Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Berücksichtigung von Schuldzinsen im Zusammenhang mit der Finanzierung einer später verzinst zurückerstatteten Einkommensteuernachzahlung als Werbungskosten. Einkommensteuerpflicht von Erstattungszinsen ist verfassungsgemäß
Leitsatz (redaktionell)
1. Weder Zinsen für ein zur Begleichung der Einkommensteuer aufgenommenes Darlehen noch Nachzahlungszinsen gem. § 233a AO sind Betriebsausgaben oder Werbungskosten.
2. Erst bei Kenntnis der Überzahlung einer Steuer kann beim Steuerpflichtigen eine konkrete und auf den jeweiligen Erstattungsteil bezogene Einkunftserzielungsabsicht entstehen, da sein Erstattungsanspruch materiell-rechtlich erst in dem Augenblick entsteht, in dem eine Überzahlung der Steuer erfolgt.
3. Erstattungszinsen nach § 233a AO sind steuerbare Einnahmen aus Kapitalvermögen. Die dies ausdrücklich regelnde Vorschrift in § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG i. d. F. des JStG 2010 verstößt – auch im Hinblick auf ihre rückwirkende Geltung – nicht gegen Verfassungsrecht.
Normenkette
EStG 2002 § 20 Abs. 1 Nr. 7, § 9 Abs. 1 S. 1, § 9 Ab S. 3 Nr. 1, § 12 Nr. 3; EStG § 20 Abs. 1 Nr. 7 S. 3 Fassung: 2010-12-13; AO § 233a; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Streitig ist die steuerliche Berücksichtigung von Schuldzinsen als Werbungskosten im Zusammenhang mit der Finanzierung einer Einkommensteuernachzahlung, welche später verzinst zurückerstattet wurde.
Die Kläger sind verheiratet und wurden in den Streitjahren 2002-2004 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist jeweils Gesellschafter der … (GbR 1) sowie der … (…; GbR 2). Im Jahr 2002 ergingen Betriebsprüfungsberichte über Betriebsprüfungen bei den GbR 1 und 2 für die Veranlagungszeiträume 1996-1998 (Berichte). Der Beklagte (das Finanzamt) folgte den Feststellungen der Berichte und erließ jeweils entsprechend geänderte Bescheide für 1994-1998 über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte der GbR 1 bzw. 2 (Änderungsbescheide). Außerdem erließ es gegenüber den Klägern als Folgebescheide entsprechend geänderte Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1994-1998; am … ergingen in Bezug auf die GbR 1 geänderte Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1994-1998 mit einer sich daraus insgesamt ergebenden Steuernachzahlung i.H.v. … EUR und am … in Bezug auf die GbR 2 geänderte Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1995-1998, aus denen sich insgesamt eine weitere Steuernachzahlung i.H.v. … EUR ergab (vgl. Aktenvermerk des Finanzamts, Rechtsbehelfsakte – Rb-Akte –, Bl. 56).
Gegen die entsprechend den Feststellungen der Berichte erlassenen Änderungsbescheide (für 1994/1995-1998 über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte der GbR 1 bzw. 2) wurde jeweils Einspruch eingelegt, die Aussetzung der Vollziehung wurde jedoch nicht beantragt. Die genannten Steuernachzahlungen einschließlich von Nachzahlungszinsen beglichen die Kläger jeweils vor Fälligkeit mit Einzahlungen (vgl. Schreiben des Finanzamts vom …, Finanzgerichtsakte – FG-Akte –, Bl. 41)
- • vom … (i.H.v. … EUR) bzw.
- • vom … (i.H.v. … EUR).
Nach den Angaben der Kläger (vgl. Schreiben vom …, Rb-Akte, Bl. 34) nahm der Kläger zur Finanzierung dieser Zahlungen an das Finanzamt bei der … (Bank) zunächst mit Darlehensvertrag vom … ein Darlehen i.H.v. … zu einem anfänglichen effektiven Jahreszins i.H.v. 6,06 % (Darlehensvertrag/Darlehen 1; vgl. Darlehensvertrag, Rechtsbehelfsakte – Rb-Akte –, Bl. 39) auf; die Darlehensauszahlung erfolgte am … (vgl. Rb-Akte, Bl. 61). Dieses Darlehen 1 wurde – ebenfalls nach den sinngemäßen Angaben der Kläger (vgl. Schreiben der Kläger vom 6. Februar 2007, Rechtsbehelfsakte, Bl. 34, 35, Fn.1) – teilweise mit einem nunmehr von beiden Klägern bei der Bank mit Darlehensvertrag vom … über ein Darlehen i.H.v. … zu einem anfänglichen effektiven Jahreszins i.H.v. 5,06 % (Darlehensvertrag/Darlehen 2; vgl. Darlehensvertrag, Rb-Akte, Bl. 43) aufgenommenen Darlehen prolongiert; die Darlehensauszahlung erfolgte überwiegend und in Teilbeträgen
- • am … in zwei Teilbeträgen über insgesamt … EUR (nach Aktenlage ohne erkennbaren Bezug zu den fraglichen Steuerschulden des Klägers) sowie
- • am … durch vier Überweisungen an das Finanzamt i.H.v. insgesamt … (vgl. Rb-Akte, Bl. 61 f.).
Beide Darlehensverträge 1 und 2 weisen als jeweiligen Verwendungszweck „Steuernachzahlung/en” auf. Der Darlehensvertrag 1 wurde mit einem dritten Darlehensvertrag vom … über eine Darlehenssumme i.H.v. … und einen Zinssatz i.H.v. 5,1 % bzw. einen anfänglichen effektiven Jahreszins i.H.v. 5,22 % (Darlehensvertrag/Darlehen 3; vgl. Darlehensvertrag, Rb-Akte, Bl. 47) geändert (insbesondere verlängert); als Verwendungszweck ist „Steuernachzahlung hier: Laufzeitverlängerung und Konditionsneuvereinbarung per …” ausgewiesen. Für das Darlehen 1 bzw. 3 (Darlehen 1/3) zahlte der Kläger in den Streitjahren folgende Zinsen nebst Bearbeitungsgebühren (Zinsaufwand...