Entscheidungsstichwort (Thema)
Stromsteuerentlastung für keramische Waren bei Herstellung von Graphitelektroden für Lichtbogenöfen der Stahlindustrie
Leitsatz (redaktionell)
In mehreren Brennvorgängen unter Umwandlung von Kohlenstoff in Graphit hergestellte, weder Metalle noch organische Materialien enthaltende Graphitelektroden sind auch dann keramische Erzeugnisse i. S. v. § 9a Abs. 1 Nr. 2 StromstG i.V.m. den Abteilungen DI 26 und DJ 27 der Verordnung (EWG) Nr. 3037/90 des Rates vom 9.10.1990 betreffend die statistische Systematik der Wirtschaftszweige in der Europäischen Gemeinschaft in der am 1.1.2003 geltenden Fassung (NACE Rev. 1.1), wenn sie aufgrund ihrer elektrischen Leitfähigkeit in Lichtbogenöfen der Stahlindustrie eingesetzt werden, in denen über den Lichtbogen hohe Temperaturen auf das Schmelzgut übertragen werden, wobei letztlich auch elektrische Energie fließt.
Normenkette
StromStG § 9a Abs. 1 Nr. 2; EWGV 3037/90
Nachgehend
Tenor
1. Das HZA wird verpflichtet unter Aufhebung der Verfügung vom 4. Dezember 2007 und der Einspruchsentscheidung vom 24. September 2008, der Klägerin Stromsteuer i.H.v. … EUR für den Zeitraum August bis Dezember 2006 zu erstatten.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt das HZA.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob der Klägerin ein Anspruch auf Stromsteuerentlastung für die Herstellung von Kohlenstoff- und Graphitprodukten zusteht.
Die Klägerin ist ein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes und stellt Kohlenstoff- und Graphitprodukte, insbesondere Graphitelektroden, u. a. unter Einsatz von nachweislich versteuertem Strom her. Der Herstellungsprozess läuft in der Form ab, dass aus den Hauptrohstoffen (…) in Mischern eine Masse hergestellt wird, die über Pressen in Form gebracht wird. Dabei werden die flüssigen Rohstoffe (…) teils elektrisch, teils gasbeheizt warm gehalten, um die Verarbeitung zu ermöglichen. Die Mischer und Pressen sind ebenfalls teils elektrisch, teils gasbeheizt, da die Mischung bei einer bestimmten Temperatur durchgeführt werden muss.
Nach dem Pressen werden die Formkörper in Ringkammeröfen gebrannt, wodurch aus der vorher plastischen Masse ein Kohlenstoffkörper entsteht. Diese Öfen werden mit leichtem Heizöl (HEL) beheizt. Für einige Produkte ist die Fertigung damit abgeschlossen.
Andere Produkte, z. B. Kohleelektroden, werden in einem weiteren Arbeitsschritt noch einem Imprägniervorgang unterzogen, wobei diese erst erwärmt und anschließend in einem Autoklaven unter Druck beispielsweise mit heißem Steinkohlenteerpech imprägniert werden. Diese Produkte werden anschließend einem weiteren Brennvorgang unterzogen, bei dem das Pech ebenfalls in Kohlenstoff umgewandelt wird. Dieser Vorgang wird bei manchen Produkten einmal wiederholt.
In dem sich anschließenden Arbeitsschritt werden die imprägnierten und gebrannten Körper in Graphitierungsöfen eingebaut und elektrisch bis auf ca. 3.000 °C aufgeheizt. Dabei wird der Kohlenstoff in Graphit umgewandelt. Danach werden die Produkte mechanisch endbearbeitet.
Den größten Teil der von der Klägerin auf diese Weise hergestellten Produkte stellen Graphitelektroden für Lichtbogenöfen der Stahlindustrie dar. Ein Teil der hergestellten Graphitelektroden wird noch mit einer Aluminiumbeschichtung versehen. Zu diesem Zweck werden die Elektroden nochmals gasbeheizt erwärmt und dann im Flammspritzverfahren beschichtet.
Die Klägerin begehrte für den Zeitraum von August bis Dezember 2006 eine Stromsteuerentlastung i.H.v. … EUR für bestimmte Prozesse und Verfahren für eine Strommenge von … MWh (vgl. Antrag vom 18. Mai 2007). Die beantragte Steuerentlastung bezog sich auf folgende Verarbeitungsschritte: elektrische Vorwärmung von Petrolkoks in den Mischern, Warmhalten der zu pressenden Mischungen, elektrische Begleitheizung des Imprägnierpechs, elektrischer Graphitierungsbrand und Flammspritzen von Aluminium auf Graphitelektroden.
Mit Verfügung vom 4. Dezember 2007 lehnte das Hauptzollamt (HZA) die beantragte Steuerentlastung ab, weil die Herstellung von Graphitelektroden in die NACE Klasse 31.62 einzuordnen sei und daher die Voraussetzungen für eine Steuerentlastung nicht gegeben seien.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren (vgl. Einspruchsentscheidung vom 24. September 2008) erhob die Klägerin Klage, die sie im Wesentlichen folgendermaßen begründet: Der Wortlaut des § 9a des Stromsteuergesetzes enthalte keinen ausdrücklichen Bezug zu den Statistikklassen. Die Gesetzesbegründung verweise zwar darauf, aus der Formulierung „im Wesentlichen” werde jedoch deutlich, dass dadurch keine abschließende und verbindliche Eingrenzung des Tatbestandes vorgenommen werden sollte. Das Warenverzeichnis WZ 2003...