Entscheidungsstichwort (Thema)
Nutzung zu eigenen Wohnzwecken. Veräußerung. Spekulationsabsicht
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG liegt nicht vor, wenn der hälftige Miteigentumsanteil des Steuerpflichtigen an einer Wohnung ausschließlich einem im Sinne des § 32 EStG zu berücksichtigenden neunjährigen Kind unentgeltlich überlassen worden sein soll, das in der Wohnung gemeinsam mit der getrenntlebenden Ehefrau des Steuerpflichtigen wohnt.
2. An einer willentlichen Übertragung, mithin einer Veräußerung im Sinne des § 23 EStG fehlt es nur dann, wenn der Verlust des Eigentums ohne maßgeblichen Einfluss des Steuerpflichtigen stattfindet.
3. Eine Spekulationsabsicht ist nicht Tatbestandsvoraussetzung eines privaten Veräußerungsgeschäfts.
Normenkette
EStG § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3, § 22 Nr. 2
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob der Gewinn aus der Veräußerung eines Miteigentumsanteils an einem Einfamilienhaus als privates Veräußerungsgeschäft nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (EStG) zu versteuern ist.
Der Kläger ist Fachkaufmann im Einkauf und erzielte im Streitjahr 2017 u.a. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Er wurde einzeln zur Einkommensteuer veranlagt.
Der Kläger, der mit seiner früheren Ehefrau (E) einen am 5. Dezember 2007 geborenen Sohn (S) hat, erwarb mit Kaufvertrag vom Dezember 2008 zusammen mit E ein Einfamilienhaus in … zu einem Gesamtkaufpreis von … EUR, zu jeweils hälftigem Miteigentum. Dieses bewohnten der Kläger, E und S fortan als Familienheim.
Aufgrund der Trennung von E und der beabsichtigten Scheidung zog der Kläger im August 2015 aus dem gemeinsamen Haus aus. Eine räumliche Trennung der Lebensgemeinschaft innerhalb des Familienheims war aufgrund der räumlichen Gegebenheiten nicht möglich.
Auf den Auftrag des Klägers hin nahm die Kanzlei X am 17. März 2017 aus steuerrechtlicher Sicht Stellung zu den möglichen Handlungsoptionen des Klägers hinsichtlich des gemeinsamen Familienwohnheims. Dabei erläuterte sie u.a. die Möglichkeiten und Vor- und Nachteile einer sofortigen Übertragung des hälftigen Miteigentumsanteils auf die E innerhalb der „Spekulationsfrist”, sowie die Möglichkeit der Veräußerung des hälftigen Miteigentumsanteils nach Ablauf der „Spekulationsfrist”.
Die Ehe des Klägers und der E wurde durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts Y vom 8. Juni 2017 geschieden. E drohte dem Kläger die Zwangsversteigerung des gemeinsamen Einfamilienhauses an, sollte er seinen hälftigen Miteigentumsanteil an dem Einfamilienhaus nicht an sie veräußern.
Mit notariell beurkundeter Scheidungsfolgenvereinbarung vom 10. August 2017 veräußerte der Kläger schließlich seinen hälftigen Miteigentumsanteil an dem Familienheim an E für … EUR.
In seiner Einkommensteuererklärung 2017 erklärte der Kläger keine Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften nach § 23 EStG, sondern behandelte den der Höhe nach unstreitigen Veräußerungsgewinn von … EUR aus der Veräußerung seines hälftigen Miteigentumsanteils als steuerfrei.
Mit Einkommensteuerbescheid 2017 vom 27. November 2018 berücksichtigte der Beklagte (das Finanzamt – FA –) einen Veräußerungsgewinn des Klägers aus privaten Veräußerungsgeschäften nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG in Höhe von … EUR und setzte die Einkommensteuer 2017 auf … EUR fest.
Hiergegen legte der Kläger mit der Begründung Einspruch ein, dass die Überlassung des Miteigentumsanteils des Klägers an das minderjährige Kind eine Selbstnutzung des Anteils gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG sei. Zudem handle es sich nicht um ein Spekulationsgeschäft. Der Kläger habe sich nach Androhung der Zwangsversteigerung durch E dazu gezwungen gesehen, seinen Miteigentumsanteil vor Ablauf der Zehnjahresfrist zu veräußern, um einen angemessenen Preis beim Verkauf zu erzielen und damit einen wirtschaftlichen Schaden soweit wie möglich zu vermeiden.
Den Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 2. September 2019 als unbegründet zurück. Nach Auffassung des FA komme die Ausnahmeregelung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG nicht in Betracht, da der Kläger seinen Miteigentumsanteil an den minderjährigen Sohn nicht zu dessen alleiniger Nutzung überlassen habe. Zudem stehe der Besteuerung des Veräußerungsgeschäfts nach § 23 EStG nicht entgegen, dass der Kläger seinen hälftigen Miteigentumsanteil aufgrund einer Zwangslage veräußert habe.
Die hiergegen erhobene Klage begründet der Kläger im Wesentlichen damit, dass die Ausnahme nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG nicht voraussetze, dass die Wohnung an das nach § 32 EStG zu berücksichtigende Kind zu dessen alleiniger Nutzung überlassen werde. Dies sei nach Tz. 23 des BMF-Schreibens vom 5. Oktober 2000, BStBl I 2000, 1383, nicht notwendig. Das U...