Entscheidungsstichwort (Thema)
Übergang des für eine GmbH. als einzige und zu 100 % am Vermögen einer GmbH & Co. KG beteiligten Kommanditistin- bei der KG festgestellten Verlusts nach § 15a EStG bzw. 10a GewStG auf die GmbH nach dem Ausscheiden der Komplementär-GmbH und der dadurch bedingten Beendigung der KG sowie der Anwachsung auf die GmbH
Leitsatz (redaktionell)
1. Ist eine GmbH als einzige Kommanditistin zu 100 % am Vermögen einer GmbH & Co. KG beteiligt und übernimmt sie nach dem entschädigungslosen Ausscheiden der Komplementär-GmbH aus der KG deren gesamtes Vermögen im Wege der Anwachsung als Gesamtrechtsnachfolgerin, so gehen die bei der KG festgestellten verrechenbaren Verluste nach § 15a EStG in Folge der liquidationslosen Vollbeendigung in Form der Anwachsung nicht unter, sondern stehen der GmbH als verrechenbare Verluste weiterhin zur Verfügung.
2. Wegen der Rechtsform als Kapitalgesellschaft und des dadurch bedingten einheitlichen Gewerbebetriebs darf die GmbH den zum 31.12. des Jahres der Anwachsung bei der KG für sie festgestellten verrechenbaren Verlust nach § 15a EStG mit ihren sonstigen Gewinnen verrechnen, allerdings nach dem Rechtsgedanken von § 15a EStG nicht schon im Wirtschaftjahr der Anwachsung, sondern erst in den der Anwachsung nachfolgenden Veranlagungszeiträumen.
3. Der Verlustfeststellungsbescheid der KG nach § 10a GewStG zum 31.12. des Jahres der Anwachsung ist ein Grundlagenbescheid für die Gewerbesteuermessbescheide der GmbH in den Folgejahren. Ist in dem Feststellungsbescheid bereits abschließend über die Höhe der vortragsfähigen Verluste der KG entschieden worden und sind Unternehmeridentität sowie Unternehmensidentität zum Zeitpunkt der Anwachsung bejaht worden, so besteht insoweit eine materielle Bindungswirkung für die Gewerbesteuermessbetragsbescheide der GmbH in den Folgejahren; das gilt auch dann, wenn der Feststellungsbescheid materiell fehlerhaft sein sollte.
4. Auch der bei der KG zum 31.12. des Jahres der Anwachsung nach § 10a Satz 6 GewStG festgestellte Gewerbeverlust kann daher von der GmbH nach der Beendigung der KG infolge der Anwachsung in den der Anwachsung nachfolgenden Veranlagungszeiträumen genutzt und mit ihren sonstigen Gewinnen verrechnet werden. Eine Fortführung der Tätigkeit der bisherigen KG durch die GmbH als Gesamtrechtsnachfolgerin ist für eine Verlustnutzung nicht erforderlich (Anschluss an FG Düsseldorf, Urteil v. 28.10.2010, 11 K 3637/09 F, EFG 2011 S. 477; Sächsisches FG, Urteil v. 7.9.2020, 5 K 114/19, DStRE 2022 S. 987).
Normenkette
EStG § 15a Abs. 1-2, 4; UmwStG 2006 § 4 Abs. 2 S. 2; GewStG § 2 Abs. 2 S. 1, § 10a Sätze 1, 6; BGB § 738 Abs. 1 S. 1; HGB § 27 Abs. 2, § 105 Abs. 3, § 161 Abs. 2; AO § 182 Abs. 1, § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Tenor
1. Dem Beklagten wird aufgegeben, den Körperschaftssteuerbescheid für 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung dahingehend zu ändern, dass vom Gesamtbetrag der Einkünfte ein Betrag in Höhe von 464.141,64 EUR für übernommene Verluste nach § 15a Einkommensteuergesetz abzuziehen ist sowie den Gewerbesteuermessbescheid für 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung dahingehend zu ändern, dass ein Verlustvortrag nach § 10a GewStG in Höhe von 1.095.945 EUR abgezogen wird. Das Ergebnis der Neuberechnung ist der Klägerin formlos mitzuteilen. Nach Rechtskraft der Entscheidung sind die Verwaltungsakte mit geändertem Inhalt neu bekanntzugeben.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Klägerin und der Beklagte tragen jeweils die Hälfte der Kosten des Verfahrens.
4. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
5. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob Verluste im Sinne des § 15a Einkommensteuergesetz (EStG) und des § 10a Gewerbesteuergesetz (GewStG), die für eine GmbH als am ganzen Vermögen einer KG beteiligten Kommanditistin entstanden sind, im Fall der Anwachsung auf die GmbH von dieser mit eigenen Gewinnen verrechnet werden können.
Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), die ihren Sitz in O. und damit im Zuständigkeitsbereich des Beklagten, dem Finanzamt (FA), hat. Gegenstände des Unternehmens sind der Betrieb einer Tierkörperbeseitigungs- und Verarbeitungsanstalt, einer Fleischmehlfabrik sowie alle sonstigen Tätigkeiten im Rahmen der Einsammlung, des Transports, der Verarbeitung von und des Handelns mit tierischen Nebenprodukten aller Art. Zudem erstreckt sich das Tätigkeitsfeld auch auf die Errichtung und den Betrieb der dazugehörigen Anlagen und technischen Einrichtungen.
Die Klägerin war als Kommanditistin an der B-GmbH & Co.KG (KG) zu 100 % beteiligt. Mit Gesellschafterbeschluss vom 21.12.2011 trat die B-Verwaltungs GmbH als Komplementärin zum 30.12.2011 entschädigungslos aus der KG aus.
Die Klägerin erfasste aufgrund der Anwachsung der Wirt...