Entscheidungsstichwort (Thema)
Änderung eines bestandskräftigen Einkommensteuerbescheides wegen einer zu nachträglichen Anschaffungskosten i.S. des § 17 EStG führenden neuen Tatsache; Realisierung eines Auflösungsverlustes i.S. des § 17 Abs. 4 EStG; Umdeutung eines ausdrücklich gegen den Einkommensteuerbescheid gerichteten Einspruchs als Einspruch gegen den Verlustfeststellungsbescheid nach § 10d Abs. 3 EStG
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Änderung eines bestandskräftigen Einkommensteuerbescheides nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 wegen der Berücksichtigung einer neuen, sich steuermindernd auswirkenden Tatsache, die zu nachträglichen Anschaffungskosten einer wesentlichen Beteiligung i.S. des § 17 EStG und damit einem höheren Veräußerungsverlust führt, steht das grobe Verschulden an dem nachträglichen Bekanntwerden dieser neuen Tatsache entgegen, wenn im Rahmen der Berechnung des Veräußerungsverlustes nach § 17 EStG in der Anlage zur Einkommensteuererklärung neben mehreren anderen, offenbar aus ungenügendem Studium eigener Unterlagen herrührenden Fehlern bei der Bestimmung der Anschaffungskosten der wesentlichen Beteiligung die nachträglich bekanntgewordene Tatsache unberücksichtigt gelassen wurde und Anfragen des FA hinsichtlich der zu nachträglichen Anschaffungskosten führenden Umstände unbeantwortet geblieben sind.
2. Allein die Beantragung des Konkursverfahrens bewirkt noch nicht die Realisierung eines Auflösungsverlustes nach § 17 Abs. 4 i.V.m. Abs. 2 EStG.
3. Offenbleiben konnte, ob die an § 133 BGB orientierte Willensauslegung eines Einspruchsschreibens so weit gehen kann, dass im Verhältnis von Einkommensteuerbescheid und Verlustfeststellungsbescheid nach § 10d EStG der gegen den --auf 0 DM lautende-- Einkommensteuerbescheid gerichtete Einspruch eines beratenen Steuerpflichtigen als Einspruch gegen den Verlustfeststellungsbescheid nach § 10d EStG gedeutetet werden kann, wenn wegen des eindeutig erklärten Willens keinerlei Auslegungsmöglichkeit erkennbar ist.
Normenkette
AO 1977 § 173 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; EStG § 17 Abs. 2, 4; AO 1977 § 357 Abs. 3; EStG § 10d Abs. 3; BGB § 133
Tatbestand
Streitig ist, ob ein Feststellungsbescheid betreffend den verbleibenden Verlustabzug (§ 10 d Einkommensteuergesetz –EStG–) abzuändern ist.
Die Kläger (Kl) sind Eheleute, die zur Einkommensteuer zusammenveranlagt werden.
In ihrer Einkommensteuererklärung für 1993 führten sie bei den gewerblichen Einkünften einen Veräußerungsverlust nach § 17 EStG in Höhe von 4.743.300 DM auf. Dem lag zugrunde, daß der Kl zu 1. am 27. Mai 1993 die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Firma … beantragt hatte. Die Anteile an der GmbH (Stammkapital zu 800.000 DM, davon eingezahlt 650.000 DM) sowie die Anteile an der Firma … (Stammkapital 100.000 DM) waren vom Kl zu 1. mit notariell beurkundeter Vereinbarung vom 13. Dezember 1974 für 2.500.000 DM erworben worden. 1976 veräußerte der Kl zu 1. die Anteile an der Firma … für 150.000 DM an die Firma … 1977 wurde das Stammkapital der Firma … (GmbH) auf 1.300.000 DM, 1981 auf 1.400.000 DM aufgestockt. Hiervon standen am 17. Dezember 1990 dem Kl zu 1. 1.315.000 DM, der Klägerin (Klin) zu 2. 20.000 DM und einem weiteren Gesellschafter 65.000 DM zu. Einen Teilgeschäftsanteil in Höhe von 350.000 DM hat der Kl zu 1. am 17. Dezember 1990 unentgeltlich auf seinen Sohn übertragen. Am 5. August 1992 beschlossen die Gesellschafter, das Stammkapital auf 1.900.000 DM zu erhöhen. Zugelassen zur Übernahme der neuen in bar zu erbringenden Stammeinlage wurde der Kl zu 1.
Aus den Vorgängen errechneten die Kl als Anschaffungskosten für die GmbH-Anteile des Kl zu 1. einen Betrag in Höhe von 2.602.455 DM; auf die Berechnung im einzelnen wird Bezug genommen. Zusammen mit Darlehensansprüchen (1.540.845 DM zuzüglich 600.000 DM in eine Kapitalrücklage umgewandelter Darlehensanspruch) ergab sich der geltend gemachte Verlustbetrag in Höhe von 4.743.300 DM.
Der Beklagte (das Finanzamt … -FA-) erkannte als Beteiligungsverlust lediglich einen Betrag in Höhe von 500.000 DM (Kapitalerhöhung 1992) im Einkommensteuerbescheid für 1993 vom 21. November 1995 an. Hierzu wurde in den Bescheiderläuterungen darauf hingewiesen, daß nur die Einzahlung der Kapitalerhöhung vom August 1992 nachgewiesen worden sei und daß es sich bei den Darlehen in Höhe von 600.000 DM und 1.540.845 DM nicht um kapitalersetzende Darlehen handle. Den Einspruch, den die damaligen steuerlichen Vertreter der Kl gegen den auf 0 DM lautenden Einkommensteuerbescheid erhoben, verwarf das FA als unzulässig (Einspruchsentscheidung vom 11. März 1997). Die hiergegen gerichtete Klage (Az. 12 K 1484/97) hat das Gericht mit als Urteil wirkendem Gerichtsbescheid vom 23. August 1999 abgewiesen.
Zugleich mit dem Einkommensteuerbescheid für 1993 erging am 21. November 1995 der Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 1993. Die festgestellten Beträge (Kl zu 1. 542.029 DM, Klin zu 2. 141.450 DM) errech...