rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückübertragung der Sache auf den Senat. Verzicht des Alleingesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH auf ihm zustehende Sondervergütungen
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Rückübertragung auf den Senat ist auch dann noch möglich, wenn der Berichterstatter bereits durch Terminierung der Sache deutlich gemacht hat, als konsentierter Einzelrichter entscheiden zu wollen. Den Anforderungen an die Klarheit und Bestimmbarkeit des gesetzlichen Richters wird in solchen Fällen dadurch genügt, dass die Beteiligten nunmehr nach Anhörung auch einer Entscheidung durch den Senat anstelle des konsentierten Einzelrichters zustimmen, und dass die Sache aus der Sicht des Berichterstatters schwierig genug ist, um eine Beratung im Senat zu erfordern.
2. Die Mitteilung einer GmbH über die Höhe des Arbeitslohns ihres Alleingesellschafter-Geschäftsführers an ihren Steuerberater zum Zwecke der Fertigung der Lohnsteueranmeldung ist eine Tatsachenmitteilung, in der kein konkludenter Verzicht des Geschäftsführers auf ihm im jeweiligen Anmeldungszeitraum nach seinem Anstellungsvertrag zustehendes Urlaubs- bzw. Weihnachtsgeld gesehen werden kann.
3. Auch in dem Umstand, dass die GmbH die Sondervergütungen nicht als Aufwand verbucht hat, kann kein rechtserheblicher Verzicht des Alleingesellschafter-Geschäftsführers gesehen werden (entgegen Thüringer FG, Urteil v.18.2.2009, III 1027/05).
Normenkette
FGO § 79a Abs. 3-4, § 6; GG Art. 101 Abs. 1 S. 2; EStG § 41a Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 42d Abs. 1 Nr. 1, § 11 Abs. 1
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert beträgt EUR 15.539,00.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Haftung der Klägerin für nach Auffassung des Beklagten nicht abgeführte Lohnsteuer im Zusammenhang mit vertraglich vereinbarten, aber nicht ausgezahlten Sondervergütungen.
1.
Die Klägerin ist eine haftungsbeschränkte Unternehmergesellschaft; sie wurde am … errichtet und begann ihre Tätigkeit am … Ihr Alleingesellschafter und Geschäftsführer war und ist Herr A. Die Klägerin bot ergotherapeutische Leistungen an. Sie beschäftigte – außer dem Geschäftsführer – in den Streitjahren insgesamt 15 Arbeitnehmer, wenn auch nicht alle durchgehend. Auf die Auflistung Sonderakte Bl. 15 wird verwiesen.
A schloss mit der Klägerin am … einen Anstellungsvertrag mit Wirkung ab dem … Für den genauen Inhalt wird auf die Sonderakte Bl. 19 verwiesen. Vereinbart wurde ein Monatsgehalt von EUR 450 brutto. Weiter heißt es unter § 4 Abs. 2 des Vertrages:
„Besteht das Dienstverhältnis während eines gesamten Kalenderjahrs, so erhält der Geschäftsführer eine zusätzliche Weihnachtsgratifikation – zahlbar mit dem Novembergehalt – in Höhe eines Monatsgehalts sowie ein Urlaubsgeld – zahlbar mit dem Junigehalt – in Höhe eines Monatsgehalts.”
Das Gehalt selbst war jeweils am Monatsletzten zu zahlen. Von den Beschränkungen des § 181 BGB war der Geschäftsführer ausdrücklich befreit.
Ein weiterer Anstellungsvertrag wurde am … mit Wirkung ab dem … geschlossen. Vereinbart wurde jetzt ein Monatsgehalt von EUR 7.518 brutto. Unter § 4 Abs. 2 enthielt dieser Vertrag eine Klausel betreffend Weihnachtsgratifikation und Urlaubsgeld, die mit der oben zitierten Klausel aus dem vorigen Vertrag wörtlich übereinstimmt.
Durch Gesellschafterbeschluss vom … wurde das Gehalt mit Wirkung ab dem … auf EUR 5.603,05 brutto monatlich herabgesetzt. Durch Gesellschafterbeschluss vom 01.06.2016 wurde das Gehalt ab … auf EUR 6.247,78 brutto monatlich erhöht.
Weihnachtsgratifikation und Urlaubsgeld wurden in den Streitjahren 2015 bis 2018 nicht gezahlt.
2.
Aufgrund Prüfungsanordnung vom … wurde bei der Klägerin für die Jahre 2015 bis 2018 eine Lohnsteuer-Außenprüfung durchgeführt. Der Prüfer vertrat die Auffassung, dass Weihnachtsgratifikation und Urlaubsgeld lohnsteuerpflichtig gewesen seien und die Klägerin für die daraus folgende Differenz in Haftung zu nehmen sei.
Auf dieser Grundlage erging gegenüber der Klägerin der Haftungsbescheid vom … über insgesamt EUR 15.539,09. Der Betrag ist wie folgt berechnet:
|
2015 |
2016 |
2017 |
2018 |
Gesamtsumme |
Lohnsteuer |
|
|
|
|
|
Solidaritätszuschlag |
|
|
|
|
|
Summe |
|
|
|
|
|
Die Klägerin legte mit Steuerberaterschreiben vom … Einspruch ein. Sie brachte vor, dass der Geschäftsführer vor der Fälligkeit auf Weihnachtsgratifikation und Urlaubsgeld verzichtet habe. Soweit kein ausdrücklicher Verzicht erklärt worden sei, sei ein Verzicht durch schlüssiges Verhalten anzunehmen. Ein Verzicht durch schlüssiges Verhalten sei nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes –BFH– (VI R 24/12) möglich. Der Geschäftsführer habe hier die Vertragsänderung angenommen, indem er seine Tätigkeit widerspruchslos fortgesetzt habe. Durch den Verzicht sei eine Überschuldung der Gesellschaft vermieden worden.
Die Lohnabrechnungen seien immer Mitte des laufenden Monats erstellt worden. Für die betreffenden Monate habe der Geschäftsführer jeweils mitgeteilt, dass auf Urlaubsgeld und Weihnachtgratifikation verzichtet ...