rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Bezeichnung des Klagebegehrens. Klage auf Auskunft und Herausgabe von Unterlagen. Verspätungszuschläge. Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Kläger begehrte in der Klageschrift eine „Aufhebung” der angefochtenen Schätzungsbescheide und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidungen. Durch diese Angabe ist das Klagebegehren in der Regel nicht i. S. d. § 65 Abs. 1 FGO bezeichnet, denn abweichend vom Wortlaut der Klageschrift- wird nicht eine (vollständige) Aufhebung, sondern (nur) eine inhaltliche Änderung des angefochtenen Bescheids begehrt.
2. Ein Steuerpflichtiger, der gegen Steuerbescheide mit geschätzten Besteuerungsgrundlagen klagt und keine Steuererklärung abgeben kann, muss als Klagebegründung zumindest substantiiert darlegen, weshalb die geschätzten Besteuerungsgrundlagen zu hoch angesetzt wurden. Soweit dem Kläger wegen fehlender Unterlagen genaue Angaben nicht möglich gewesen sein sollten, hätte er anhand der ihm zugänglichen Erkenntnisquellen zumindest eine substantiierte Schätzung der Besteuerungsgrundlagen vornehmen müssen.
3. Gründe, die das Versäumnis entschuldbar erscheinen lassen, sind nicht gegeben. Der Kläger kann nicht mit Erfolg einwenden, sein Versäumnis sei entschuldbar gewesen, weil ihm Informationen zur Fortschreibung steuermindernder Beträge aus früheren Veranlagungsverfahren bzw. aus der Fortführung von AfA-Beträgen aus Vorjahren sowie Unterlagen zu nicht abschließend bekannten Zahlungen durch seine frühere Arbeitgeberin gefehlt hätten und er mit seiner Unterschrift die Richtigkeit seiner Angaben in den Einkommensteuererklärungen der Streitjahre nicht habe versichern können.
Normenkette
FGO § 65 Abs. 2 S. 2, § 67; AO §§ 152, 164 Abs. 3 S. 1
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Tatbestand
I.
Der Kläger wendet sich im Klageverfahren gegen die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2003 bis 2009 und die Festsetzungen von Verspätungszuschlägen für die Jahre 2003 bis 2009 sowie gegen die Aufhebung der Vorbehalte der Nachprüfung in den Einspruchsentscheidungen.
Der Kläger hat (bis heute) weder beim Beklagten (dem Finanzamt – FA) noch bei Gericht Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre 2003 bis 2009 vorgelegt.
Für die Festsetzungen der Einkommensteuer der Jahre 2003 bis 2009 schätzte das FA die Besteuerungsgrundlagen. Dabei ging es lt. Lohnsteuerbescheinigungen von folgenden Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit des Klägers aus:
|
Arbeitgeber |
Einnahmen in EUR |
Einkünfte in EUR nach Abzug des Arbeitnehmerpauschbetrages |
2003 |
– |
– |
– |
2004 |
A |
28.710 |
27.790 |
2005 |
A |
69.367 |
68.447 |
2006 |
A K-AG |
141.754 |
140.834 |
2007 |
– |
– |
– |
2008 |
– |
– |
– |
2009 |
GmbH |
45.889 |
44.969 |
Mit Ausnahme der Streitjahre 2005 und 2009 schätzte das FA zudem Einkünfte aus Kapitalvermögen und berücksichtigte ab 2007 bis 2009 sonstige Einkünfte des Klägers (Rente). In den Jahren 2003, 2004, 2006 bis 2009 bezog der Kläger Lohnersatzleistungen nach § 32 b Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG), die das FA in die Berechnung des Steuersatzes in den genannten Jahren einbezog (Progressionsvorbehalt). Die erhaltene Lohnzahlung seitens der früheren Arbeitgeberin des Klägers, K-AG (Arbeitgeberin), in Höhe von 117.597,16 EUR berücksichtigte das FA im Jahr 2006 nach § 34 Abs. 1 EStG.
Am 30. Juli 2008 teilte das FA dem Kläger auf seine telefonische Anfrage hin per Telefax mit, dass die frühere Arbeitgeberin des Klägers für ihn durch eine berichtigte Lohnsteueranmeldung für den Monat März 2006 Lohnsteuer aus der Lohnnachzahlung aufgrund eines gerichtlichen Verfahrens angemeldet habe. Die berichtigte Anmeldung sei am 23. Mai 2006 beim FA … für Körperschaften eingegangen. An diesem Tag sei die Lohnsteuer auch bezahlt worden. Es handele sich dabei im Einzelnen um folgende Beträge:
– Arbeitslohn: |
117.597,16 EUR |
– Lohnsteuer |
49.390,00 EUR |
– Solidaritätszuschlag |
2.716,45 EUR |
– Kirchensteuer |
3.951,20 EUR |
Der Kläger legte gegen die Schätzungsbescheide für die Jahre 2003 bis 2009 sowie gegen die Festsetzungen der Verspätungszuschläge 2003 bis 2005 und 2007 bis 2009 Einsprüche ein, ohne diese zu begründen. Der Kläger meinte, er könne die Einkommensteuerklärungen nicht vorlegen, da er vor dem Arbeitsgericht mit seiner früheren Arbeitgeberin Rechtstreitigkeiten austrage. Am 13. Januar 2009 trug der Kläger (im Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 2007) dann vor, dass er die Einkommensteuererklärung wegen noch fehlender Informationen, u.a. zur Fortschreibung steuermindernder Beträge aus dem Veranlagungsjahr und aus der Fortführung von Beträgen für Absetzungen für Abnutzung (AfA) aus Vorjahren und nicht abschließend bekannter Zahlungen im betreffenden Jahr durch die Arbeitgeberin und den dazu noch andauernden Rechtsstreitigkeiten noch nicht habe erstellen können. Im Einspruchsschreiben vom 21. Juni 2010 gegen den Einkommensteuerbescheid 2008 legte der Kläger dar, dass er die Steuererklärung 2008 wegen noch fehlender Informationen, u.a. zur...