Leitsatz
1. Die Beurteilung, ob Aufwendungen durch eine einen Einkünftetatbestand verwirklichende Tätigkeit oder privat veranlasst sind, obliegt in erster Linie der tatrichterlichen Würdigung des Finanzgerichts.
2. Die ausschließlich durch ein (Regel‐)Insolvenzverfahren verursachten Aufwendungen sind der privaten Vermögenssphäre des Steuerpflichtigen zuzuordnen und daher nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften gemäß § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes abziehbar. Dies gilt nicht für solche Aufwendungen, die zwar ihre Ursache in einer durch den Insolvenzverwalter durchgeführten Verwertungsmaßnahme haben, aber auch angefallen wären, wenn der Steuerpflichtige das Wirtschaftsgut außerhalb eines Insolvenzverfahrens veräußert hätte und in einem solchen Fall als Werbungskosten abziehbar wären.
Normenkette
§ 9 Abs. 1 Satz 1, § 21, § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1, § 33 EStG, § 118 Abs. 2 FGO, § 1 Satz 1 InsO
Sachverhalt
Im Jahr 2016 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin eröffnet. Die Insolvenzverwalterin verwertete im Streitjahr 2017 zwei in den Jahren 2009 und 2010 erworbene, vermietete Mehrfamilienhäuser. Im Jahr 2020 wurde das Insolvenzverfahren beendet. Einer Restschuldbefreiung bedurfte es wegen der vollständigen Befriedigung der Gläubiger der Klägerin aufgrund der Verwertung deren Vermögens im Rahmen des Insolvenzverfahrens nicht.
Die Klägerin erklärte Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften aus dem Verkauf der Vermietungsobjekte und begehrte später mit Änderungsantrag (§ 164 Abs. 2 AO) den Ansatz verschiedener Kosten im Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren als Werbungskosten. Dabei handelte es sich unter anderem um Kosten der Insolvenzverwaltung, Verwertungskosten, Nebenkosten des Geldverkehrs, sonstige Gerichtskosten, Steuerberatungskosten etc.
Das FA lehnte den Änderungsantrag ab. Einspruch und Klage waren erfolglos.
Das FG verneinte Werbungskosten, weil das Insolvenzverfahren primär dazu diene, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt wird. Es bestehe kein sachlicher Zusammenhang mit der Einkünfteerzielungssphäre des Steuerpflichtigen (FG Hamburg, Urteil vom 19.10.2023, 1 K 97/22, Haufe-Index 16192285, EFG 2024, 647).
Entscheidung
Der BFH hat die Vorentscheidung aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen. Das FG wird zu ermitteln haben, inwieweit die streitigen Aufwendungen ausschließlich durch das Insolvenzverfahren veranlasst worden sind oder vordergründig einer Einkunftsquelle zuzuordnen gewesen wären, wenn die Klägerin außerhalb eines Insolvenzverfahrens die Grundstücke selbst veräußert hätte; dies gilt insbesondere für die geltend gemachten "Verwertungskosten".
Hinweis
Im Streitfall ging es darum, ob Kosten eines Insolvenzverfahrens als Werbungskosten zu Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften berücksichtigt werden können. Die Insolvenzverwalterin hatte zwei Grundstücke der Klägerin veräußert.
1. Gewinn oder Verlust aus Veräußerungsgeschäften (§ 23 Abs. 1 EStG) ist der Unterschied zwischen Veräußerungspreis einerseits und den Anschaffungs- oder Herstellungskosten und den Werbungskosten andererseits. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen. Zwischen den Aufwendungen und den steuerpflichtigen Einnahmen muss ein Veranlassungszusammenhang bestehen, was gegeben ist, wenn (objektiv) ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit der auf die Einkünfteerzielung gerichteten Tätigkeit besteht und (subjektiv) die Aufwendungen zur Förderung der Einkünfteerzielung getätigt werden. Maßgeblich ist, ob bei wertender Beurteilung das auslösende Moment für das Entstehen der Aufwendungen der einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre zuzuordnen ist. Die Beurteilung obliegt dem Tatrichter.
2. Das FG hatte auf das BFH, Urteil vom 4.8.2016, VI R 47/13, BFH/NV 2024, 1463, Haufe-Index 9805077, BStBl II 2017, 276, verwiesen und den Ansatz sämtlicher Kosten als Werbungskosten verwehrt. Die genannte BFH-Entscheidung verhielt sich jedoch nur zur Vergütung eines Insolvenzverwalters, wohingegen vorliegend eine Vielzahl von verschiedenen Kostenpositionen im Streit stand. Entscheidend ist, dass das Insolvenzverfahren nach § 1 Satz 1 InsO dazu dient, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt wird. Der BFH hat diese Rechtsprechung im Streitfall fortgeführt und präzisiert.
Nicht abziehbar sind danach die Aufwendungen, die ausschließlich durch das Insolvenzverfahren verursacht worden sind. Dagegen sind diejenigen Aufwendungen zum Abzug zuzulassen, die steuerlich berücksichtigungsfähig gewesen wären, wenn die Klägerin die Vermietungsobjekte außerhalb eines Insolvenzverfahrens selbst veräußert hätte. Oder um es vereinfacht zu sagen: die Aufwendungen wären bei einem Verk...