rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die „Unrichtigkeit” des Protokolls der mündlichen Verhandllung als Voraussetzung einer Berichtigung der Niederschrift
Leitsatz (redaktionell)
1. Das Sitzungsprotokoll ist nur dann im Sinne des § 164 Abs. 1 ZPO unrichtig, wenn die zwingend vorgeschriebenen Angaben falsch dokumentiert oder die Dokumentation zwingend zu protokollierender Vorgänge unrichtigerweise unterlassen worden ist. Bloße Protokollergänzungsanträge im Sinne des § 160 Abs. 4 Satz 1 ZPO sind demgegenüber bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zu stellen und nachträglich unzulässig (vgl. BFH, Beschluss v. 26.9.2005, VIII B 6/04, BFH/NV 2006 S. 109). Das Sitzungsprotokoll ist keine Niederschrift über den gesamten Inhalt der mündlichen Verhandlung und braucht nur den äußeren Ablauf der Verhandlung wiederzugeben.
2. Mit den nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung und nach der Urteilsverkündung schriftlich erhobenen Rügen,
- die Tür zum Gerichtsgebäude sei zu einer bestimmten Zeit verschlossen worden, das Gerichtsgebäude sei zu diesem Zeitpunkt nicht frei zugänglich und die Öffentlichkeit damit, auch aufgrund schikanöser Eingangskontrollen, nicht mehr gewährleistet gewesen,
- der Zutritt in das erste Obergeschoss sei dem Kläger verwehrt worden,
- die Videoüberwachung im Gerichtsgebäude und im Sitzungssaal verstoße gegen die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und sei rechtswidrig,
- der Senatsvorsitzende habe dem Kläger während der mündlichen Verhandlung das Mitschreiben untersagt, wodurch er in seiner Verhandlungsfähigkeit eingeschränkt gewesen sei,
- die dem Senat angehörenden Berufsrichter seien wegen ihrer früheren Tätigkeit im Dienst der Finanzverwaltung in dem vorliegenden Klageverfahren nicht unparteiisch,
werden keine Unrichtigkeiten der Sitzungsniederschrift dargelegt.
3. Die bloße Frage des Klägers, ob der Senat gegebenenfalls eine Frist zur weiteren Begründung der Klage einräumen würde, stellt noch keinen ernstlich gestellten Antrag auf Schriftsatzfrist dar und ersetzt keinesfalls einen entsprechenden Antrag auf Aufnahme eines solchen in die Sitzungsniederschrift. Anträge in der mündlichen Verhandlung sind unmissverständlich und ausdrücklich zu stellen und von den allgemeinen Rechtsgesprächen zwischen den Senatsmitgliedern und den Beteiligten zu unterscheiden.
Normenkette
FGO § 94; ZPO § 159 Abs. 1, § 160 Abs. 1-3, 4 S. 1, § 164 Abs. 1 S. 1
Tenor
1. Der Antrag auf Berichtigung der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 22. Januar 2020 wird abgelehnt.
2. Die Entscheidung ergeht kostenfrei.
Tatbestand
I.
Mit Urteil aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22. Januar 2020 hat der Senat über die mit Schriftsatz vom 7. Februar 2016 gegen das … Staatsministerium der Finanzen …, vertreten durch die Steuerberaterkammer X erhobene Klage entschieden. Gegenstand der Klage war der Bescheid der Steuerberaterkammer X vom 5. Januar 2017, durch den diese festgestellt hatte, dass der Kläger den schriftlichen Teil der Steuerberaterprüfung, bestehend aus den Aufsichtsarbeiten am 6. Oktober 2015 und am 7. Oktober 2015 sowie aus dem Wiederholungstermin am 13. Oktober 2016, nicht bestanden hatte und deshalb nicht zum mündlichen Teil der Steuerberaterprüfung zugelassen worden war. Mit seiner Klage begehrte der Kläger die Aufhebung der Prüfungsentscheidung unter gleichzeitiger Verpflichtung des Beklagten, die Aufsichtsarbeit vom 7. Oktober 2015 aus dem Gebiet des Ertragsteuerrechts unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bewerten. Über die mündliche Verhandlung am 22. Januar 2020 (Beginn: 10.33 Uhr; Ende: 11.11 Uhr) hat das Gericht die in den Gerichtsakten befindliche Niederschrift erstellt. Mit im Anschluss an die mündliche Verhandlung verkündetem Urteil hat der Senat die Verpflichtungsklage des Klägers abgewiesen, ohne die Revision zum Bundesfinanzhof zuzulassen. Laut Postzustellungsurkunde wurde dem Kläger das schriftliche Urteil sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 30. Januar 2020 zugestellt. Mit Schreiben vom 27. Januar 2020 hatte der Kläger vorab beim Bundesfinanzhof gegen die Nichtzulassung der Revision die derzeit dort noch anhängige Beschwerde (Az.: VII B 27/20) eingelegt.
Mit Schreiben vom 29. Januar 2020 beantragt der Kläger die Berichtigung der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 22. Januar 2020 mit im Wesentlichen folgenden Begründungen:
(1) Die Tür zum Gerichtsgebäude sei um 11.20 Uhr verschlossen, das Gerichtsgebäude zu diesem Zeitpunkt nicht frei zugänglich und die Öffentlichkeit damit nicht mehr gewährleistet gewesen. Letzteres gelte ebenso aufgrund der schikanösen Einlasskontrollen vor Beginn der Verhandlung.
(2) Der Zutritt in das erste Obergeschoss sei dem Kläger verwehrt worden.
(3) Die Videoüberwachung im Gerichtsgebäude und im Sitzungssaal verstoße gegen die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und sei rechtswidrig.
(4) Der Senatsvorsitzende habe dem Kläger während der mündlichen Verhandlung das Mitschreiben untersa...