rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Schätzung der Besteuerungsgrundlagen bei fehlerhaften Kassenaufzeichnungen. Richtsatzschätzung
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein AdV-Antrag, der nur mit Einwendungen begründet wird, die sich gegen die in einem Grundlagenbescheid festgesetzten Besteuerungsgrundlagen richten (hier: Höhe des Verlustabzugs aus dem zum 31.12. des Vorjahres gesondert festgestelltem Verlustvortrag), ist unzulässig.
2. Bei zulässiger Schätzung dem Grunde nach ist die Schätzung der Höhe der Umsätze eines Gastronomiebetriebs unter Anwendung der Richtsätze der amtlichen Richtsatzsammlung jedenfalls dann rechtmäßig, wenn ein Rohaufschlagsatz in der unteren Bandbreite des Rahmens laut Richtsatzsammlung (hier: 225) und ein nach den Besonderheiten des Betriebs korrigierter Rohgewinn zur Anwendung kommt.
3. Zur Behandlung der Hinzuschätzungen als verdeckte Gewinnausschüttung bei einer Kapitalgesellschaft.
Normenkette
AO § 140 ff., § 162 Abs. 1, § 182 Abs. 1, § 184; FGO § 69 Abs. 2-3, § 96 Abs. 1 S. 1; EStG § 10d Abs. 4; GewStG § 10a; KStG § 8 Abs. 1
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Streitig sind im Hauptsacheverfahren die Rechtmäßigkeit vorgenommener Hinzuschätzungen aus dem Gaststättenbetrieb und deren Behandlung als verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA).
Die Antragstellerin, eine GmbH, betreibt in X ein … Restaurant in der … und – bis Sommer 2014 – in der …, sowie einen Homeservice. Für den Prüfungszeitraum 2010-2012 fand bei ihr eine Betriebsprüfung statt. Streitig sind die vorgenommenen Hinzuschätzungen in Höhe von brutto 133.320 EUR (2010), 108.758 EUR (2011) und 129.647 EUR (2012) und deren Behandlung als verdeckte Gewinnausschüttungen. Hinsichtlich der von der Betriebsprüfung festgestellten formellen und materiellen Mängel wird auf die Seite 5 des Betriebsprüfungsberichts vom 30.11.2018 bzw. Seite 4 der Einspruchsentscheidung vom 12.11.2021 verwiesen. Die Ermittlung der Hinzuschätzungen ist auf Seite 16 ff. der Einspruchsentscheidung dargestellt und lässt sich am Beispiel des Jahres 2010 wie folgt zusammenfassen:
Ausgangspunkt sind die erklärten Erlöse lt. GuV iHv. 820.136 EUR und der Materialaufwand/ Wareneinsatz lt. GuV iHv. 375.699 EUR. Daraus ergibt sich ein Rohgewinnaufschlagssatz lt. GuV von 118,30. Im Rahmen der Prüfung wurden von der Antragstellerin zum Zwecke der Ermittlung eines realistischeren Rohgewinnaufschlagsatzes vom Wareneinsatz verschiedene Abzüge vorgenommen, z.B. für fehlerhafte Buchungen, für unentgeltliche Wertabgaben, Sponsoring, Abfall, Schwund, Diebstahl und für Warenabgaben, die nahezu zum Einkaufspreis erfolgt seien, insgesamt ein Betrag von 65.880 EUR. Daraus ergab sich ein korrigierter Wareneinsatz iHv. 309.808 EUR. Den Erlösen wurde ein Betrag von 67.367 EUR für rabattierte Umsätze hinzugerechnet, so dass sich ein korrigierter Betrag von 887.403 EUR ergab. Daraus errechnete sich ein fiktiver Rohgewinn nach den Angaben der Antragstellerin in Höhe von 577.585 EUR und ein entsprechender Rohgewinnaufschlagssatz von 186,4.
Die Betriebsprüfung ging von einem Rohgewinnaufschlagssatz von 225 aus. Der Rahmensatz laut Richtsatzsammlung für Gaststätten lag im Prüfungszeitraum bei 186 bis 400, der Mittelsatz (gewogenes Mittel aus den Einzelergebnissen) bei 257. Die erklärten Rohgewinnaufschlagsätze nach den Daten der GuV-Rechnung betrugen 118,30 (2010), 163,39 (2011), 160,39 (2012). Die letztlich anzusetzenden Hinzuschätzungsbeträge ermittelte der Prüfer dadurch, dass er den Aufschlagsatz von 225 auf den korrigierten Wareneinsatz nach den Daten der Antragstellerin (309.808 EUR in 2010) ansetzte und dadurch einen Rohgewinn von 697.090 EUR (2010) errechnete. Von diesem zog er den fiktiven Rohgewinn nach den Daten der Antragstellerin iHv. 577.585 EUR ab. Der Differenzbetrag von 119.505 EUR ergibt die Netto-Zuschätzung des Finanzamts. Auf diesen Betrag setzte es die Umsatzsteuer an, wobei es das Verhältnis von Umsätzen zu 7 % und zu 19 % mit 62/38 ermittelte und für 2010 eine Brutto-Zuschätzung von 133.320 EUR errechnete. In den Jahren 2011 und 2011 wurde entsprechend verfahren.
Das Finanzamt behandelte die Hinzuschätzungen als vGA zugunsten des Geschäftsführers und Hauptgesellschafters A und erließ mit Datum vom 18.04.2019 geänderte Steuerbescheide. Wegen des Wegfalls des gesondert festgestellten verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2012 und des vortragsfähigen Gewerbeverlusts auf den 31.12.2012 wurden auch die entsprechenden Steuerbescheide der Jahre 2013 bis 2017 zu Lasten der Antragstellerin geändert.
Die Antragstellerin erhob gegen sämtliche Änderungsbescheide Einspruch und bestritt eine grundsätzliche Schätzungsbefugnis des Finanzamts, da es sich bei den Buchführungsmängeln zum einen um nur unwesentliche Mängel handle, welche die sachliche Richtigkeit der Buchführung nicht ausschließe. Auch hätten im Prüfungszeitraum noch nicht die erhöhten Anforderungen an die Registrierkassen gegolte...