rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Inhaltsadressat bei einer Prüfungsanordnung für eine Personengesellschaft nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
Leitsatz (redaktionell)
Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist eine Prüfungsanordnung bei einer Personengesellschaft an den Insolvenzverwalter zu richten. Der Insolvenzverwalter tritt als Prüfungssubjekt an die Stelle des bisher steuerpflichtigen Gemeinschuldners und ist Inhaltsadressat der Prüfungsanordnung.
Normenkette
AO § 119 Abs. 1, § 125 Abs. 1; InsO § 80 Abs. 1
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass die Prüfungsanordnungen jeweils vom 28. November 2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidungen jeweils vom 11. Februar 2022 nichtig sind.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob Prüfungsanordnungen nichtig sind.
Mit Datum vom 20. November 2002 wurde die Gesellschaft „M-KG” (…) mit Sitz in T mit dieser Firma ins Handelsregister eingetragen (HRA …). Zum 11. Mai 2012 wurde die Firma in „A-KG” geändert. Die Gesellschaft ist beim Finanzamt (FA) X unter den Steuernummern (…) und (…) erfasst.
Über das Vermögen der „M-KG” wurde mit Beschluss des Amtsgerichts W (…) vom 10. August 2011 das vorläufige Insolvenzverfahren angeordnet und als vorläufige Insolvenzverwalterin „Rechtsanwältin B, B-Straße, B-Dorf” bestellt. Mit Beschluss vom 1. November 2011 wurde durch das Amtsgericht W (…) das Insolvenzverfahren eröffnet und als Insolvenzverwalterin „Rechtsanwältin B, B-Straße, B-Dorf” bestellt.
Im Rahmen einer Betriebsprüfung (BP) einer Konzerngruppe wurde das FA Y vom FA Z (als dem eigentlich für die Betriebsprüfung zuständigen FA) beauftragt, die Prüfung bei der Gesellschaft durchzuführen.
Das FA Y erließ mit Datum vom 28. November 2019 (unter der Steuernummer …) eine Prüfungsanordnung (PA 1) hinsichtlich der gesonderten und einheitlichen Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung (§ 180 Abs. 1 Nr. 2a Abgabenordnung – AO –), einschließlich des Gewerbesteuermessbetrags (§ 35 Abs. 2 Einkommensteuergesetz – EStG –) und des verrechenbaren Verlustes nach § 15a Abs. 4 EStG für 2012 und 2013. Außerdem erließ das FA Y ebenfalls mit Datum vom 28. November 2019 (unter der Steuernummer …) eine Prüfungsanordnung (PA 2) hinsichtlich Umsatzsteuer, Gewerbesteuer und gesonderter Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes nach § 10a Gewerbesteuergesetz (GewStG) zum 31. Dezember für 2012 und 2013. Die Prüfungsanordnungen waren im Adressfeld adressiert an „Rechtsanwältin B, B-Straße, B-Dorf” und führten aus, dass bei der „M-KG i. Ins., (…)” (PA 1) bzw. bei der „M-KG (Insolvenzverfahren Massekosten)” (PA 2) eine Außenprüfung nach § 193 Abs. 1 AO angeordnet wird. Weiter wurde jeweils ausgeführt, die Prüfungsanordnung ergehe „an Sie als Empfangsbevollmächtigten mit Wirkung für und gegen alle Feststellungsbeteiligten (§ 183 Abs. 1 AO)”. Für weitere Einzelheiten wird auf die PA 1 (…) und PA 2 (…) verwiesen.
Jeweils mit Schreiben vom 30. Dezember 2019 legte die Klägerin Einspruch gegen die Prüfungsanordnungen ein. Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, die Prüfungsanordnungen seien nicht wirksam bekannt gegeben worden. Die Verwaltungsakte seien namentlich an den Insolvenzverwalter zu richten mit dem Zusatz, dass sie an ihn in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen des ebenfalls namentlich benannten Insolvenzschuldners ergehen würden. Ergänzend wurde ausgeführt, die Prüfungsanordnungen seien wegen inhaltlicher Unbestimmtheit nichtig. Die Klägerin sei nicht Empfangsbevollmächtigte, sondern als Insolvenzverwalterin Partei kraft Amtes. Der Inhaltsadressat sei jeweils in zweifacher Hinsicht falsch, da der Zusatz „in ihrer Eigenschaft als Insolvenzverwalterin” fehle und darüber hinaus die Steuerschuldnerin seit 2012 im Handelsregister unter „A-KG” geführt werde. Eine Heilung sei im Streitfall nicht möglich.
Jeweils mit Schreiben vom 27. Mai 2020 (…) ergänzte das FA die Prüfungsanordnungen jeweils um den Zusatz, dass sie an die Klägerin in ihrer Eigenschaft als Insolvenzverwalterin ergehen. Mit Schreiben vom 24. August 2020 ergänzte das FA die Prüfungsanordnungen wie folgt: „bei Rechtsanwältin B, B-Straße, B-Dorf wird in ihrer Funktion als Insolvenzverwalterin der A-KG (ehemals M-KG) eine Außenprüfung durchgeführt.” Außerdem wurde der Passus „die Prüfungsanordnung ergeht an Sie als Empfangsbevollmächtigte mit Wirkung für und gegen alle Feststellungsbeteiligten” jeweils gestrichen. Für weitere Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 24. August 2020 (…) verwiesen.
Jeweils mit Einspruchsentscheidung vom 11. Februar 2022 wies das FA Y die Einsprüche als unbegründet zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Prüfungsanordnungen se...