rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine mehrfache Begünstigung von Familienheimen
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Auszug des Erblassers aus der bislang eigengenutzten Immobilie unter gleichzeitiger Verlegung des Lebensmittelpunkts in eine andere eigengenutzte Immobilie ist nicht mit dem Umzug in ein Senioren- oder Pflegeheim aus zwingenden gesundheitlichen Gründen gleichzustellen.
2. Die Steuerbefreiung als Familienheim kann nur für ein einziges Objekt in Betracht kommen. Dies gilt sowohl bei gleichzeitiger Eigennutzung mehrerer Immobilien durch den Erblasser zu seinen Lebzeiten als auch im Falle zeitlich aufeinander folgender Eigennutzung verschiedener in seinem Eigentum stehender Immobilien.
3. Die Steuerbefreiungsvorschrift begründet kein Recht des Erben, nach dem Erbfall auszuwählen, welche von mehreren ererbten Immobilien, die vom Erblasser nacheinander zeitweise selbst genutzt worden und aufgrund zwingender Gründe jeweils wieder verlassen worden waren, als Familienheim begünstigt sein soll.
Normenkette
ErbStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 13 Abs. 1 Nr. 4c
Tenor
1. Der durch die Einspruchsentscheidung vom 18. März 2020 bestätigte Erbschaftsteuerbescheid vom 27. November 2019 wird dahingehend geändert, dass die Erbschaftsteuer auf 313.842 EUR herabgesetzt wird.
2. im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 77 % und der Beklagte zu 23 %.
4. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte dem Kläger im Rahmen der Festsetzung der Erbschaftsteuer in Bezug auf ein ererbtes Wohnhaus zu Unrecht die Steuerbefreiung als Familienheim verweigert hat.
Am 19. Juni 2015 verstarb A, die Mutter des Klägers, (im Weiteren Erblasserin). Die Erblasserin hatte bis dahin in dem ihr gehörenden und von ihr gemeinsam mit B – ihrer Tochter und Schwester des Klägers – bewohnten Wohnhaus in X gelebt. Dort war die Erblasserin auch mit ihrem Wohnsitz gemeldet. Laut Erbschein des Amtsgerichts M vom 29. Dezember 2015 wurde die Erblasserin je zur Hälfte vom Kläger und seiner Schwester beerbt. Im Nachlass der Erblasserin befand sich außer dem Haus in X unter anderem noch ein weiteres Wohnhaus in Y. In dem zuletzt genannten Haus ist der Kläger mit Wohnsitz gemeldet. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 8. Juni 2016 setzten der Kläger und seine Schwester die zwischen beiden bestehende Erbengemeinschaft nach ihrer Mutter dahingehend auseinander, dass der Kläger das Haus in Y und seine Schwester das Haus in X jeweils zum Alleineigentum erhielt. Nach entsprechender Aufforderung durch den Beklagten gaben der Kläger ebenso wie seine Schwester Erbschaftsteuererklärungen ab. Die Schwester des Klägers deklarierte das Haus in X teilweise als steuerbefreites Familienheim. In seiner Erbschaftsteuererklärung vom 29. November 2016 gab der Kläger die Gesamtwohnfläche des von ihm vollständig eigengenutzten Hauses in Y mit 188,87 m² an.
Da weder der Kläger noch dessen Schwester für die bebauten Grundstücke in X und Y Erklärungen über den Grundbesitzwert bei dem für das Wertfeststellungsverfahren zuständigen Finanzamt M eingereicht hatten, stellte letzteres die Grundbesitzwerte im Schätzungswege und unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest. Durch Feststellungsbescheide jeweils vom 27. November 2019 stellte das Finanzamt M gegenüber der Schwester des Klägers den Grundbesitzwert des Hauses in X auf 995.630 EUR sowie den des Hauses in Y auf 1.992.240 EUR fest. Das Finanzamt M rechnete den Grundbesitz beider Häuser ab dem Erbfall in voller Höhe allein der Schwester des Klägers zu. Der Kläger legte beim Finanzamt M gegen den Bescheid über die Feststellung des Grundbesitzwertes des Hauses in Y im eigenen Namen Einspruch ein, ohne diesen jedoch zu begründen. Unter dem Datum des 30. Juli 2020 wies das Finanzamt M den besagten Einspruch durch Einspruchsentscheidung gegenüber der Schwester des Klägers als unbegründet zurück und hob den Vorbehalt der Nachprüfung auf.
Mit Schreiben vom 30. Juli 2019 hatte der steuerliche Vertreter des Klägers beim Beklagten vorgetragen, dass es sich bei dem Haus in Y, um ein von der Erbschaftsteuer befreites Familienheim handeln würde und beantragt, ihm deshalb die entsprechende Steuerbefreiung zu gewähren. Der Beklagte teilte dessen Rechtsauffassung nicht und setzte mit Erbschaftsteuerbescheid vom 27. November 2019 die Erbschaftsteuer des Klägers dementsprechend auf 408.519 EUR fest. Der Steuerfestsetzung lag ein Wert des erbschaftsteuerrechtlichen Erwerbes des Klägers von 2.318.115,50 EUR einschließlich des Grundbesitzwertes für das Haus in Y in der vom Finanzamt M festgestellten Höhe zugrunde. Hiervon brachte der Beklagte einen Freibetrag von 5.000 EUR für ererbte Hausratsgegenstände sowie den persönl...