Entscheidungsstichwort (Thema)
Festsetzung von Hinterziehungszinsen nur auf tatsächlich hinterzogene Steuern und nicht auf geschätzte Besteuerungsgrundlagen
Leitsatz (redaktionell)
1. Hinterziehungszinsen dürfen nur in dem Umfang festgesetzt werden, als Steuer – im Streitfall Vermögensteuer – auch tatsächlich hinterzogen worden ist.
2.Die Frage nach dem betragsmäßigen Umfang der Steuerhinterziehung ist eigenständig im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Zinsbescheids zu beantworten.
3. Muss die hinterzogene Steuer im Weg der Schätzung von Besteuerungsgrundlagen errechnet werden, so hat die Schätzung so zu erfolgen, dass der Betrag der auf jeden Fall hinterzogenen Steuer mit der Gewissheit strafrichterlicher Überzeugung feststeht, auch wenn der Steuerschuldner nicht in dem für das Besteuerungsverfahren zu fordernden Umfang bei der Sachverhaltsaufklärung mitwirkt.
Normenkette
AO § 235 Abs. 1, § 370 Abs. 1, § 162
Tenor
1.) Der Bescheid vom 3.11.2000 über Hinterziehungszinsen in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24.03.2006 wird insoweit geändert, als die hierin jeweils nach Anrechnung der Zinsen gemäß § 233a Abgabenordnung für hinterzogene
- Vermögensteuer auf den 1.01.1989 festgesetzten Zinsen auf 0,– EUR (d.h. 0,– DM),
- Vermögensteuer auf den 1.01.1990 festgesetzten Zinsen auf 19,43 EUR (d.h. 38,– DM),
- Vermögensteuer auf den 1.01.1991 festgesetzten Zinsen auf 13,29 EUR (d.h. 26,– DM),
- Vermögensteuer auf den 1.01.1992 festgesetzten Zinsen auf 25,05 EUR (d.h. 49,– DM), herabgesetzt werden.
2.) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3.) Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Bescheids zur Festsetzung von Zinsen wegen hinterzogener Einkommensteuer für die Jahre 1989 bis 1997 sowie hinterzogener Vermögensteuer auf jeweils den 1. Januar der Jahre 1989 bis 1996.
Der ledige Kläger erzielte in den Streitjahren Einkünfte aus seiner nichtselbständigen Tätigkeit sowie aus Kapitalvermögen. In seinen Einkommensteuererklärungen für die Veranlagungszeiträume 1989, 1990, 1991 und 1992 erklärte der Kläger nur geringfügige Kapitaleinnahmen in der Größenordnung zwischen ca. 700 DM bis ca. 1.300 DM. Seine Einkommensteuererklärungen für die Veranlagungszeiträume 1993 bis 1997 enthielten hingegen keine Angaben über Kapitaleinnahmen. Vermögensteuererklärungen gab der Kläger für die streitigen Stichtage nicht ab.
Umfassende finanzbehördliche Ermittlungen bei der X Bank erbrachten Erkenntnisse über bislang unbekannte Kapitalanlagen des Klägers bei der vorgenannten Bank, die zur Einleitung eines Strafverfahrens gegen den Kläger wegen Steuerhinterziehung und zur Durchführung einer Fahndungsprüfung durch die Steuerfahndungsstelle des Finanzamts Y führten. Der Fahndungsprüfer hielt den objektiven und subjektiven Tatbestand der Steuerhinterziehung von Einkommensteuern und Vermögensteuern für erfüllt und ermittelte für den gesamten streitigen Zeitraum zunächst die nachweisbaren Kapitaleinnahmen bzw. das nachweisbare Kapitalvermögen des Klägers aufgrund der vorgefundenen Unterlagen. Da der Kläger laut Fahndungsbericht vom 15.03.1999 bei der vollständigen Aufklärung des Sachverhalts nicht mitwirkte und der Anfangsbestand seines Kapitalvermögens zum 1.01.1989 nicht belegbar war, schätzte der Fahndungsprüfer zu diesem Stichtag eine Anfangs-Kapitalanlage von 50.000 DM, für die er in den Folgejahren die jeweils bankübliche Verzinsung annahm (vgl. Kurzmitteilung des Fahndungsprüfers vom 8.10.2002). Im Einzelnen ergaben sich somit für die Streitjahre folgende Einnahmebeträge (in DM):
Jahre |
Angesetzte Kapitaleinnahmen |
Hierin enthaltene Schätzungsbeträge |
1989 |
26.961,00 |
3.500,00 |
1990 |
33.342,00 |
3.745,00 |
1991 |
35.618,00 |
4.759,60 |
1992 |
43.057,00 |
4.945,97 |
1993 |
35.096,00 |
4.006,23 |
1994 |
31.565,00 |
3.538,84 |
1995 |
26.177,00 |
3.715,78 |
1996 |
22.251,00 |
3.121,26 |
1997 |
23.861,00 |
2.434,58 |
Für die streitigen Stichtage ergaben sich nach den Ermittlungen des Fahndungsprüfers folgende vermögensteuerrechtlich angesetztes Vermögen (in DM):
|
1.01.1989 |
1.01.1990 + 1.01.1991 |
1.01.1992 |
1.01.1993 + 1.01.1994 |
1.01.1995 + 1.01.1996 |
1.) 140% d. Einheitswert d. inländ. Grundvermögens |
– |
– |
– |
9.240 |
9.240 |
2.) Summe d. Kapitalvermögens u. sonstigen Vermögens |
169.918 |
276.816 |
410.926 |
393.995 |
308.565 |
3.) Gesamtvermögen (nach Abzug der Schulden) |
112.211 |
182.129 |
275.919 |
291.051 |
314.330 |
4.) Gesamtvermögen gerundet |
112.000 |
182.000 |
275.000 |
291.000 |
314.000 |
5.) Steuerpfl. Vermögen (nach Abzug des Freibetrags) |
42.000 |
112.000 |
205.000 |
221.000 |
194.000 |
6.) in der Summe unter 2.) enthaltene Schätzung (teilw. gerundet) |
50.000 |
53.500 |
61.825 |
66.771 |
74.316 |
Der Beklagte folgte der Rechtsansicht des Fahndungsprüfers, änderte die bisher insoweit jeweils erklärungsgemäß festgesetzte Einkommensteuer aufgrund der nachträglich bekannt gewordenen Tatsachen entsprechend den Feststellungen im Fahndungsbericht und setzte mit Bescheiden jeweils vom 28.04.1999 die Einkommensteuer des Klägers für die Jahre 1989 bis 1997 erheblich herauf. Mit Bes...