Leitsatz

Eine Steuerhinterziehung, die eine Haftung nach § 71 AO begründet, kann auch in der Hinnahme einer zu niedrigen Schätzung liegen.

 

Sachverhalt

Der Kläger war Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH. Für diese wurde über viele Jahre (ab 1992) keine Steuererklärungen abgegeben, so dass das Finanzamt Schätzungsbescheide erließ. Sofern diese Schätzungen unter den tatsächlichen zu versteuernden Einkommen der Gesellschaft lagen, unternahm der Kläger nichts. Sofern die Schätzungen die tatsächlichen Ergebnisse überstiegen, legte er Einspruch ein und reichte Steuererklärungen nebst Jahresabschlüssen für die betreffenden Jahre ein. Für 1992 und 1993 erhöhte das Finanzamt seine Schätzungen, hiergegen legte der Kläger Einspruch ein. Da die GmbH in der Zwischenzeit gelöscht worden war, nahm das Finanzamt dem Kläger im Haftungswege gemäß § 71 AO in Anspruch. Hiergegen wandte sich dieser vor allem mit dem Argument, hinsichtlich der Steuerfestsetzungen 1992 und 1993 sei bereits Haftungsverjährung nach § 191 AO eingetreten.

 

Entscheidung

Mit dieser Argumentation hatte der Kläger indes keinen Erfolg. Das FG führt zu Recht aus, dass die Frist für den Erlass eines Haftungsbescheides gegen den Kläger noch nicht abgelaufen sei. Das Gericht stellte klar, dass auch in der Hinnahme eines zu niedrigen Schätzungsbescheides eine Steuerhinterziehung gesehen werden kann, wenn dies vorsätzlich geschieht (vgl. auch Schwarz, AO, § 370 AO Tz. 58 m.w.N.). Hier war die Tatsache, dass die Schätzungen unter den tatsächlichen Ergebnissenlagen, dem Kläger offensichtlich bewusst, da er nur in den Jahren Einspruch einlegte, in denen die Schätzungen zu hoch waren. Dies führte zur Annahme des Vorsatzes. Bei einer Steuerhinterziehung beträgt sodann die Haftungsverjährung gemäß § 191 Abs. 3 Satz 2 AO zehn Jahre (s. Dumke, in: Schwarz, AO, § 191 AO Tz. 58). In einem zweiten Schritt war dann aber vom FG zu klären, wann diese Frist zu laufen begonnen hatte. Hierzu wurde zutreffend ausgeführt, dass bei einer Nichtabgabe einer Steuererklärung die Verjährungsfristen gemäß § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO erst mit dem Ablauf des dritten Jahres in dem die Steuer entstanden ist, zu laufen beginnt, was auch für Haftungsbescheide gilt (vgl. Frotscher, in: Schwarz, AO, § 170 AO Tz. 5). Somit war hier noch keine Verjährung eingetreten.

 

Hinweis

Das Urteil hat vor allem insofern Bedeutung, als vor Augen führt, dass eine Steuerhinterziehung auch in der Hinnahme einer zu niedrigen Schätzung liegen kann, da das Ergehen eines Schätzungsbescheides die Pflicht zur Abgabe einer richtigen Steuererklärung unberührt lässt. Dies kann dann eine Haftung nach § 71 AO begründen, wenn die weiteren Voraussetzungen der Norm gegeben sind. Außerdem zeigt das Urteil, dass bei einer Nichtabgabe einer Steuererklärung die Frist erst nach drei Jahren zu laufen beginnt. Im Falle einer Steuerhinterziehung ist somit eine Haftungsinanspruchnahme auch noch lange Zeit nach dem Veranlagungsjahr zulässig. Dies sollten gesetzliche Vertreter von Gesellschaften stets bedenken.

 

Link zur Entscheidung

FG München, Urteil vom 10.06.2008, 7 K 2382/07

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