rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfassungswidrigkeit der Spekulationsgewinnbesteuerung von Wertpapieren nach dem Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002. Verfahren der Aussetzung der Vollziehung. Aussetzung der Vollziehung betreffend Einkommensteuer 2000

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Verfassungsmäßigkeit der der Spekulationsgewinnbesteuerung von Wertpapieren in 1999 zugrundeliegenden Vorschrift des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG (i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002) ist trotz der Änderung des § 45d Abs. 2 EStG entsprechend der für das Streitjahr 1997 geltenden Fassung des § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG wegen struktureller Vollzugsdefizite ernstlich zweifelhaft (vgl. BFH-Beschluss v. 16.7.2002, IX R 62/99, DB 2002, 2354).

 

Normenkette

EStG § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; StEntlG 1999/2000/2002; EStG 1997 § 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b; GG Art. 3 Abs. 1; EStG § 45d Abs. 2; FGO § 69 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1

 

Tenor

Die Vollziehung des Einkommensteuerbescheides für 2000 vom 24. Juli 2002 wird hinsichtlich der Einkommensteuer in Höhe von … Euro bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Aktenzeichen 2 BvL 17/02 über die Vorlage des Bundesfinanzhofes vom 16. Juli 2002, IX R 62/99 (Der Betrieb 2002, S. 2354) ausgesetzt.

Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.

Die Beschwerde wird zugelassen.

Der Streitwert beträgt … Euro.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten über die Verfassungsmäßigkeit des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG 1999.

Am 28. Februar 2000 kauften die Antragsteller insgesamt 330 Aktien der … AG zu Anschaffungskosten von … DM (Antragsteller) und … DM (Antragstellerin). Die Antragstellerin verkaufte die von ihr erworbenen 110 Aktien am 02. März 2000 zum Preis von …. Ihre Kosten für den Verkauf der Aktien betrugen … DM. Der Antragsteller verkaufte die von ihm erworbenen 220 Aktien am 10. März 2000 und am 11. Oktober 2000 zum Preis von insgesamt … DM. Seine Kosten für den Verkauf der Aktien betrugen … DM. In ihrer Einkommensteuererklärung für 2000 gaben die Antragsteller einen Gewinn von … DM an.

Der Antragsgegner legte den erklärten Veräußerungsgewinn der Besteuerung zugrunde und setzte mit Bescheid vom 24. Juli 2002 die Einkommensteuer für 2000 auf … Euro fest.

Die Antragsteller legten fristgemäß Einspruch ein und beantragten die Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheides für 2000 in Höhe der auf den Veräußerungsgewinn entfallenen Einkommen-, Kirchensteuer und des Solidaritätszuschlags. Sie meinten, die Berücksichtigung des Veräußerungsgewinns in Höhe von … DM sei nicht gerechtfertigt und beriefen sich zur Begründung auf das beim Bundesfinanzhof anhängige Verfahren IX R 62/99.

Über den Einspruch ist noch nicht entschieden.

Der Antragsgegner lehnte mit Schreiben 29. August 2002 die Aussetzung der Vollziehung ab.

Mit den am 17. September 2002 eingegangenen Antrag verfolgen die Antragsteller ihr Begehren weiter.

Sie beantragen sinngemäß,

die Vollziehung des Einkommensteuerbescheides vom 24. Juli 2002 hinsichtlich der Einkommensteuer in Höhe von … Euro auszusetzen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Zur Begründung führt er aus, er habe § 23 EStG zutreffend angewendet und keine Zweifel an der Verfassungswidrigkeit der Norm.

Dem Gericht lag ein Hefter Einkommensteuer 2000 zu Steuernummer … vor.

 

Entscheidungsgründe

II.

Der zulässige Antrag ist begründet.

Der Antrag war dahin auszulegen, dass nur die Aussetzung der Vollziehung der Einkommensteuer begehrt wird. Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag sind Annexsteuern. Für eine gesonderte Entscheidung über ihre Aussetzung fehlt das Rechtsschutzbedürfnis (vgl. Koch in Gräber FGO § 69 Tz. 66).

Die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes soll auf Antrag ganz oder teilweise ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte, § 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO).

Ernstliche Zweifel im Sinne des § 69 Abs. 2 und 3 FGO können auch Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit einer dem angefochtenen Verwaltungsakt zu Grunde liegenden Norm begründen (BFH vom 31. Mai 1995, II B 126/94, BFHE 177, 316, BStBl II 1995, 572 und vom 09. Mai 2001, XI B 151/00, BFHE 195, 319, BStBl II 2001, 552).

Der Beklagte hat zwar § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG 1999 zutreffend angewendet.

Der Senat teilt allerdings die Zweifel der Antragsteller an der Verfassungsmäßigkeit von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG 1999 und verweist dazu auf den Beschluß des Bundesfinanzhofes vom 16. Juli 2002 zum Aktenzeichen IX R 62/99 (Der Betrieb 2002, 2354 ff.). Der Bundesfinanzhof hält § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b EStG a.F insoweit für verfassungswidrig, als die Durchsetzung des aus dieser Norm erwachsenden Steueranspruchs wegen struktureller Vollzugshindernisse weitgehend vereitelt wird.

Den Ausführungen im Beschluß des Bundesfinanzhofes schließt sich der Senat an.

Zwar streiten...

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