rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Regelmäßige Tätigkeitsstätte bei Verwaltung von umfangreichem, vermieteten Grundbesitz kann bei Vermietungsobjekt liegen
Leitsatz (redaktionell)
1. Nutzen die Steuerpflichtigen zur Verwaltung ihres 75 Wohnungen umfassenden Grundbesitzes eine fast 500 km von ihrer Familienwohnung entfernte Doppelhaushälfte, so befindet sich dort der Mittelpunkt ihrer Tätigkeit.
2. Fahrtkosten, Verpflegungsmehraufwendungen und Übernachtungskosten sind nach den Grundsätzen der doppelten Haushaltsführung zu berücksichtigen.
Normenkette
EStG § 9
Tenor
1. Der Einkommensteuer-Änderungsbescheid vom 30. April 2014 wird dahingehend geändert, dass bei den Einkünften der Kläger aus Vermietung und Verpachtung weitere Werbungskosten in Höhe von 3.408 EUR berücksichtigt werden und die Einkommensteuer auf 44.837 EUR herabgesetzt wird. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger zu 67%, der Beklagte zu 33%.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Kläger die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.
Tatbestand
I.
Die Kläger erzielen Einkünfte aus gewerblicher Beteiligung, geringfügige Einkünften aus sonstiger selbständiger Arbeit (Klägerin, Hausverwaltung) sowie Renten. Sie erzielten vor allem Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus fünf verschiedenen Objekten mit ca. 75 Wohneinheiten. Je ein Objekt befindet sich in S (Dreifamilienhaus, teilweise privat und beruflich selbstgenutzt) und D (C Str. 3 und 5), drei weitere in M (Wweg 5 und 5a, Sstraße 1-9/… Chaussee, A 26/28). Sie werden beim Beklagten, dem Finanzamt Kaufbeuren, zur Einkommensteuer zusammenveranlagt.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2009 machten die Kläger Aufwendungen für die Verwaltung umfangreichen Grundbesitzes als Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung geltend. Sie beantragten die Anerkennung von Verwaltungskosten in Höhe von 34.004,29 EUR als Werbungskosten. Dem folgte der Beklagte nicht. Er kürzte im Einkommensteuerbescheid vom 26. Oktober 2010
- die Werbungskosten für das häusliche Arbeitszimmer von 3.971,71 EUR auf 1.250 EUR mit der Begründung, dass dieses nicht den Mittelpunkt der gesamten Betätigung darstelle;
- die geltend gemachten Verpflegungsmehraufwendungen i.H.v. 4.658 EUR auf 0 EUR mit der Begründung, dass zur Ausübung der Vermietertätigkeit in M eine eigene Doppelhaushälfte (DHH) genutzt würde und somit Kosten der privaten Lebensführung vorlägen;
- die geltend gemachten Kosten für Übernachtungen in der eigenen DHH der Kläger in M, insgesamt für 83 Übernachtungen in Höhe von 2.905 EUR, später berichtigt auf je 23,56 EUR/Übernachtung = 1.955 EUR;
- die Fahrtkosten für das Fahrzeug … 88 nach Hinweis auf das Auslaufen der Nutzungsdauer im VZ 2009 von 6.333 EUR auf 3.168 EUR durch eine Verlängerung der Nutzungsdauer von 9.678,45 EUR auf 7.362,86 EUR.
Die anerkannten Verwaltungskosten wurden in den Bescheiderläuterungen mit 26.264,99 EUR beziffert.
Mit dem Einspruch trugen die Kläger vor, das Büro in ihrem Wohnhaus in S stelle den Mittelpunkt der gesamten Vermietungstätigkeit (gemeint ist: Erzielung von Einkünften aus gewerblicher Vermietung, Hausverwaltung der Klägerin und Vermietung und Verpachtung) dar, weshalb ein sog. Mittelpunktsfall vorliege. Aus den Grundrissplänen, die für das Objekt in S vorgelegt wurden, ist ersichtlich, dass sich im Obergeschoss des Gebäudes 2 Wohnungen befinden, deren Zugang jeweils vom Treppenhaus aus erfolgt. Die größere dieser Wohnungen bewohnen die Kläger selbst, die kleinere ist vermietet. Weitere vermietete Räumlichkeiten befinden sich im Erdgeschoss. Eine separate Vermietung von Kellergeschossräumen erfolgte nicht. Nach Aktenlage handelt es sich bei dem Objekt in S um ein Dreifamilienhaus. Die Wohnung der Kläger im Obergeschoss ist über einen eigenen Treppenaufgang mit dem Dachgeschoss verbunden, in dem sich weitere Wohnräume (insb. Schlafräume) befinden. In den Grundrissplänen des Dachgeschosses haben die Kläger ein Zimmer von 12,25 qm Größe als Arbeitszimmer kenntlich gemacht, das ausschließlich über die von ihnen bewohnte Wohnung zu erreichen, dieser zuzuordnen und als Galerie bezeichnet ist.
Zwischen den beiden Wohnungen im Obergeschoss befindet sich ein einzelner Raum von 22,24 qm Größe, der ausschließlich über das Treppenhaus zugänglich ist und den die Kläger ebenfalls als Arbeitszimmer kenntlich gemacht haben. Im Grundriss des Kellergeschosses ist ein weiterer Raum von 33,07 qm Größe als für die Vermietungstätigkeit genutzter Raum (mit WC) markiert. Dieser Raum ist ebenfalls nur vom Treppenhaus aus zugänglich. Im Rahmen des Rechtsbehelfsverfahrens trugen die Kläger später vor, dass sie diesen Raum als Archiv nutzten. Sie würden darin 85 Aktenordner aufbewahren. Alle weiteren der insgesamt 210 Aktenordner – davon 12 private – würden im Bücherschrank des ...