rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung der Vorschrift des § 78 EStG a.F.. Keine Aufrechterhaltung eines Inlandswohnsitzes bei von vornherein auf mehr als ein Jahr angelegtem Auslandsaufenthalt und achtwöchigem Ferienaufenthalt

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Wurde anlässlich eines Sozialgerichtsverfahrens rückwirkend Kindergeld bis einschließlich Dezember 1995 gewährt und ein Kindergeldaufhebungsbescheid für die Jahre ab 1996 zunächst nicht erlassen, wird dem Begehren auf Kindergeldfestsetzung auch für die Jahre ab 1996 i.S. des § 78 Abs. 1 EStG a.F. Rechnung getragen.

2. Begibt sich ein Kind zum Zweck einer Schul- und Berufsausbildung zu Verwandten nach Thailand, so dass der Auslandsaufenthalt von vornherein auf mehrere Jahre angelegt ist, besteht der Inlandswohnsitz i.S. des § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG bei nur einem achtwöchigen und ansonsten zwei- bis dreiwöchigen Inlandsaufenthalten pro Jahr nicht fort.

 

Normenkette

EStG § 63 Abs. 1 S. 3; EStG a.F. § 78; AO §§ 8, 171 Abs. 3a, § 169 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 2, § 155 Abs. 4; EStG § 31 S. 3

 

Tenor

1. Der Bescheid über die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung vom 11. Februar 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. März 2002 wird insoweit aufgehoben, als er den Zeitraum Januar 1996 bis einschließlich Dezember 1997 betrifft. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 5/7 und der Beklagte zu 2/7.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob dem Kläger für seine Stieftochter, geboren am 20. Januar 1977, Kindergeld ab dem 1. Januar 1996 zusteht.

Der Kläger ist seit 27. Dezember 1990 mit einer Thailänderin verheiratet und Stiefvater deren Tochter P. P hielt sich laut amtlicher Bescheinigung der Gemeinde H seit 4. April 1992 in Deutschland auf und wohnte beim Kläger. Laut Aufenthaltsbescheinigung der Stadt M vom 28. August 2001 zog sie am 15. Mai 1993 nach M und hatte den Hauptwohnsitz in der AStraße.

Am 19. Mai 1995 ging sie zurück nach Thailand und besuchte nach Abschluss des Gymnasiums in S, Thailand vom 1. Juni 1996 bis 25. März 1998 die Berufsschule für Buchhaltung und Handel, Fachbereich Betriebswirtschaft, in Bangkok. Ab dem 9. Juni 1998 studierte sie Philologie mit Studienschwerpunkt Englisch an der Universität B und lebte auch nach diesem Zeitpunkt weiterhin in Thailand.

Nach Angabe des Klägers hatte die Stieftochter in der Zeit von Januar 1996 bis Juli 1999 folgende Aufenthalte in Deutschland:

Ausreise Thailand

Einreise Deutschland

Wiedereinreise Thailand

27. April 1996

22. Mai 1996

2. Oktober 1996

6. November 1996

9. April 1997

26. April 1997

12. Juli 1997

26. Juli 1997

4. Oktober 1997

1. November 1997

18. Mai 1998

19. Mai 1998

25. Mai 1998

12. Juli 1999

26. Juli 1999.

Die Agentur für Arbeit D – Familienkasse (= der Beklagte) – hatte dem Kläger anlässlich eines Sozialgerichtsverfahrens für den Zeitraum ab Mai 1994 mit Bescheid vom 10. Dezember 1999 Kindergeld bis einschließlich Dezember 1995 gewährt. Mit Bescheid vom 11. Februar 2002 nach § 70 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) in der im Streitjahr geltenden Fassung hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung ab Januar 1996 mit der Begründung auf, dass P im Inland weder Wohnsitz noch gewöhnlichen Aufenthalt habe.

Mit der dagegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren (vgl. Einspruchsentscheidung vom 25. März 2002) erhobenen Klage begehrt der Kläger weiterhin Kindergeld für seine Tochter ab Januar 1996. Zur Begründung trägt er vor, die Tochter habe trotz der Rückkehr nach Thailand, um nach Abschluss des dortigen Abiturs Betriebswirtschaftslehre und Englisch zu studieren, von Anfang an die feste Absicht gehabt, nach Abschluss des Studiums nach Deutschland zurückzukehren und bei einem deutschen Arbeitgeber Arbeit zu finden. Seit Januar 1999 habe sie in Thailand eine IT-Fachausbildung absolviert, wie die beigefügte Schulbestätigung für den Zeitraum 16. Januar 1999 bis 22. Dezember 2000 belege.

Es sei von ihr bisher und auch weiterhin beabsichtigt gewesen, bei der B-AG, bei der er seit über 33 Jahren beschäftigt sei, eine Ausbildung durchzuführen, was sich aus der vorgelegten Bewerbung bei der B-AG ergebe, die P dort in ihren Semesterferien am 19. Juli 1999 eingereicht habe. Die Ausbildung habe zuerst in Deutschland stattfinden sollen. Eine Entsendung nach Thailand sei erst zu einem späteren Zeitpunkt vorgesehen gewesen.

Die Tochter habe im elterlichen Reihenhaus in M, in dem sie den Hauptwohnsitz habe und gemeldet sei, ein komplettes, eigens für sie umgebautes Dachstudio mit Wohnzimmer, Schlafzimmer und Duschbad mit einer Gesamtgröße von ca. 29 qm zur Verfügung, das mit ihren eigenen Möbeln eingerichtet sei. Dort befänden sich große Teile der Winter- bzw. Sommergarderobe, insbesondere die Wander- und Sportsch...

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