rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwendung des Grunderwerbsteuertatbestands des § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG auf die Verschmelzung einer Kapitalgesellschaft auf eine AG österreichischen Rechts nicht verfassungs- oder unionsrechtswidrig. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: II R 8/23)
Leitsatz (redaktionell)
1. Wird eine AG, deren Geschäftsleitung sich in Österreich befindet und die mittelbar zu 100 % an Leasinggesellschaften mit Grundbesitz in Deutschland sowie an einer österreichischen Kapitalanlagegesellschaft (KAG) beteiligt ist, welche als zivilrechtliche Eigentümerin mehrere in Deutschland belegene Grundstücke treuhänderisch für österreichische Immobilienfonds verwaltet, auf eine Gesellschaft österreichischen Rechts in der Rechtsform einer AG verschmolzen, so werden durch die Verschmelzung hinsichtlich der in Deutschland belegenen Grundstücke sowohl der Leasinggesellschaften als auch der KAG die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG erfüllt.
2. Die Anwendung des grunderwerbsteuerrechtlichen Besteuerungstatbestandes des § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG auf diese Verschmelzung (siehe 1.) verstößt weder gegen Art. 5 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2008/7/EG in Verbindung mit Art. 4 der Richtlinie 2008/7/EG noch gegen Art. 3 Abs. 1 GG; insbesondere liegt kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG wegen eines strukturellen Vollzugsdefizits vor.
3. Die Grunderwerbsteuer, die gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG bei einer Anteilsvereinigung erhoben wird, ist eine Besitzwechselsteuer im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2008/7/EG.
Normenkette
GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 Nr. 4; EG RL 7/2008 Art. 4 Abs. 1 Buchst. a; EG RL 7/2008 Art. 5 Abs. 1 Buchst. e; EG RL 7/2008 Art. 6 Abs. 1; EG RL 7/2008 Art. 6 Abs. 2; ÖImmoInvFG § 1 Abs. 2, § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1, 4; GG Art. 3 Abs. 1
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten u.a. über die Rechtmäßigkeit eines Bescheides über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer.
Die Klägerin ist eine Gesellschaft österreichischen Rechts in der Rechtsform einer AG. Ursprünglich hielt die X AG, deren Geschäftsleitung sich in Österreich befand 60 % der Anteile an der Klägerin. Die weiteren 40 % der Anteile an der Klägerin wurden im Streubesitz gehalten.
Mit notariell beurkundetem Verschmelzungsvertrag vom 3. Januar 2017 wurde die X AG auf die Klägerin verschmolzen. Ausweislich der §§ 2.1 und 2.4 des Verschmelzungsvertrages erfolgte die Verschmelzung im Wege der Gesamtrechtsnachfolge durch Übertragung des Vermögens der X AG als Ganzes auf die Klägerin gegen Gewährung neuer Anteile. Zur Durchführung der Verschmelzung wurde bei der Klägerin eine Kapitalerhöhung durchgeführt. 40 % der Anteile an der Klägerin wurden weiterhin über den Streubesitz gehalten. Die übrigen 60 % der Anteile an der Klägerin wurden von den ehemaligen Anteilseignern der X AG gehalten. Die Verschmelzung wurde am 2.4.2017 mit konstitutiver Wirkung im Firmenbuch der X AG in Österreich eingetragen.
Zum Zeitpunkt der Verschmelzung war die X AG selbst nicht Eigentümerin von in Deutschland belegenen Grundstücken. Sie war jedoch mittelbar über Zwischengesellschaften zu100 % an mehreren Leasinggesellschaften beteiligt, die jeweils Eigentümer von in Deutschland belegenen Leasingimmobilien waren. Auch war die X AG mittelbar über Zwischengesellschaften zu 100 % an der in Österreich ansässigen Kapitalanlagegesellschaft KAG GmbH (die KAG), beteiligt. Diese war zivilrechtliche Eigentümerin von mehreren in Deutschland belegenen Grundstücken, die sie treuhänderisch für österreichische Immobilienfonds verwaltete. Die inländischen Grundstücke der Leasinggesellschaften und der KAG lagen in den Bezirken verschiedener Finanzämter, der wertvollste Bestand an Grundstücken befand sich im Bezirk des beklagten Finanzamts (FA).
Mit Anzeige vom 28. Juni 2019, die dem FA vom Finanzamt … am 28. Oktober 2019 übersandt wurde, zeigte die Klägerin die am 3. Januar 2017 beurkundete Verschmelzung an.
Mit Bescheid vom 14. Januar 2020 stellte das FA, unter Verweis auf § 1 Abs. 1 Nr. 3 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) für den am 2. April 2017 durch Handelsregistereintragung der Umwandlung verwirklichten Erwerbsvorgang, die Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer gem. § 17 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG gesondert fest. Die Grundstücke der KAG und der Leasinggesellschaften, auf die sich der Bescheid bezog, ergaben sich aus der dem Bescheid beigefügten Anlage. Der Bescheid erging gem. § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Mit Schreiben vom 23. Januar 2020 legte die Klägerin Einspruch gegen den Feststellungsbescheid ein. Im Streitfall sei nicht § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG, sondern § 1 Abs. 3 Nr. 4GrEStG einschlägig, da bei der Verschmelzung der X AG auf die Klägerin kein unmittelbar von der X AG gehaltenes deutsches Grundvermögen übertragen worden sei. Eine Besteuerung nach...