Entscheidungsstichwort (Thema)
Klagebefugnis des Versicherungsnehmers gegen Versicherungsteuer-Anmeldung des Versicherungsunternehmens. Versicherungsteuer verletzt weder EU-Recht noch Art. 19 Abs. 4 GG
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Versicherungsnehmer als Schuldner der Versicherungsteuer ist zur Erhebung einer auf Änderung der Versicherungsteuer-Anmeldung des Versicherungsunternehmens gerichteten Verpflichtungsklage befugt.
2. Die Festsetzung und Erhebung der Versicherungsteuer ist mit den Vorschriften des europäischen Gemeinschaftsrechts vereinbar. Insbesondere liegt darin keine gemeinschaftsrechtlich unzulässige Umsatzbesteuerung von Versicherungsumätzen. Die Gemeinsamkeit der Versicherungsteuer mit der Umsatzsteuer beschränkt sich auf deren beider Rechtsnatur als Verkehrsteuern.
3. Die Art der Festsetzung oder Erhebung der Versicherungsteuer begründet keinen Verstoß gegen die verfassungsrechtliche Rechtsweggarantie.
Normenkette
EGRL 112/2006 Art. 401, 135 Abs. 1 Buchst. a; GG Art. 19 Abs. 4; VersStG § 1 Abs. 1, § 7 Abs. 1 S. 1; FGO § 40 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
3. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Aufwendungen selbst.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Festsetzung und Erhebung der Versicherungsteuer auf die vom Kläger im Jahr 2007 für seine Hausratsversicherung sowie seine Berufshaftpflichtversicherung bezahlten Versicherungsentgelte wegen Verletzung von Vorschriften der Europäischen Union (EU) rechtswidrig sind.
Mit Schreiben vom 27. Dezember 2007 beantragte der Kläger beim Beklagten unter Vorlage der Beitragsrechnungen über vier verschiedene Versicherungen die Erstattung von Versicherungsteuer in Höhe von 118,67 EUR mit der Begründung, die Erhebung von Versicherungsteuer verletze europäisches Recht. Die Beitragsrechnungen betrafen Versicherungsprämien des Klägers, die er für seine Hausratsversicherung, für seine Privathaftpflicht-Versicherung, für seine Berufshaftpflicht-Versicherung sowie für seine Kraftfahrzeug-Versicherung im Jahr 2007 bezahlt hatte. Im Einzelnen handelte es sich um folgende Versicherungen:
Versicherer |
Sitz |
Versich.-Art |
Rechnungsdatum |
Versich.-Nr. |
VersSt |
B |
M |
Hausratsversicherung |
25.08.2007 |
FV-54-4147 |
15,76 EUR |
S-AG |
B |
Privathaftpflicht-Versicherung |
August 2007 |
90297171592728 BP4 |
7,08 EUR |
V |
W |
Berufshaftpflicht-Versicherung |
3.01.2007 |
24066 |
48,75 EUR |
R-AG |
S |
KFZ-Versicherung |
1.01.2007 |
430/30/538 632538 301 |
54,47 EUR |
Summe |
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126,06 EUR |
Die V ist eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts bestehend aus den vier Versicherungsunternehmen A (39 %), X (32 %), R (7 %) und V (22%), die die Versicherungsbeiträge einschließlich der hierauf entfallenden Versicherungsteuer für Rechnung ihrer Gesellschafter erhebt und entsprechend der Beteiligungsquote der Gesellschafter an diese weiterleitet. Die Anmeldung der Versicherungsteuer bei der zuständigen Finanzbehörde erfolgt dann durch die einzelnen Gesellschafter auf der Grundlage ihrer Anteile. So verhielt es sich auch im Streitfall betreffend die Berufshaftpflichtversicherung des Klägers. Die Versicherungsteuer für die Hausratsversicherung des Klägers in Höhe von 15,76 EUR führte die B – die Beigeladene – aufgrund ihrer bislang noch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 Abgabenordnung – AO –) stehenden Versicherungsteuer-Anmeldung für den Anmeldungszeitraum September 2007 vom 10. Oktober 2007 an den Beklagten ab.
Der Beklagte ging davon aus, nur in Bezug auf die von der Beigeladenen entrichtete Versicherungsteuer zuständig zu sein, legte den Erstattungsantrag des Klägers als Antrag auf Änderung der vorgenannten Versicherungsteueranmeldung durch Herabsetzung der Versicherungsteuer um 15,76 EUR aus und lehnte diesen mit Bescheid vom 8. Mai 2008 ab. Der hiergegen mit Schreiben vom 11. Mai 2008 eingelegte Einspruch blieb erfolglos und wurde durch Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 5. Juni 2008 als unbegründet zurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich die mit Schriftsatz vom 11. Juni 2008 erhobene Klage, die der Kläger wie folgt begründet:
Der Ablehnungsbescheid vom 8. Mai 2008 sei wegen Rechtswidrigkeit aufzuheben, weil die Festsetzung und Erhebung von Versicherungsteuer im Allgemeinen und im Streitfall im Besonderen u.a. gegen europäisches Recht verstoße. Gemäß Art. 135 Abs. 1 Buchstabe a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem vom 28. November 2006 (MwStSystRL) seien die Mitgliedstaaten der EU verpflichtet, Versicherungsund Rückversicherungsumsätze von der nationalen Umsatzsteuer zu befreien. Diesem Gebot habe der nationale Gesetzgeber zwar durch § 4 Nr. 10 Buchstabe a Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) insoweit entsprochen, als hierdurch die Leistungen auf Grund eines Versicherungsverhältnisses im Sinn des Versicherungsteuergesetzes (VersStG) von der Umsatzsteuer befreit sind. Aus Art. 401 MwStSystRL ...