Entscheidungsstichwort (Thema)

Kompetenz des Bundesministeriums der Finanzen zur Erstellung von Muster für den Ausdruck von LSt-Karten sowie für die Eintragungen, die darauf vorzunehmen sind. Befugnis der Gemeinden als örtlicher Finanzbehörden, Eintragungen zur Konfessionszugehörigkeit auf den LSt-Karten vorzunehmen und diese an die Arbeitgeber weiter zu leiten. Negative Konfessionsfreiheit und Fragerecht nach Art. 136 Abs. 3 Satz 2 WRV. Ausweis der Religionszugehörigkeit auf der Lohnsteuerkarte 2002

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Recht und die Pflicht des Bundesministeriums der Finanzen, die jährlichen LSt-Karten-Muster mit einer Rubrik über den KLSt-Abzug zu versehen und allgemeine Verwaltungsanweisungen über die darauf vorzunehmenden Eintragungen zu erlassen, folgt für den bayerischen Hoheitsbereich aus Art. 13 Abs. 1 Satz 2 BayKirchStG i.V.m. §§ 3942 f EStG.

2. Die Gemeinde als örtliche Finanzbehörde (Art. 13 Abs. 2 Satz 2 BayKirchStG i.V.m. § 39 Abs. 6 Satz 1 EStG) ist zur Vornahme von Eintragungen über die Religionszugehörigkeit auf den LSt-Karten befugt. Sie darf in diesem Zusammenhang den Arbeitnehmer auch befragen, ob er einer kirchensteuererhebungsberechtigten Religionsgemeinschaft angehört.

3. Auch homosexuellen Arbeitnehmern sind Eintragungen mit dem Inhalt „–” („kein Kirchensteuerabzug”) zumutbar.

 

Normenkette

EStG § 39 Abs. 1 S. 1, Abs. 6 S. 1; BayKirchStG Art. 13 Abs. 1 S. 2; GG Art. 140 i.V.m; VVRV Art. 136 Abs. 3 S. 2; BV Art. 107 Abs. 5 S. 2; BayKirchStG Art. 18 Abs. 1 S. 1, Art. 17 Abs. 2 S. 1; AO § 88 Abs. 1 i.V.m, § 92 S. 2 Nr. 1, § 78 Nr. 2 i.V.m, § 93 Abs. 1 S. 1, § 30 Abs. 5 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1a

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

I.

Die zuständige Gemeinde stellte dem Kläger, einem als Rechtsanwalt selbständig Tätigen, aber als Cheflektor nichtselbständig Tätigen, im September 2001 die Lohnsteuer-Karte 2002 aus, auf der unter der Rubrik „Kirchensteuerabzug” vermerkt war: „–”. Mit den zwei Strichen wird dem Arbeitgeber des Klägers deutlich gemacht, dass eine Kirchenlohnsteuer nicht einzubehalten ist (s. Lohnsteuer-Handbuch 2002, Abschn. R 108 Abs. 4 Satz 4 und H. 108 Abs. 1; ferner BMF-Schreiben vom 17. Juli 2001, BStBl I 2001, 480 mit Muster S. 482).

Mit Schreiben vom 9. Oktober 2001 beantragte der Kläger beim Beklagten (Finanzamt –FA–), ihm eine Lohnsteuer-Karte 2002 ohne Aufdruck zu Angaben über die Religionszugehörigkeit zuzusenden. Dies lehnte das FA mit Schreiben vom 11. Oktober 2001 ab.

Das gem. § 39 Abs. 6 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zuständige FA wies den dagegen eingelegten Einspruch als unbegründet zurück (Einspruchsentscheidung vom 6. November 2001, Bl. 6 –11 FA-Akte, grünes Geheft).

Bereits gegen die Lohnsteuer-Karte 1997 hatte sich der Kläger mit dem Antrag gewandt, ihm eine Lohnsteuer-Karte ohne jede Angabe der Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft auszustellen, was das FA mit Verfügung vom 29. November 1996 ablehnte. Einspruch, Klage und Nichtzulassungsbeschwerde blieben erfolglos (Urteil des FG München vom 24. November 1998 – 13 K 4538/97, Entscheidungen der Finanzgerichte –EFG– 1999, 299, Bl. 86 –97 FG-Akte 13 K 4538/97; Beschluss des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 9. August 2000 VI B 23/99, Bl. 113 a.a.O.). Die Verfassungsbeschwerde wurde vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nicht zur Entscheidung angenommen (Beschluss vom 25. Mai 2001 – 1 BvR 2253/00, Bl. 114, a – d a.a.O.).

Auch die gegen die Lohnsteuer-Karte 1998 gerichtete Fortsetzungsfeststellungsklage blieb erfolglos (Urteil vom 30. Juli 2001 – 13 K 1668/01, rechtskräftig, Bl. 62 –68 FG-Akte 13 K 1668/01).

Mit seiner Klage gegen die Lohnsteuer-Karte 2002 hält der Kläger daran fest, dass die Angabe „–” gegen sein aus Art. 4 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) ableitbares Recht auf negative Bekenntnisfreiheit sowie gegen sein Recht aus Art. 140 GG i.V.m. Art. 136 Abs. 3 Satz 1 der Weimarer Reichsverfassung (WRV) verstoße. Er trägt insbesondere vor, dass die Religionsfreiheit nur durch förmliches Gesetz eingeschränkt werden könne. Es fehle sowohl an einer gesetzlichen Grundlage für die Pflicht, die Religionszugehörigkeit auf der Lohnsteuer-Karte anzugeben, als auch für das Recht, die Religionszugehörigkeit dem Arbeitgeber zugänglich zu machen. Des Weiteren macht er Ausführungen darüber, dass es für ihn als Homosexuellen nicht zumutbar sei, in ein hoheitliches Verfahren zwangsweise einbezogen zu werden, das es einzelnen gesellschaftlichen Gruppierungen erlaube, wesentlich problemloser als alle anderen gesellschaftlichen Gruppen ihre Mitgliedsbeiträge einzuziehen. Dies umso mehr, als die beiden Großkirchen nachdrücklich das Ziel verföchten, wesentliche Teile der Persönlichkeit des In-Pflicht-Genommenen in Frage zu stellen und mit ideologischen Vorurteilen und Abwertungen in den Schmutz zu ziehen.

Im Übrigen verweist der Einzelrichter auf den Schriftsatz vom 23. November 2001.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung der Verfügung vom 11. Oktober 2001 und der Einspruch...

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