfolgt:

Bei dem zum Fälligkeitszeitpunkt in der A-Straße … in … B mit Wohnsitz gemeldeten Kläger erfolgte am 09.11.2001 ein fruchtloser Vollstreckungsversuch des Vollziehungsbeamten.

Am 19.11.2002 erfolgte ein erneuter Vollstreckungsversuch. Dem Kläger, der an seinem Wohnsitz nicht angetroffen wurde, wurde im Briefkasten eine Zahlungsaufforderung hinterlassen.

Bei einem weiteren Vollstreckungsversuch am 14.01.2003 wurde der Kläger wiederum nicht in seiner Wohnung angetroffen.

Am 13.02.2003 erfolgte vor Ort eine Anschriftenüberprüfung. Neben dem Namensschild einer Frau C befand sich auf dem Briefkasten ein Aufkleber von einem D, auf dem mit Kugelschreiber der Name des Klägers vermerkt war. Der Briefkasten zu den dem Beklagten bekannten Geschäftsräumen des Klägers im F-Straße …, B, war mit „G & Co. Medienhaus” beschriftet.

Mit Beschluss des Amtsgerichts B vom 10.03.2003 wurden die Wohn- und Geschäftsräume des Klägers fruchtlos durchsucht. Weitere Vollstreckungsversuche in den Jahren 2003 und 2004 blieben erfolglos. Eine Bewohnerin des Hauses A-Straße …, B, Frau C, teilte dem Vollziehungsbeamten am 09.06.2004 mit, der Kläger sei nach Ostdeutschland verzogen.

Am 07.10.2004 teilte das Einwohnermeldeamt der Stadt B dem Beklagten auf dessen Nachfrage hin schriftlich mit, der Kläger sei unbekannt verzogen. Eine Registerbereinigung sei veranlasst worden.

Der Kläger meldete am 01.07.2008 bei der Stadt B ein mit der H GmbH am 01.05.2008 aufgenommenes Gewerbe an. Auf dem Anmeldeformular (Blatt 65) ist als Wohnanschrift des Klägers „C./K-Straße …, in Espana … M” angegeben. Die H GmbH hat ihre Betriebsstätte laut Anmeldung in der J-Straße … B. Unter dem Briefkopf der H GmbH korrespondierte der Kläger mit dem Finanzamt B2 am 15.06.2008 (NAST Nr. a, Blatt 64). Am 28.01.2009 schrieb der Kläger an das Finanzamt B1 als Geschäftsführer der H GmbH und der M Consulting Ltd. wegen Änderungen der Kontoverbindung bei der Raiffeisenbank Q (Blatt 68). Hintergrund dieses Schreibens war eine Kfz-Steuererstattung. Die Raiffeisenbank Q korrespondierte mit dem Kläger unter der Anschrift „G c/o N-Haus, J-Straße … B”.

Unter dem 27.10.2009 vermerkte der zuständige Koordinator des Erhebungsbezirks beim Beklagten, der Zeuge U, in der Erhebungsakte „erneute EMA-Abfrage – unbekannt – Verjährung unterbrochen”. Der Vermerk ist handschriftlich erfolgt und von Herrn U paraphiert. In dem vom Rechenzentrum L geführten Erhebungsprogramm, in dem sämtliche Tätigkeiten aus dem VO-System des Beklagten gespeichert werden, ist bezüglich des Klägers als neue Tätigkeit „EMA-Anfrage” am 27.10.2009 „angelegt” worden (vgl. Screenshot in der Rechtsbehelfsakte (am Ende), siehe auch Blatt 74). Auf der Verjährungsübersicht zum 31.12.2009 hat der Zeuge U oberhalb eines Stempels mit Datum 27. Okt. 2009 neben der Aufstellung der Steuerschulden des Klägers handschriftlich vermerkt „EMA”.

Am 04.01.2011 rief die zuständige Bearbeiterin des Beklagten, die Zeugin P, online beim Handelsregister B des Amtsgerichts B die Eintragungen zu der H GmbH und der M Consulting Ltd. ab. Auf die Handelsregisterauszüge der Firmen wird verwiesen. Am 05.01.2011 recherchierte sie bezüglich der H GmbH im Internet. Auf die entsprechenden Ausdrucke wird verwiesen.

Der Beklagte veranlasste am 12.01.2011 einen erneuten Vollstreckungsversuch, diesmal in den Geschäftsräumen der H GmbH und der M Ltd., J-Straße. Dem Kläger wurde eine Zahlungsaufforderung hinterlassen. Dem Kläger wurde auf Nachfrage mitgeteilt, dass wegen der am 27.10.2009 erfolgten EMA-Anfrage keine Zahlungsverjährung mit Ablauf des 31.12.2009 eingetreten sei. Der Kläger trug vor, die Ermittlungshandlung vom 27.10.2009 erfülle nicht die Voraussetzung des § 231 Abs. 1 AO. Die Online-Anfrage sei eine rein innerdienstliche Maßnahme ohne die für alle in § 231 Abs. 1 AO vom Gesetzgeber und der höchs...

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