Kein Werbungskostenabzug für ausschließlich durch ein Insolvenzverfahren verursachte Aufwendungen
Etwas anderes kann jedoch für solche Aufwendungen gelten, die zwar ihre Ursache in einer durch den Insolvenzverwalter durchgeführten Verwertungsmaßnahme haben, aber auch angefallen wären, wenn der Steuerpflichtige das Wirtschaftsgut außerhalb eines Insolvenzverfahrens veräußert hätte.
Hintergrund: Gesetzliche Vorgaben
- Nach § 22 Nr. 2 EStG zählen zu den sonstigen Einkünften auch Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften im Sinne des § 23 EStG. Dazu gehören gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als 10 Jahre beträgt.
- Gewinn oder Verlust aus Veräußerungsgeschäften i. S. v. § 23 Abs. 1 EStG ist der Unterschied zwischen Veräußerungspreis einerseits und den Anschaffungs- oder Herstellungskosten und den Werbungskosten andererseits (§ 23 Abs. 3 Satz 1 EStG).
- Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen.
Sachverhalt: Verwertung von Grundstücken durch Insolvenzverwalterin
Im Jahr 2016 wurde über das Vermögen der Klägerin aufgrund von Fremdinsolvenzanträgen das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Insolvenzverwalterin verwertete im Streitjahr 2017 zwei in den Jahren 2009 und 2010 erworbene, vermietete Mehrfamilienhäuser. Diesbezüglich erklärte die Klägerin in ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr einen Gewinn aus privaten Veräußerungsgeschäften. Mit unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenem Einkommensteuerbescheid 2017 berücksichtigte das FA hiervon geringfügig abweichend einen Gewinn aus privaten Veräußerungsgeschäften. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Im Jahr 2020 wurde das Insolvenzverfahren beendet. Einer Restschuldbefreiung bedurfte es wegen der vollständigen Befriedigung der Gläubiger der Klägerin aufgrund der Verwertung deren Vermögens im Rahmen des Insolvenzverfahrens nicht.
Im Juli 2021 beantragte die Klägerin den Abzug von „Kosten des Insolvenzverfahrens“ als Werbungskosten bei den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften. Dies lehnte das FA ab. Einspruch und Klage waren erfolglos.
Klägerin verfolgt ihr Begehren im Revisionsverfahren weiter
Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, es bestehe ein objektiver Veranlassungszusammenhang zwischen der Veräußerung der Vermietungsobjekte und den Kosten des Insolvenzverfahrens, da die Insolvenzverwalterin infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit schuldrechtlicher und dinglicher Wirkung für sie – die Klägerin – als Schuldnerin gehandelt habe. Im Übrigen sei der Fremdinsolvenzantrag eines der Gläubiger jedenfalls durch die Vermietungstätigkeit verursacht gewesen. Zudem bestehe ein subjektiver Veranlassungszusammenhang. Im hier vorliegenden – atypischen – Fall eines Insolvenzverfahrens trotz ausreichend Schuldnervermögens stehe die gleichmäßige Befriedigung nicht im Vordergrund. Vielmehr sei die Insolvenzverwalterin treuhänderisch im Rahmen eines Geschäftsbesorgungsverhältnisses im Interesse der Klägerin als Schuldnerin tätig geworden, sodass die Handlungen der Insolvenzverwalterin ihrer einkünftebezogenen Sphäre zuzuordnen seien. Die vorliegende Situation sei mit der einer Zwangsverwaltung vergleichbar, deren Kosten abzugsfähig seien.
Entscheidung: BFH hebt Urteil des FG auf und verweist Sache zurück
Der BFH entscheidet, dass die Revision begründet ist. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen. Zwar ist dem FG zuzustimmen, dass eine steuerliche Berücksichtigung von Kosten des Insolvenzverfahrens als Werbungskosten bei den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften bzw. bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung grundsätzlich zu versagen ist. Dies gilt jedoch nur für solche Aufwendungen, die ausschließlich durch das Insolvenzverfahren veranlasst sind und keiner Einkunftsquelle zugeordnet werden können. Die hierzu erforderlichen Feststellungen wird das FG im zweiten Rechtsgang nachzuholen haben.
Kein Werbungskostenabzug bei Veräußerungsgeschäften
Die von der Klägerin geltend gemachten, ausschließlich durch das Insolvenzverfahren veranlassten Aufwendungen können nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften berücksichtigt werden.
- Der Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG wurde durch die Verwertung der Vermietungsobjekte durch die Insolvenzverwalterin erfüllt. Zwar veräußerte die Klägerin nicht selbst, da sie die Befugnis, ihr Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, verloren hatte. Ihr sind jedoch die (willentlichen) Veräußerungen der Insolvenzverwalterin für steuerliche Zwecke als eigene zuzurechnen. Denn ein Insolvenzverwalter handelt steuerlich nicht auf eigene Rechnung, sondern als Vermögensverwalter (§ 34 Abs. 3 AO).
- Für einen Werbungskostenabzug von Aufwendungen ist Voraussetzung, dass zwischen den Aufwendungen und den steuerpflichtigen Einnahmen ein Veranlassungszusammenhang besteht. Eine derartige Veranlassung liegt vor, wenn (objektiv) ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit der auf die Einkünfteerzielung gerichteten Tätigkeit besteht und (subjektiv) die Aufwendungen zur Förderung der Einkünfteerzielung getätigt werden. Maßgeblich ist, ob bei wertender Beurteilung das auslösende Moment für das Entstehen der Aufwendungen der einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre zuzuordnen ist.
- Hieran gemessen ist die Würdigung des FG, dass die im Streit stehenden Aufwendungen nicht durch die Veräußerung der beiden Vermietungsobjekte veranlasst gewesen seien, jedenfalls insoweit nicht zu beanstanden, als es sich um Kosten handelt, die in einem ausschließlichen Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin standen.
- Von der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist bereits entschieden, dass die Vergütung eines Insolvenztreuhänders im Verbraucherinsolvenzverfahren dem Privatbereich des Steuerpflichtigen zuzuordnen ist und daher nicht als Werbungskosten abgezogen werden kann. Dieser Rechtssatz gilt auch für ein Regelinsolvenzverfahren.
Schuldnervermögen und Zwangsverwaltung nicht entscheidungserheblich
Der Würdigung des FG steht nicht entgegen, dass es sich – wie die Klägerin meint – um einen „atypischen Fall“ eines Insolvenzverfahrens gehandelt haben soll. Ungeachtet des pauschalen und unbelegten Vortrags eines „atypischen Falls“ fehlt es bereits an der Feststellung eines solchen durch die Vorinstanz. Im Übrigen steht es der Versagung eines Veranlassungszusammenhangs zwischen den Aufwendungen für das Insolvenzverfahren und der Erzielung von Einkünften aus einem privaten Veräußerungsgeschäft durch die Verwertung der Vermietungsobjekte nicht entgegen, dass bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausreichend Vermögen zur vollständigen Befriedigung sämtlicher Gläubiger vorhanden war. Insbesondere wird die Insolvenzverwalterin in einem solchen Fall auch nicht als Treuhänderin im Wege einer Geschäftsbesorgung tätig. Denn auch insoweit erfolgte die Verwertung der Vermietungsobjekte nicht zum Zwecke der Erzielung von Einkünften für die Klägerin.
Entgegen dem pauschalen Vorbringen der Klägerin ist bereits nicht ohne Weiteres ersichtlich, dass die durch die Zwangsverwaltung verursachten Aufwendungen als Werbungskosten abziehbar sein sollten. Auch insoweit kommt es auf die jeweils tatrichterliche Würdigung an, inwiefern ein Veranlassungszusammenhang zwischen den Aufwendungen und der einen Einkünftetatbestand erfüllenden Tätigkeit besteht. Gegen die Annahme eines entsprechenden Veranlassungszusammenhangs spricht jedenfalls, dass die Tätigkeiten des Verwalters im Rahmen der Zwangsverwaltung nach dem gesetzlichen Leitbild primär nicht der Erzielung von Einkünften dienen.
Zurückverweisung der Sache geboten
Die nicht spruchreife Sache ist an die Vorinstanz zurückzuverweisen. Der Senat kann auf Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht entscheiden, ob sämtliche der von der Klägerin geltend gemachten Aufwendungen vom Werbungskostenabzug ausgeschlossen sind. Denn das FG hat nicht festgestellt, inwieweit es sich bei den „Kosten des Insolvenzverfahrens“ um ausschließlich durch jenes Verfahren verursachte Aufwendungen oder aber um solche gehandelt hat, die zwar im Rahmen des Insolvenzverfahrens angefallen sind, jedoch vordergründig durch eine einen Einkünftetatbestand verwirklichende Tätigkeit der Klägerin veranlasst worden und daher steuerlich berücksichtigungsfähig sind.
BFH, Urteil v. 13.8.2024, IX R 29/23; veröffentlicht am 31.10.2024
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