rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Beginn der Festsetzungsfrist bei einem Haftungsbescheid. Steuerhinterziehung bei Hinnahme einer zu niedrigen Schätzung
Leitsatz (redaktionell)
1. Steuerhinterziehung liegt vor, wenn der zur Abgabe der Steuererklärung Verpflichtete jahrelang keine Steuererklärungen abgibt und zu niedrige Schätzungen des Finanzamts hinnimmt.
2. Die Festsetzungsfrist für einen Haftungsbescheid über hinterzogene Körperschaftsteuer beginnt bei Nichtabgabe der Körperschaftsteuererklärung nach § 191 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO mit Ablauf des dritten Kalenderjahres nach Entstehung der Steuer.
Normenkette
AO §§ 34, 71, 150, 170 Abs. 2, § 191 Abs. 3; FGO § 71
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Der Kläger gründete durch Gesellschaftsvertrag vom 18. Oktober 1985 zusammen mit seiner im Jahr 1997 verstorbenen Ehefrau P die A-GmbH (nachfolgend GmbH) mit Sitz in München mit einem Stammkapital von 50.000 DM. Der Kläger, der zum alleinigen Geschäftsführer bestellt wurde, übernahm einen Stammkapitalanteil von 26.000 DM, seine Ehefrau einen Stammkapitalanteil von 24.000 DM. Am 28. Dezember 2000 wurde die GmbH umfirmiert in R-GmbH. Gemäß Handelsregistereintragung vom 2. August 2002 ist die GmbH aufgelöst und der Kläger zum Liquidator bestellt worden. Am 10. September 2003 ist die GmbH im Handelsregister gelöscht worden.
Die Besteuerungsgrundlagen für die Veranlagungszeiträume ab 1992 hat das beklagte Finanzamt (das Finanzamt) zunächst geschätzt, weil keine Steuererklärungen und Jahresabschlüsse abgegeben wurden. Für 1992 hat das Finanzamt einen Gewinn in Höhe von 20.000 DM geschätzt. Für 1993 hat es einen Gewinn in Höhe von 25.000 DM geschätzt und die Körperschaftsteuer mit Bescheid vom 25. Januar 1995 in Höhe von 12.500 DM festgesetzt. Mit Bescheid vom 27. März 1995 hat es den Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben. In den Körperschaftsteuerbescheiden 1994 und 1995 hat das Finanzamt einen Gewinn von 40.000 DM bzw. 60.000 DM geschätzt. Gegen die Schätzungsbescheide 1992 bis 1995 hat die GmbH keinen Einspruch eingelegt. Dagegen erhob sie gegen die Schätzungsbescheide für 1996 bis 1998, in denen ein Gewinn von 60.000 DM (1996) bzw. 80.000 DM (1997 und 1998) geschätzt wurde, Einspruch. Am 28. September 2001 gab die GmbH die Steuererklärungen und Jahresabschlüsse für 1996 bis 1998 ab, aus denen sich ein zu versteuerndes Einkommen von -62.819 DM (1996), -165 DM (1997) und 50.314 DM (1996) ergab. Die Bilanz zum 31.12.1996 enthielt einen Gewinnvortrag in Höhe von 480.670 DM. Da in der einzigen für die Vorjahre abgegebenen Bilanz zum 31.12.1991 der Gewinnvortrag lediglich 7.738 DM betrug und für 1992 bis 1995 somit ein Gewinn in Höhe von 472.932 DM erzielt worden sein musste, in den Körperschaftsteuerbescheiden für die Jahre 1992 bis 1995 jedoch lediglich Gewinne in Höhe von insgesamt 145.000 DM geschätzt worden sind, erließ das Finanzamt zunächst am 18. Oktober 2001 geänderte Körperschaftsteuerbescheide für 1994 und 1995, in denen der geschätzte Gewinn nunmehr mit 205.000 DM (1994) bzw. 270.000 DM (1995) angesetzt wurde. Dagegen erhob die GmbH Einspruch und reichte am 19. November 2001 die Körperschaftsteuererklärungen und die Jahresabschlüsse für 1994 und 1995 ein. Im Jahresabschluss zum 31.12.1994 ergab sich ein Verlustvortrag von 257.688 DM. Mit Änderungsbescheiden vom 27. November 2002 erließ das Finanzamt geänderte Körperschaftsteuerbescheide für 1992 und 1993 und schätzte die Gewinne nunmehr jeweils in Höhe von 262.500 DM. Auch dagegen erhob die GmbH Einspruch und reichte am 3. September 2003 die Körperschaftsteuererklärungen und Jahresabschlüsse für 1992 und 1993 ein. Sie erklärte darin Gewinne von 61.487 DM für 1992 und 99.307 DM für 1993. Da die GmbH am 10. September 2003 im Handelsregister gelöscht worden ist, konnte das Finanzamt keine geänderten Körperschaftsteuererklärungen für 1992 und 1993 mehr erlassen.
Mit Schreiben vom 1. Dezember 2005 teilte das Finanzamt dem Kläger mit, dass es beabsichtigte, ihn wegen der Steuerrückstände der GmbH persönlich nach §§ 34, 69 der Abgabenordnung (AO) sowie nach § 71 AO in Haftung zu nehmen. Bei Berechnung der Höhe der Rückstände seien die sich aus den eingereichten Steuererklärungen und Jahresabschlüsse ergebenden Besteuerungsgrundlagen zugrunde gelegt worden. Nachdem der Kläger sich dazu nicht äußerte, erließ das Finanzamt am 17. März 2006 einen Haftungsbescheid und nahm ihn für Körperschaftsteuerrückstände 1993 in Höhe von 33.870,27 EUR nach §§ 34, 69 und 71 AO in Anspruch. Hinsichtlich der Begründung und den Einzelheiten wird auf Anlagen 1 und 2 zum Haftungsbescheid vom 17. März 2006 Bezug genommen.
Der hiergegen eingelegte Einspruch, mit dem vorgetragen wurde, ein Haftungsbescheid hätte nicht mehr erlassen werden dürfen, da bereits Festsetzungsverjährung für den Haftungsanspruch eingetreten sei, blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 5. Juni 2007).
Dagegen richtet sich die Klage....