rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Verwertungsrecht bei Spezialitätsvorbehalt

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Stellt die Schweiz im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen einer deutschen Staatsanwaltschaft Beweismittel zur Verfügung, sind die Bedingungen, die die Schweiz an die Rechtshilfe geknüpft hat, zu beachten. Haben danach die Schweizer Institutionen ein Verwertungsverbot verfügt (sog. Spezialitätsvorbehalt), richtet sich dessen Reichweite nicht nach dem zugrunde liegenden Recht der Schweiz, sondern nur nach dem Wortlaut der maßgeblichen Auflagen.

2. Haben die Schweizer Institutionen die direkte und indirekte Verwendung der erhaltenen Unterlagen für ein fiskalisches Straf- oder Verwaltungsverfahren ausgeschlossen, besteht im steuerlichen Veranlagungsverfahren und im hieran anschließenden finanzgerichtlichen Verfahren ein Verwertungsverbot der unter dem Spezialitätsvorbehalt gelieferten Beweismittel. Das finanzgerichtliche Verfahren ist Teil des fiskalischen Verwaltungsverfahrens i.S. d. Spezialitätsvorbehalts.

3. Rechtsfolge des Verwertungsverbots ist, dass die Verböserungen im finanzgerichtlichen Verfahren, die sich bei der Veranlagung ergeben haben, rückgängig zu machen sind.

 

Normenkette

AO § 117; EurStRHUeb Art. 2 Fassung 1959-04-20; Bundesgesetz der Schweiz über internationale Rechtshilfe in Strafsachen Art. 72, 67, 63

 

Tenor

1. Dem Finanzamt wird aufgegeben,

  • den letzten Körperschaftsteuerbescheid für das Jahr 2001 vom 5. Juni 2008 dergestalt abzuändern, dass die verdeckten Gewinnausschüttungen um 25.000 DM gemindert

    werden sowie

  • den letzten Körperschaftsteuerbescheid für das Jahr 2003 vom 26. Mai 2009 dahingehend abzuändern, dass von verdeckten Gewinnausschüttungen in Höhe von nur 241.558 EUR ausgegangen wird.

Der Gewerbesteuermessbetragsbescheid 2001 vom 5. Mai 2008 und der Gewerbe steuermessbetragsbescheid 2003 vom 26. Mai 2009 und die Zerlegungsbescheide für die Jahre 2001 und 2003 sind entsprechend zu ändern. Das Finanzamt hat der Klägerin die Berechnungsergebnisse unverzüglich formlos mitzuteilen. Nach Rechtskraft der Entscheidung sind die Verwaltungsakte mit dem geänderten Inhalt neu bekannt zu geben.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

I.

Die Klägerin ist eine GmbH, die mit der notariellen Gründungsurkunde von … gegründet wurde. Noch in der Gründungsurkunde bestellten sich die beiden je zur Hälfte beteiligten Gesellschafter als jeweils allein vertretungsberechtigte Geschäftsführer. Sie übten die Geschäftsführertätigkeit in allen Streitjahren aus.

Die Firma X hat ihren Sitz in der Schweiz. Nach dem Handelsregister befand sich ihr Domizil in der Schweiz. Gesellschafter und Geschäftsführer waren nach dem Handelsregister A und B. Nach Auskunft des Bundesamts für Finanzen im Schreiben vom … handelt es sich um eine Domiziladresse, an der eine Vielzahl von Firmen ihren Rechtssitz hat. Unter anderem befindet sich unter der gleichen Adresse der Sitz der Treuhandfirma A-Treuhand AG. Einen eigenen Telefonanschluss der X konnte das Bundesamt für Finanzen nicht ermitteln.

Im Jahr 2004 wurde gegen die Klägerin ein Steuerstrafverfahren eingeleitet, das zu einer Durchsuchung führte. Die Steuerfahndung kam nach der Durchsuchung zum Ergebnis, dass die Gesellschafter der Klägerin die wahren Gesellschafter der X seien. Dieses Ergebnis leitete die Steuerfahndung aus folgenden bei der Durchsuchung und im Anschluss hieran gewonnenen Unterlagen ab …

Der Beklagte, das Finanzamt (FA), folgte den Feststellungen der Steuerfahndung im Ermittlungsbericht.

Die deutsche Staatsanwaltschaft begehrte Rechtshilfe durch die Schweiz. Mit der Eintretungsverfügung vom … 2005 gewährte die Staatsanwaltschaft des Kantons Zug Rechtshilfe durch Sicherstellung von Unterlagen in der Schweiz. Die sichergestellten Unterlagen gelangten aufgrund von Rechtsmitteln der X indes nicht alsbald in den Besitz der Steuerfahndung.

Mit der Einspruchsentscheidung vom … wies das FA die Einsprüche der Klägerin als unbegründet zurück.

Während des Klageverfahrens erging im Jahr 2007 die Schlussverfügung der Staatsanwaltschaft des Kantons Zug. Die Staatsanwaltschaft verfügte die Herausgabe von Unterlagen an die deutsche Staatsanwaltschaft u.a. mit folgender Auflage:

„3. Die rechtshilfeersuchende Behörde wird darauf hingewiesen, dass gestützt auf denschweizerischen Vorbehalt zu Art. 2 EUeR (= Europäisches Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959) und auf die Art. 67 und 63 IRSG (= Bundesgesetz der Schweiz über internationale Rechtshilfe in Strafsachen) die Rechtshilfeleistungfolgendem Spezialitätsvorbehalt unterliegt:

  1. In keinem Fall gestattet ist die direkte oder indirekte Verwendung der erhaltenen Unterlagen und der darin enthaltenen Angaben für ein fiskalisches Straf- oder Verwaltungsverfahren.
  2. Jegliche weitere Verwendung dieser Unterlagen und Informationen bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Bundesamtes der Justiz, Abteilung Internationale Rechtshilfe, Postfach 3003 Bern,...

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