rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausbeutekalkulation bei Gaststätten
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Übertragung der ermittelten Werte aus einer Kalkulation für ein repräsentatives Jahr auf ein anderes Jahr ist nur zulässig, sofern in der Betriebsstruktur keine wesentlichen Änderungen eingetreten sind.
2. In einer formell ordnungsmäßigen Buchführung ausgewiesene Gewinne können auch durch die Ergebnisse einer Nachkalkulation erschüttert werden.
3. An diesen Nachweis sind wesentlich strengere Anforderungen zu stellen als an die Begründung einer Schätzung des Umsatzes oder Gewinns bei festgestellten, zur Schätzung berechtigenden Mängeln der Buchführung.
Normenkette
FGO § 69 Abs. 3, 2; AO § 162
Tenor
1. Die Bescheide vom 1. Februar 2023 über die Umsatzsteuer für 2016 bis 2018 werden für 2016 in Höhe von 18.481,00 EUR, für 2017 in Höhe von 24.336,00 EUR und für 2018 in Höhe von 21.771,00 EUR für die Dauer des Einspruchsverfahrens von der Vollziehung ausgesetzt.
2. Die Bescheide vom 1. Februar 2023 über die Gewerbesteuermessbeträge für 2016 bis 2018 werden für 2016 in Höhe von 4.277 EUR, für 2017 in Höhe von 5.782 EUR und für 2018 in Höhe von 4.739 EUR für die Dauer des Einspruchsverfahrens von der Vollziehung ausgesetzt.
3. Die Bescheide vom 1. Februar 2023 über die Einkommensteuer 2016 bis 2018 werden für 2016 in Höhe von 28.093 EUR, für 2017 in Höhe von 41.071 EUR und für 2018 in Höhe von 31.225 EUR für die Dauer des Einspruchsverfahrens von der Vollziehung ausgesetzt.
4. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
5. Die Kosten des Verfahrens betreffend Umsatzsteuer und Gewerbesteuermessbetrag tragen der Antragsteller zu 11 % und der Antragsgegner zu 89 %. Die Kosten des Verfahrens betreffend Einkommensteuer trägt der Antragsgegner.
Tatbestand
I.
Der Antragsteller betreibt seit dem 1. April 2016 das Restaurant […] als Einzelunternehmer und erzielt daraus Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Seinen Gewinn ermittelt er durch Betriebsvermögensvergleich. Die Antragsteller werden gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt.
Der Antragsgegner, das Finanzamt, führte beim Antragsteller in der Zeit vom 6. April 2021 bis 2. Dezember 2022 eine steuerliche Außenprüfung durch. Der Betriebsprüfer vertrat – neben anderen hier nicht streitigen Punkten – die Auffassung, dass die Gewinne aus Gewerbebetrieb von Antragsteller nicht vollständig erklärt worden seien. Aufgrund einer für das Jahr 2017 durchgeführten Ausbeutekalkulation der Getränke ermittelte der Betriebsprüfer eine Differenz zwischen dem erklärten Gewinn und dem Kalkulationsergebnis (Betriebsprüfungsbericht vom 2. Dezember 2022, Tz. C.1.5.d). Aufgrund der Kalkulation ergebe sich für das Jahr 2017 ein kalkulatorischer Umsatz in Höhe von 556.381 EUR. In der Gewinn- und Verlustrechnung sei jedoch nur ein Umsatz in Höhe von 391.159 EUR erklärt worden. Die Kalkulationsdifferenz betrage demgemäß 165.222 EUR. Diese Kalkulationsdifferenz würde in Höhe von 58.798 EUR auf Umsätze zu 7 % und in Höhe von 106.423 EUR auf Umsätze zu 19 % entfallen. Aus der Kalkulation für 2017 ergebe sich ein Rohgewinnaufschlagsatz in Höhe von 392,01 %. Ausgehend von diesem Rohgewinnaufschlagsatz seien auch die Umsätze für die Jahre 2016 und 2018 neu zu kalkulieren. Für 2016 würde sich eine Kalkulationsdifferenz in Höhe von 122.310 EUR und für 2018 eine Kalkulationsdifferenz in Höhe von 138.711 EUR ergeben. Ausgehend von dieser Kalkulation erhöhte der Betriebsprüfer deshalb die Entnahmen und zwar für 2016 um 140.701 EUR, für 2017 um 189.557 EUR und für 2018 um 160.482 EUR (Betriebsprüfungsbericht, Tz. C.1.5.d). Neben weiteren – hier nicht streitigen Änderungen – wurden die Gewinne aus Gewerbebetrieb des Antragstellers als Einzelunternehmer vom Betriebsprüfer für 2016 um 135.918 EUR, für 2017 um 177.221 EUR und für 2018 um 153.014 EUR erhöht. Außerdem erhöhte der Betriebsprüfer entsprechend die Lieferungen und Leistungen zur Umsatzsteuer zu 19 % und 7 %. Das Finanzamt folgte in den Änderungsbescheiden vom 1. Februar 2023 zur Einkommensteuer 2016 bis 2018, zum Gewerbesteuermessbetrag 2016 bis 2018 und zur Umsatzsteuer 2016 bis 2018 der Auffassung des Betriebsprüfers im Betriebsprüfungsbericht vom 2. Dezember 2022.
Mit ihren dagegen gerichteten Einsprüchen trugen die Antragsteller bzw. der Antragsteller vor, dass die Übertragung des Ergebnisses der Ausbeutekalkulation für 2017 auf die Jahre 2016 und 2018 willkürlich sei. Der Antragsteller habe das Restaurant erst im Jahr 2016 als Einzelunternehmer übernommen. Die wirtschaftliche Situation sei sehr schlecht gewesen. Der Antragsteller habe erst den Ruf des Restaurants sanieren, die Speisen- und Getränkekarte erneuern, neue Rezepte ausprobieren und die Stammkundschaft aufbauen müssen. Deshalb könnten nicht alle Jahre gleichgesetzt werden. Auch sei die Ausbeutekalkulation für 2017 nicht aussagekräftig. Würde man unterstellen, die Kalkulation wäre fachlich richtig, so würde daraus nur die Erkenntnis folgen, dass ein höherer Umsatz theoretisch erzielbar gewesen wäre. Es geb...