Entscheidungsstichwort (Thema)
Geschäftsbeziehungen zwischen einer ungarischen Kapitalgesellschaft und ihrer inländischen Betriebsstätte. Personalfunktionen. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: I R 49/23)
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Begriff der Geschäftsbeziehungen zwischen einem Unternehmen eines Steuerpflichtigen und seiner in einem anderen Staat gelegenen Betriebsstätte nach § 1 Abs. 5 Satz 1 AStG in Verbindung mit § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AStG umfasst neben Geschäftsvorfällen (anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen) auch gesellschaftsrechtliche Beziehungen.
2. Die Personalfunktionen stellen den wesentlichen Anknüpfungspunkt für die Zuordnung von Vermögenswerten, Chancen und Risiken und Geschäftsvorfällen zur Betriebsstätte bzw. dem übrigen Unternehmen sowie für die Identifizierung von anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehungen zwischen beiden Unternehmensteilen dar. Personalfunktionen sind die „Funktionen des Unternehmens, die durch ihr Personal ausgeübt werden”.
3. Dem Wortlaut des § 1 Abs. 5 AStG und insbesondere dessen Satz 3 lässt sich nicht entnehmen, dass außerhalb des Anwendungsbereichs des § 1 AStG und insbesondere für die allgemeine Gewinnermittlung nach §§ 4 ff. EStG eine Veranlassungsprüfung (allein) nach den in den jeweiligen Unternehmensteilen ausgeübten Personalfunktionen vorzunehmen wäre.
Normenkette
AStG § 1 Abs. 4 S. 1 Nr. 2, Abs. 5 S. 1, Abs. 3; BsGaV §§ 2, 16
Tenor
1. Die Änderungsbescheide vom 29.12.2021 über Körperschaftsteuer 2017 und 2018, über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages zur Körperschaftssteuer zum 31.12.2017 und zum 31.12.2018, über den Gewerbesteuermessbetrag 2017 und 2018, sowie über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2017 und auf den 31.12.2018 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 01.09.2022 werden aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Streitig ist die Besteuerung der inländischen Betriebsstätte einer ungarischen Kapitalgesellschaft.
Bei der Klägerin handelt es sich um eine im ungarischen Handelsregister eingetragene Kapitalgesellschaft ungarischen Rechts (Korlátolt felelösségü társaság – Kft.), deren Rechtsform der Rechtsform einer GmbH deutschen Rechts entspricht. Alleingesellschafterin ist R. Der Sitz und die Geschäftsleitung befinden sich in Ungarn (Gesellschaftsvertrag vom 05.05.2016). Geschäftsführer ist O. Gegenstand des Unternehmens ist die Fleischgrob- und Feinzerlegung sowie Fleischverarbeitung.
Die Klägerin unterhielt laut Fragebogen zur steuerlichen Erfassung und Gewerbeanmeldung seit dem 01.03.2017 unter der Adresse … in A-Dorf eine unselbstständige Zweigstelle. Unter dieser Adresse leitete die Klägerin ihre Tätigkeit im Inland, insbesondere verwahrte sie dort die ihrem Steuerberater übergebenen Belege und erstellte die zur Anfertigung von Lohnabrechnungen erforderlichen Aufzeichnungen.
Am 01.03.2017 schloss die Klägerin mit der Firma A Kft. einen Dienstleistungsvertrag, mit dem sich die Firma A Kft. zur Erbringung von Verwaltungsarbeiten im Bereich der Betreuung der nach Deutschland entsandten Arbeitnehmer verpflichtete und dafür 15 % der Nettoumsätze erhalten sollte. Mit Änderungsvertrag vom 22.12.2017 wurde das Honorar auf 12 % der Nettoumsätze vermindert. Die Aufgaben der Firma A Kft. bzw. M Kft. umfassten insbesondere die Erstellung der Lohnabrechnungen, die An- und Abmeldung der Arbeitnehmer bei Versicherungen und die Organisation des Transports und der Urlaubsheimreisen. Gesellschafter der Firma A Kft. bzw. M Kft. ist die Firma I Kft. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verträge vom 01.03.2017 und 22.12.2017 verwiesen. Das Büro in Straubing war ebenfalls von der Firma A Kft. angemietet worden.
In den Streitjahren führte die Klägerin Fleischzerlegungsarbeiten aufgrund von Werkverträgen vom 23.02.2017 mit der ungarischen Firma Z Kft. aus, die ebenfalls unter der Adresse … in A-Dorf eine inländische Betriebsstätte unterhielt. Die Verträge liefen vom 01.03.2017 bis 31.12.2018. Die geschuldeten Leistungen wurden unter anderem in den Räumlichkeiten der Firma Z Kft. in B-Dorf bzw. in C-Dorf erbracht. Dabei kamen Arbeitnehmer zum Einsatz, die von der Klägerin nach Deutschland entsandt worden waren. Die Leitung der Verfahrensabläufe des Zerlegungsprozesses wurde vom deutschen Betriebsleiter ausgeführt. Sämtliche erzielten Umsätze wurden dem Geschäftskonto der Klägerin in Deutschland gutgeschrieben. Von den erzielten Umsätzen wurden die in Deutschland entstandenen Kosten bezahlt, insbesondere Lohnsteuer, Löhne, Unterkunftskosten, Reisekosten und Werkzeugkosten. Die Kosten für die gese...