rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufrechnung von Kindergeldansprüchen durch die Familienkasse mit noch nicht fälligen Einkommensteuerforderungen des FA gegen den Kläger. Voraussetzungen einer wirksamen Aufrechnung. Kindergeld/Aufrechnung mit Forderung des Finanzamtes
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Aufrechnungserklärung ist unwirksam, wenn sie vor Fälligkeit der Gegenforderung erfolgt. Der spätere Eintritt der Fälligkeit heilt die Unwirksamkeit nicht (hier: Aufrechnung von fälligen Kindergeldansprüchen durch die Familienkasse mit noch nicht fälligen Einkommensteuerforderungen des Finanzamts).
2. Bei Streitigkeiten über die Wirksamkeit einer Aufrechnungserklärung ist durch Abrechnungsbescheid zu entscheiden.
Normenkette
EStG § 75 Abs. 1, § 76; AO § 226 Abs. 1; BGB §§ 387, 394; AO § 226 Abs. 4, § 218 Abs. 2
Tenor
1. Der Bescheid vom 25. September 2001 und die Einspruchsentscheidung vom 17. Oktober 2002 werden aufgehoben.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Dem Antrag des derzeit in Kroatien wohnenden Klägers vom 3. September 2001 auf nachträgliche Gewährung von Kindergeld gab der Beklagte, das Arbeitsamt … (Familienkasse), mit Bescheid vom 10. September 2001 statt und setzte für den Zeitraum Juli 1997 bis Juli 1998 Kindergeld in Höhe von 5.720 DM fest. Der Bescheid wurde bestandskräftig.
Die Familienkasse zahlte das Kindergeld indes nicht aus, sondern informierte das Finanzamt … (FA) über den Kindergeldanspruch. Das FA änderte daraufhin die Einkommensteuerbescheide 1997 und 1998 (adressiert an einen Lohnsteuerhilfeverein) und berücksichtigte das dem Kläger zustehende Kindergeld. Dies führte zu Einkommensteuernachforderungen von insgesamt 5.241 DM (1997: 2.640 DM; 1998: 2.601 DM).
Mit Bescheid vom 25. September 2001 rechnete die Familienkasse die Ansprüche des Klägers mit den Ansprüchen des FA auf und setzte fest, dass an den Kläger noch 479 DM auszuzahlen sind. Gegen diese Abrechnung legte der Kläger fristgerecht Einspruch ein, den die Familienkasse mit Einspruchsentscheidung vom 17. Oktober 2002 zurückwies.
Hiergegen richtet sich die Klage. Der Kläger macht geltend, die Familienkasse müsse das Kindergeld in voller Höhe an ihn auszahlen, da eine Aufrechnung gemäß § 75 und § 76 Einkommensteuergesetz i.V.m. § 226 Abgabenordnung (AO) und § 394 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nicht zulässig sei.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Familienkasse vom 25. September 2001 und die Einspruchsentscheidung vom 17. Oktober 2001 aufzuheben, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Familienkasse beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Schreiben vom 3. Dezember 2002 teilte die Familienkasse mit, dass die Einkommensteuerbescheide des FA vom 28. September 2001 datieren und die Einkommensteuernachzahlungen zum 2. Dezember 2001 fällig wurden.
Entscheidungsgründe
II.
Die Klage ist begründet. Die Familienkasse hat die Aufrechnung nicht wirksam erklärt.
1. Die Erklärung einer Aufrechnung ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs kein Verwaltungsakt, sondern eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung, die mündlich, schriftlich oder auch durch konkludentes Handeln abgegeben werden kann. Die rechtsgestaltende Wirkung der Aufrechnung tritt ohne Mitwirkung des Erklärungsempfängers durch die Abgabe der Erklärung ein. Wird streitig, ob eine Aufrechnung wirksam erklärt worden ist, so hat die Verwaltung durch Abrechnungsbescheid zu entscheiden (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs vom 2. April 1987 VII R 148/83, BFHE 149, 482, BStBl II 1987, 536; vom 25. April 1989 VII R 105/87, BFH/NV 1990, 141 und vom 4. Februar 1997 VII R 50/96, BFHE 182, 276, BStBl II 1997, 479).
Im Streitfall hat die Familienkasse im Schreiben vom 25. September 2001 die Aufrechnung erklärt. Gleichzeitig erfüllt das Schreiben alle Anforderungen eines Abrechnungsbescheids. Der Senat geht daher davon aus, dass die Familienkasse nicht etwa fehlerhaft die Aufrechnung durch Verwaltungsakt regeln wollte, sondern in zulässiger Art und Weise die Aufrechnungserklärung mit einem Abrechnungsbescheid verbunden hat.
2. Die Aufrechnung mit dem Schreiben vom 25. September 2001 ging indes ins Leere, weil zu diesem Zeitpunkt die Aufrechnungslage noch nicht bestand (§ 226 Abs. 1 AO; § 387 BGB).
Voraussetzung für eine wirksame Aufrechnung ist es, dass der Hauptforderung eine Gegenforderung gegenübersteht. Die Gegenforderung, mit der aufgerechnet wird, muss fällig sein. Nach herrschender Meinung, der sich der Senat anschließt, ist eine Aufrechnungserklärung unwirksam, wenn sie vor Fälligkeit der Gegenforderung erfolgt. Der spätere Eintritt der Fälligkeit heilt die Unwirksamkeit nicht (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 12. Oktober 1983 VIII ZR 19/82, NJW 1984, 357; Finanzgericht Hamburg vom 6. April 1994, EFG 1994, 734; Tipke/Kruse, § 226 AO, Anm. 35; Helsper in Koch/Scholz, § 226 AO, Anm. 12; Rozek in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 226, Anm. 60; Beermann/Kögel, § 226 AO, Anm. 35; Stürner in Jauernig, BGB, § 388 Rz. 1).
Im Streitfall hat die Familienkasse di...