Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Kostenerstattungsanspruch der Familienkasse bei Barauszahlung des Kindergeldes. Auslegung eines Schreibens der Familienkasse als Abrechnungsbescheid
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Kindergeldempfänger, der über kein Konto verfügt, ist nicht verpflichtet, ausschließlich für die Entgegennahme der Kindergeldzahlungen ein Konto zu eröffnen.
2. Die durch die Kindergeldauszahlung mittels Zahlungsanweisung verursachten Kosten hat nach § 270 Abs. 1 BGB auch dann grundsätzlich die Familienkasse zu tragen, wenn der Kindergeldempfänger nicht begründet, warum er kein Konto unterhält. Ein Anspruch der Familienkasse auf Erstattung der Auszahlungskosten (hier: 4 DM monatlich für bei Postbank einzulösende Zahlungsanweisung) ergibt sich jedenfalls dann, wenn kein Kostenerstattungsanspruch durch Verwaltungsakt festgesetzt worden ist, weder aus der AO noch aus den einschlägigen Vorschriften des BGB noch aus einer entsprechenden Anwendung von § 337 Abs. 1 S. 2 und 3 SGB III.
3. Hat die Familienkasse das Kindergeld gekürzt um die Kosten der Barauszahlung ausgezahlt und die Kindergeldempfängerin darauf die ungekürzte Auszahlung des Kindergeldes beantragt, so ist die Antwort der Behörde, die Auszahlung des Kindergeldes durch Zahlungsanweisung zur Verrechnung sei nicht mehr kostenfrei möglich, als Erlass eines Abrechnungsbescheides nach § 218 Abs. 2 AO, und die daraufhin erhobene Klage der Kindergeldempfängerin als Klage gegen diesen Abrechnungsbescheid auszulegen.
Normenkette
AO §§ 47, 37, 218 Abs. 2, § 224 Abs. 3 Sätze 1-2, § 226 Abs. 1; BGB §§ 387-388, 270 Abs. 1; EStG § 71; SGB III § 337 Abs. 1 Sätze 2-3
Tenor
Abweichend vom Abrechnungsbescheid vom 25. April 2001
in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. September 2002 wird für den Kindergeldzahlungszeitraum März 2001 ein Guthaben in Höhe von 4,00 DM festgestellt.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in der gleichen Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert beträgt 2,05 e.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Frage, ob die Beklagte zu Recht das Kindergeld für den Monat März um einen Kostenbetrag von 4,00 DM gekürzt ausgezahlt hat, weil die Klägerin kein Konto unterhält und deshalb die Auszahlung mittels Zahlungsanweisung zur Verrechnung erfolgen musste.
Die Klägerin erhält von der Beklagten Kindergeld für ihren am 24. November 1980 geborenen Sohn S.. Da die Klägerin der Beklagten keine Kontoverbindung für die Überweisung des Kindergeldes mitgeteilt hatte, übersandte die Beklagte der Klägerin ab März 2001 eine Zahlungsanweisung, die auf der Postdienststelle, Postbank, einzulösen war. Dabei kürzte die Beklagte das der Klägerin zu zahlende Kindergeld in Höhe von 270,00 DM um einen Kostenbetrag von 4,00 DM monatlich für die Zahlungsanweisung.
Mit Schriftsatz vom 10. April 2001 forderte die Klägerin die Familienkasse auf, den monatlichen Fehlbetrag von 4,00 DM unverzüglich auszugleichen.
Daraufhin teilte die Familienkasse mit Schriftsatz vom 25. April 2001 mit, dass ab März 2001 die Auszahlung des Kindergeldes im Wege einer „Zahlungsanweisung zur Verrechnung” nicht mehr kostenfrei möglich sei. Die Klägerin sei bereits mit Schreiben vom 18. Januar 2001 darauf hingewiesen worden. Es wurde der Klägerin empfohlen, sich ein Konto einzurichten. Falls der Klägerin die Einrichtung eines Kontos bei einem Geldinstitut verweigert würde, müsse sie eine entsprechende Bescheinigung des Geldinstitutes einreichen. Da die Klägerin entgegen dem Schreiben der Familienkasse vom 18. Januar 2001 weder eine Bankverbindung mitgeteilt, noch eine entsprechende Bescheinigung der Bank vorgelegt habe, sei das Kindergeld ab März 2001 unter Abzug der jeweiligen Gebühren auszuzahlen.
Mit Schreiben vom 07. Mai 2001 teilte die Klägerin der Familienkasse mit, dass sie ein Schreiben vom 18. Januar 2001 nicht erhalten habe. Sie verfüge über keine Bankverbindung und sehe auch keine Möglichkeit, sich ein Konto einzurichten. Aus datenschutzrechtlichen Gründen sei es ihr auch verwehrt, diesbezüglich Nachweise vorzulegen.
Mit weiterem Schreiben vom 17. Mai 2001 teilte die Familienkasse der Klägerin erneut mit, dass Kindergeld nur dann kostenfrei mittels Zahlungsanweisung zur Verrechnung zu zahlen sei, wenn die Klägerin durch eine Bescheinigung eines Geldinstituts oder durch einen entsprechenden Schlichtungsspruch der Kundenbeschwerdestelle nachgewiesen habe, dass ihr gegenüber die Eröffnung eines Kontos ohne eigenes Verschulden abgelehnt worden sei.
Am 27. Dezember 2001 hat die Klägerin zunächst beim Sozialgericht Klage erhoben. Das Sozialgericht S. hat mit Beschluss vom 30. April 2002 den Rechtsstreit an das zuständige Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern verwiesen.
Zur Begründung ihrer Klage trägt die Kläger...