Entscheidungsstichwort (Thema)
Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs bei Berichtigung von Rechnungsmängeln bezüglich der Bezeichnung des Leistungsempfängers
Leitsatz (redaktionell)
1. Sind mehrere Unternehmen einer Firmengruppe unter derselben Anschrift ansässig und sind in Eingangsrechnungen nicht das Unternehmen, das die jeweilige Leistung tatsächlich bezogen hat, sondern andere Unternehmen der Firmengruppe als Leistungsempfänger bezeichnet, so können diese Rechnungen nicht rückwirkend berichtigt werden. Werden von den Rechnungsausstellern nachträglich „berichtigte” Rechnungen unter Angabe des zutreffenden Leistungsempfängers erstellt, dann handelt es sich um die erstmalige Erstellung „richtiger” Rechnungen, die den Leistungsempfänger erst zum Zeitpunkt der Rechnungsberichtigung zum Vorsteuerabzug berechtigen; insoweit ist unerheblich, dass die ursprünglichen Rechnungen nur von von der tatsächlichen Leistungsempfängerin bezahlt bzw. verbucht worden sind und unstreitig kein Fall einer Hinterziehung vorliegt.
2. Die Nennung des vollständigen Namens und der Adresse des Leistungsempfängers stellt eine fundamentale Angabe jeder Rechnung dar, eine rückwirkende Berichtigung einer in dieser Hinsicht fehlerhaften Rechnung kommt unter Berücksichtigung der EuGH- und BFH-Rechtsprechung nicht in Betracht.
3. Voraussetzung einer wirksamen Rechnungsberichtigung ist eine ausreichende Bezugnahme der berichtigten Rechnung auf die zu berichtigende Rechnung (im Streitfall: Erstellung „neuer” Rechnungen unter dem alten Datum, aber mit nunmehr zutreffendem Leistungsempfänger; zumeist kein Hinweis auf eine Berichtigung).
4. Die Funktionsfähigkeit der unionsrechtlich vorgegebenen Allphasen-Umsatzsteuer mit Vorsteuerabzug setzt allgemein gültige Vorgaben zur Gewährung des Vorsteuerabzugs voraus, eventuelle besondere Gegebenheiten bei einzelnen Steuerpflichtigen können dabei nicht zu einer abweichenden Rechtsanwendung berechtigen.
Normenkette
UStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Sätze 1-2, § 14 Abs. 4 S. 1 Nr. 1, § 14a; MwStSystRL Art. 226 Nr. 5; UStDV § 31 Abs. 2, 5 S. 1
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens zu 86 Prozent und der Beklagte zu 14 Prozent.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob wegen Rechnungsmängeln bei der Bezeichnung des Leistungsempfängers berichtigte Rechnungen in den jeweiligen Streitjahren zum Vorsteuerabzug berechtigen oder ob die darin ausgewiesenen Vorsteuerbeträge erst im Jahr ihrer Berichtigung zum Abzug gebracht werden können.
Die Klägerin ist eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR). Im Streitjahr waren an der Klägerin verschiedene Mitglieder der Familie A und die A GmbH & Co. OHG (OHG) als Gesellschafter beteiligt. Die OHG betrieb eine Vorsorge- und Rehabilitationsklinik. Die Klägerin erzielte in den Streitjahren Umsätze aus der Vermietung und Verpachtung von eigenen oder geleasten Grundstücken, Gebäuden und Wohnungen. In den Streitjahren bezog die Klägerin steuerpflichtige Eingangsleistungen für den Umbau und die Renovierung eines Wellnes/Spa-Centers in B. Unter der Firmenadresse der Klägerin waren weitere Unternehmen der Familie A ansässig.
Ihre Umsatzsteuererklärung für 2009 reichte die Klägerin am 26. Januar 2011 (Frühleerung) bei dem Beklagten (dem Finanzamt; im Folgenden: FA) ein. Darin erklärte die Klägerin unter anderem Umsätze aus Lieferungen und sonstigen Leistungen zum Steuersatz von 19 Prozent i.H.v. EUR sowie Vorsteuerbeträge aus Rechnungen von anderen Unternehmen i.H.v. EUR, sie errechnete eine Umsatzsteuer von EUR. Am 23. Oktober 2012 reichte die Klägerin eine berichtigte Umsatzsteuererklärung für 2009 ein. Das FA folgte der Erklärung und setzte die Umsatzsteuer für 2009 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung mit Bescheid vom 30. November 2012 auf den Betrag von EUR fest.
Ihre Umsatzsteuererklärung für 2010 reichte die Klägerin am 14. Februar 2012 beim FA ein. Darin erklärt die Klägerin unter anderem Umsätze aus Lieferungen und sonstigen Leistungen zum Steuersatz von 19 Prozent i.H.v. EUR sowie Vorsteuerbeträge aus Rechnungen von anderen Unternehmen i.H.v. EUR, sie errechnete eine Umsatzsteuer von EUR. Nach der Durchführung einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung (Bericht vom 18. Mai 2012) setzte das FA die Umsatzsteuer für 2010 unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung mit Bescheid vom 8. Juni 2012 auf den Betrag von EUR herauf.
Ihre Umsatzsteuererklärung für 2011 reichte die Klägerin am 21. Februar 2013 beim FA ein. Darin erklärte die Klägerin unter anderem Umsätze aus Lieferungen und sonstigen Leistungen zu einem Steuersatz von 19 Prozent i.H.v. EUR sowie Vorsteuerbeträge aus Rechnungen von anderen Unternehmen i.H.v. EUR, sie errechnete eine Umsatzsteuer von EUR.
Am 8. Dezember 2014 erließ das FA eine ...