Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeld für im Ausland lebende Kinder. inländischer Wohnsitz
Leitsatz (redaktionell)
Ein Kind mit deutscher Staatsangehörigkeit, das bei der Mutter im Ausland lebt und dort die Schule besucht und sich beim Vater im Inland nur für wenige Wochen im Jahr während der Schulferien aufhält, ist nicht unbeschränkt steuerpflichtig; ein Kindergeldanspruch besteht für dieses Kind nicht.
Normenkette
EStG § 62 Abs. 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1; AO §§ 8, 173 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Streitig, ob die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für die Tochter S zu Recht erfolgt ist.
Der Kläger bezog für seine am …1986 geborene Tochter S Kindergeld. Er ist seit Oktober 1991 von Frau K, der Mutter des gemeinsamen Kindes, geschieden. Frau K zog 1991 mit S nach Kalifornien, USA. S, die weiterhin die deutsche Staatsangehörigkeit besaß, wurde dort eingeschult, besuchte zunächst die Elementary School, später die High School und ab Herbst 2004 das College. S's Mutter verstarb im … 2001. Seither lebt S bei einer Pflegefamilie in Kalifornien.
Am 31. März 2004 legte der Kläger der beklagten Familienkasse eine Schulbescheinigung der High School in den USA vor und teilte in einem Begleitschreiben vom 30. März 2004 mit, dass S in den USA lebe und – nach Abschluss der High School im Juni 2004 – ab September 2004 für voraussichtlich vier Jahre das College besuchen werde. Die Familienkasse hob mit Verwaltungsakt vom 9. August 2004 die Kindergeldbewilligung nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG) für den Zeitraum Januar 1991 bis Dezember 1995 auf und hob mit Verwaltungsakt vom 9. August 2004, Az. 815/202675 die Kindergeldfestsetzung nach dem Einkommensteuergesetz (EStG) mit Wirkung ab Januar 1996 nach § 70 Abs. 2 EStG auf, da das Kind weder einen Wohnsitz, noch einen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland habe. Die Bescheide vom 9. August 2004 wurden durch die Bescheide vom 20. Oktober 2004 ersetzt. Der gegen den Aufhebungsbescheid betreffend Kindergeld ab Januar 1996 eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 4. November 2004). Ebenso ist der Widerspruch gegen den Aufhebungsbescheid für den Zeitraum 1991 bis 1995 mit Widerspruchsbescheid vom 29. November 2004 als unbegründet zurückgewiesen worden.
Mit der gegen den Kindergeldaufhebungsbescheid betreffend Kindergeld nach dem EStG eingelegten Klage trägt der Kläger vor, der Aufhebungsbescheid sei bereits formell rechtswidrig, weil der Bewilligungsbescheid bestandkräftig sei und die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Festsetzung nicht vorlägen. Dem Beklagten seien bereits seit 1991 alle für die Kindergeldfestsetzung maßgeblichen Tatsachen bekannt. Auch materiell-rechtlich habe der Kläger das Kindergeld zu Recht bezogen, denn seine Tochter habe ihren Wohnsitz im Inland nicht aufgegeben. Er habe in seiner Wohnung ganzjährig ein eigenes Zimmer für S bereitgehalten, das nach ihren Bedürfnissen eingerichtet sei und über das sie jederzeit verfügen könne. S verbringe jedes Jahr mehrere Wochen in den Ferien beim Kläger und sehe seine Wohnung auch als ihre Wohnung an. Da es ihr in Deutschland sehr gefalle, wolle sie nach Abschluss ihrer Ausbildung nach Deutschland zurückkehren. Bindungen zu ihrem Ausbildungsort in den USA habe sie keine. Ihr Aufenthalt dort diene allein der Ausbildung. Es bestünden auch keinerlei Bindungen zu der Pflegefamilie, bei der sie wohne. Da die Mutter von S verstorben sei, bestehe eine starke familiäre Bindung zum Kläger.
Mit Beschluss vom 4. Januar 2006 hat das Gericht das Verfahren betreffend 1996 bis 1999 abgetrennt und für das abgetrennte Verfahren das Ruhen des Verfahrens angeordnet, so dass nur über die Kindergeldzeiträume ab 2000 zu entscheiden ist.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 9. August 2004 (KG-Nr. 815/202675) in der Fassung des Änderungsbescheids vom 20. Oktober 2004 und die hierzu erlassene Einspruchsentscheidung vom 4. November 2004 mit der Maßgabe aufzuheben, dass es bei der Kindergeldfestsetzung ab Januar 2000 bleibt.
Der Beklagte beantragt
Klageabweisung. Bei einem neunjährigen Schulbesuch im Ausland reichten Inlandsaufenthalte von jährlich weniger als drei Monate nicht für die Beibehaltung eines inländischen Wohnsitzes aus. Die Familienkasse habe erstmals durch das Schreiben des Klägers vom 30. März 2004 erfahren, dass das Kind seine Schulausbildung in den USA absolviere. Bis zu diesem Zeitpunkt habe die Familienkasse nach Aktenlage davon ausgehen müssen, dass das Kind noch beim Kläger lebe.
Der Rechtsstreit ist mit Beschluss vom 9. März 2006 dem Einzelrichter zu Entscheidung übertragen worden (§ 6 Finanzgerichtsordnung – FGO –).
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Die Familienkasse hat die Kindergeldfestsetzung jedenfalls für den im vorliegenden Verfahren zu entscheidenden Kindergeldzeitraum ab Januar 2000 zu Recht aufgehoben, denn die Tochter hatte keinen inländischen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt.
1. Nach § 62 Abs. 1 Nr...