Entscheidungsstichwort (Thema)
Finanzrechtsweg. Abgabenangelegenheiten im Sinne des § 33 FGO. Verweisung einer Klage auf Abschluss des Lohnsteuerabzugs an das sachlich und örtlich zuständige Arbeitsgericht
Leitsatz (redaktionell)
1. Abgabenangelegenheiten im Sinne von § 33 FGO sind nur die mit der Verwaltung der Abgaben oder sonst mit der Anwendung der abgabenrechtlichen Vorschriften durch die Finanzbehörden zusammenhängenden Angelegenheiten im Spannungsfeld der Eingriffsverwaltung zwischen Bürger und Staat. An dem im Finanzrechtsweg zu entscheidenden Rechtsstreit muss eine Behörde beteiligt sein.
2. Die Klage gegen den früheren Arbeitgeber auf Abschluss des Lohnsteuerabzugs gemäß § 41b EStG ist an das sachlich und örtlich zuständige Arbeitsgericht zu verweisen (Entgegen BAG v. 11.6.2003, 5 AZB 1/03).
Normenkette
FGO § 33; ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. e; GVG §§ 13, 17a Abs. 2 S. 1; EStG 2002 § 41b Abs. 1; GG Art. 101 Abs. 1 S. 2; BGB § 242
Tenor
1. Der Finanzrechtsweg ist mangels sachlicher Zuständigkeit unzulässig.
2. Die Streitsache wird an das sachlich und örtlich zuständige Arbeitsgericht Passau verwiesen.
3. Die Beschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Der Kläger hat zunächst vor dem Arbeitsgericht gegen seinen früheren Arbeitgeber (den Beklagten) geklagt. Das unter dem dortigen Aktenzeichen geführte Verfahren wurde am 2. Oktober 2006 durch einen Vergleich beendet. Der Beklagte verpflichtete sich darin, an den Kläger einen größeren Geldbetrag zu bezahlen, Lohnabrechnungen zu erstellen und dem Kläger die ordnungsgemäß ausgestellten Arbeitspapiere auszuhändigen.
Nach Angabe der Klägerseite im vorliegenden finanzgerichtlichen Verfahren ist der Beklagte diesen Verpflichtungen nicht nachgekommen. Er habe lediglich die „leere” Lohnsteuerkarte an den Kläger herausgegeben. Gemäß § 41 b EStG sei der Beklagte aber verpflichtet, das Lohnkonto des Klägers ordnungsgemäß abzuschließen, ihm eine Lohnsteuerbescheinigung zu erteilen und diese dem Kläger auszuhändigen.
Am 2. Mai 2007 erging eine gerichtliche Aufklärungsanordnung. Darin wurden die Beteiligten unter Benennung verschiedener finanzgerichtlicher Entscheidungen darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, die Streitsache an das sachlich und örtlich zuständige Arbeitsgericht zu verweisen. Hierauf hat die Klägerseite mitgeteilt, dass sie der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts [BAG] (Urteil vom 11. Juni 2003 5 AZB 1/03, Neue Juristische Wochenzeitung – NJW – 2003, 2629) folge, wonach in Fällen wie dem vorliegenden der Rechtsweg zu den Finanzgerichten eröffnet sei.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verpflichten, dass er sein (des Klägers) Lohnkonto für 2006 ordnungsgemäß abschließt sowie ihm (dem Kläger) eine Lohnsteuerbescheinigung für den Beschäftigungszeitraum 10. April 2006 bis 23. Juni 2006 erteilt und aushändigt.
Der Beklagte hat sich im vorliegenden Verfahren nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
II.
Für die streitgegenständliche Klage ist nicht der Finanzrechtsweg gemäß § 33 der Finanzgerichtsordnung (FGO), sondern nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 insbesondere Buchst. e des Arbeitsgerichtsgesetzes (ArbGG) i. V. m. § 13 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) der Weg zu den Arbeitsgerichten eröffnet. Gemäß § 155 FGO i. V. m. § 17 a Abs. 2 Satz 1 GVG wird deshalb nach Anhörung der Beteiligten die Unzulässigkeit des Finanzrechtswegs festgestellt und der Rechtsstreit an das sachlich und örtlich zuständige Arbeitsgericht Passau verwiesen.
1 a) Nach § 1 FGO wird die Finanzgerichtsbarkeit durch unabhängige, von den Verwaltungsbehörden getrennte, besondere Verwaltungsgerichte ausgeübt. Der sachliche Aufgabenbereich wird durch § 33 FGO konkretisiert. Danach ist der Finanzgerichtsbarkeit der in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) garantierte gerichtliche Schutz des Einzelnen gegen Eingriffe der (deutschen) öffentlichen Gewalt für den Bereich der Abgabenangelegenheiten (mit Ausnahme der Straf- und Bußgeldverfahren) zugewiesen. Der Begriff der Abgabenangelegenheiten in § 33 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Satz 1 FGO umfasst die Verwaltungstätigkeit der Finanzbehörden des Bundes und der Länder gegenüber gewaltunterworfenen Bürgern (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 13. Februar 1990 VIII R 188/85, BFHE 160, 115, BStBl II 1990, 582). Solche Abgabenangelegenheiten sind nur die mit der Verwaltung der Abgaben oder sonst mit der Anwendung der abgabenrechtlichen Vorschriften durch die Finanzbehörden zusammenhängenden Angelegenheiten im Spannungsfeld der Eingriffsverwaltung zwischen Bürger und Staat. An dem im Finanzrechtsweg zu entscheidenden Streit muss eine Finanzbehörde beteiligt sein (vgl. Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung (AO)/FGO, § 33 FGO, Rn 156; von Beckerath in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 33 FGO Rn 29; vgl. auch § 63 Abs. 1 FGO, wonach die finanzgerichtliche Klage gegen eine „Behörde” zu richten ist).
b) Rechtsstreitigkeiten, die das bürgerlich-rechtliche Verhältnis zwischen Rechtspersonen des Privatrechts betreffen und in denen es um bloße Reflexwirkung...