rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. versäumte Klagefrist. Bearbeitung des Posteingangs unter Zuhilfenahme eines automatisierten Posteingangsassistenten. Nichterkennen der Einspruchsentscheidung als fristgebundenen Verwaltungsakt
Leitsatz (redaktionell)
1. Wird die Klagefrist versäumt, weil eine Bürokraft bei der Bearbeitung des Posteingangs unter Zuhilfenahme eines automatisierten Posteingangsassistenten die Einspruchsentscheidung nicht als fristgebundenen Verwaltungsakt erkannt und sie daher nicht dem zuständigen Mandatsverantwortlichen weitergeleitet hat, erfordert eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand die Darlegung, wie sichergestellt wird, dass die Eingangspost in den jeweils zutreffenden elektronischen Ordnern abgelegt wird und welche Kontrollmechanismen vorhanden sind, um eine falsch vorgenommene Ablage zu bemerken und zu korrigieren.
2. Mangels entsprechender Darlegungen konnte im Streitfall ein – der Wiedereinsetzung entgegenstehendes – Organisationsverschulden des Prozessbevollmächtigten nicht ausgeschlossen werden.
3. Bedient sich ein Berater bei der Fristenkontrolle automatisierter bzw. programmgesteuerter Verfahren, muss sichergestellt sein, dass diese Programme ebenso verlässlich sind und dieselbe Überprüfungssicherheit bieten wie herkömmliche „analoge” Prüfungsverfahren.
Normenkette
FGO § 47 Abs. 1, § 56 Abs. 1-2; ZPO § 85 Abs. 2
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Die Klägerin wendet sich gegen den Bescheid vom 13. November 2015, mit dem das Finanzamt den Antrag auf Änderung des Bescheids vom 27. Januar 2011 über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen zum 31.12.2008 abgelehnt hat.
Die Klägerin ist eine GmbH, die unter … im Handelsregister beim Amtsgericht … geführt wird. Das Stammkapital beträgt 26.000 EUR. Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist unter anderem der Erwerb und die Verwaltung von Unternehmensbeteiligungen. Alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin ist P.
In der am 21. Oktober 2010 abgegebenen Erklärung zur gesonderten Feststellung des steuerlichen Einlagekontos zum 31.12.2008 erklärte die Klägerin ein steuerliches Einlagekonto von 0 EUR. In der Bilanz zum 31.12.2008 ist eine Zuführung in die Kapitalrücklage von 1.200.288 EUR enthalten. Nach der Erläuterung in der Bilanz handelt es sich insoweit um die Einbringung der Anteile von P. an … B.V. mit Sitz in den Niederlanden. Der den Ausgabebetrag der Stammeinlage übersteigende Betrag von 1.200.288 EUR werde in die Kapitalrücklage eingestellt.
Das damals für die Klägerin zuständige Finanzamt … forderte die Klägerin daraufhin mit Schreiben vom 6. Dezember 2010 auf, weitere Erläuterungen hinsichtlich der Einbringung zu geben und entsprechende Verträge vorzulegen. Mit Schreiben vom 29. Dezember 2010 übersandte die Klägerin einen Kontennachweis zur Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung sowie eine Kopie der notariellen Beurkundung der Gesellschafterversammlung vom 23. Juni 2008. Die Klägerin wies darauf hin, dass diesem Dokument alle angeforderten Informationen zur Sacheinlage und Kapitalrücklage zu entnehmen seien. Aus § 2 der notariellen Niederschrift der Gesellschafterversammlung vom 23. Juni 2008 ergibt sich, dass das Stammkapital der Klägerin von 25.000 EUR um 1.000 EUR auf 26.000 EUR erhöht wurde. Die neue Stammeinlage werde nicht in bar geleistet, sondern dadurch, dass P die von ihr gehaltene Beteiligung von 100 % an der niederländischen … B.V. einbringt. Der Wert der Beteiligung wurde mit 1.201.288 EUR festgelegt. Der den Ausgabebetrag der Stammeinlage übersteigende Betrag werde in die Kapitalrücklage eingelegt.
Daraufhin stellte das Finanzamt mit Bescheid vom 27. Januar 2011 das steuerliche Einlagekonto zum 31.12.2008 mit 0 EUR fest. Der Bescheid wurde nicht mit Einspruch angefochten.
Mit Schreiben vom 1. Oktober 2015 beantragte die Klägerin die Änderung des Bescheids über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen zum 31.12.2008 und die Feststellung des steuerlichen Einlagekontos auf 1.200.288 EUR. Gegen den hierzu ergangenen Ablehnungsbescheid vom 13. November 2015 legte die Klägerin mit Schreiben vom 16. Dezember 2015 Einspruch ein.
Mit Bescheiden vom 14. Juni 2011 und 10. Mai 2012 wurde das steuerliche Einlagekonto zum 31.12.2009 und zum 31.12.2010 ebenfalls jeweils mit 0 EUR festgestellt. Die hiergegen erhobenen Einsprüche wurden mit Einspruchsentscheidung vom 11. November 2012 als unbegründet zurückgewiesen, gegen die von der Klägerin keine Klage erhoben worden ist. Mit Bescheiden vom 11. August 2016 setzte das Finanzamt die Körperschaftsteuer 2015 auf 0 EUR fest und stellte das steuerliche Einlagekonto zum 31.12.2015 ebenfalls mit 0 EUR fest.
Die gegen die Bescheide vom 11. August 2016 sowie vom 13. November 2015 eingelegten Einsprüche wies das Finanzamt mit Einspruchsentscheidung vom 9. August 2017 als unbegründet zur...